Eine ebenso schreckliche wie überflüssige Version.
ME-Leser 1984 bis 2016 - ME-Forum seit 30.04.2003 - Erster Beitrag: "Wo kann ich mich hier wieder abmelden?" Heavy Rotation → ◉ Jake Bugg (2024) A Modern Day Distraction ◉ Julie (2024) The Ant-Aircraft Friend ◉ Towa Bird (2024) American Hero ◉ The Courettes (2024) The Soul Of... The Fabulous Courettes ◉ Noga Erez (2024) The Vandalist
Ich finde es zumindest interessant. Zugegebenermaßen mag ich Völkers Stimme in seinen Postpunksongs mit seiner Band 206 lieber als hier. Aber "überflüssig" ist ja nun wirklich keine Kategorie. Warum soll der dieses Lied denn nicht covern? Ist ja nun nicht gerade ein sehr präsenter oder zu Tode gespielter Song. Und die New Wave-Weirdness des Originals in einer Akustikversion übertragen zu wollen, finde ich zumindest mutig und daher beachtenswert.
“Troubled times, kids, we got no time for comedy.” (Phife Dawg)
1. Moribund The Burgermeister 2. Solsbury Hill 3. Modern Love 4. Excuse Me 5. Humdrum
Seite 2:
1. Slowburn 2. Waiting For The Big One 3. Down The Dolce Vita 4. Here Comes The Flood
Drei Jahre nach seinem Ausstieg von Genesis hat Peter Gabriel geschwiegen und sich um seine Familie gekümmert. Genesis brachten in der Zeit bereits "A Trick Of The Tail" und "Wind And Wuthering" heraus. 1977 erschien schließlich sein Debüt (da die ersten vier Solo-Alben alle "Peter Gabriel" heißen, wurde dieses aus nachvollziehbaren Gründen "Car" genicknamed, das Cover gestaltete Hipgnosis und Peter sitzt in Storm Thorgersons Auto), und es hatte musikalisch nur noch recht wenig mit seiner Vergangenheit bei der besten Prog-Band der Welt zu tun. Auch von den Einflüssen von Welt- und insbesondere afrikanischer Musik, die die Alben III und vor allem IV dominieren ist hier noch keine Spur. Dennoch hat mich das Album komplett ausgeknockt. Auffällig ist, dass Gabriels Texte (egal ob verständlich oder eher kryptisch) ein essenzieller Wichtigkeit für das Album sind, da sitzt jedes Wort (und es sind immer die richtigen Wörter) an der richtigen Stelle und wertet die ohnehin grandiose Musik nochmals auf. Der Opener "Moribund The Burgermeister" (schon allein der Titel) ist eine Klasse für sich, da geht es um ein Dorf, dessen Einwohner alle an Chorea minor, also an unkontrollierbaren Zuckungen des Körpers leiden (Their bodies twistin' and turnin' in a thousand ways, the eyes are rollin' round and round into a distant gaze) bevor der Refrain den Wahnsinn illustriert. Textlich bodenständiger geht es auf dem Hit des Albums, "Solsbury Hill" zu, auf dem er seinen Ausstieg von Genesis dokumentiert (I was feeling part of the scenery, I walked right out of the machinery), recht hart mit den Ex-Kollegen ins Gericht geht (No one taught them etiquette, I will show another me) und die Erleichterung ist diesem relativ fröhlichen Song anzumerken (Today I don't need a replacement, I'll tell them what the smile on my face meant). Als nächstes widmet er sich auf "Modern Love" den profanen Irrungen und Wirrungen der Liebe (Hey, I'm feeling so dirty, you're looking so clean, and all you can give is a spin in your washing machine). Der kurze Novelty-Song "Excuse Me" ist der einzige Schwachpunkt des Albums, bevor es mysteriös mit "Humdrum" weitergeht, der sowohl als Liebesdrama als auch abermals als Genesis-Exit-Song verstanden werden kann (Lost among echoes of things not there, watching the sound forming shapes in the air) oder auch alles andere, denn das gleichzeitig erhabene und traurige Finale endet mit "From the white car came the bright scar, our amobea, my little liebe schön). Ist das nicht Poesie? Seite 2 beginnt mit "Slowburn", dem depressiven Cousin von "Modern Love", bevor der waschechte Slow-Blues "Waiting For The Big One" anschließt. Extra-probs für die Gitarrenarbeit von Steve Hunter, der auch schon das legendäre Intro von "Solsbury Hill" gestaltete. In späteren Jahren darauf haderte Gabriel mit dem Arrangement von "Here Comes The Flood" und spielte den Song nur noch als Ballade (in Deutschland auch gerne als Konzertopener in Deutsch), aber meiner bescheidenen Meinung nach ist gerade die hier befindliche Version so grandios wegen des Wechselspiels der balladesken Strophe und des hereinbrechenden Refrains, der sehr schön die Flut suggeriert. Dazu ein erhabenes Gitarrensolo von Dick Wagner, der leider 2014 verstarb. Das London Symphony Orchestra, dass sich den Ruf in den 70ern mit einigen überladenen Klassik-Rock-Alben versaute, ist hier ebenfalls beteiligt, aber viel mehr over the top ist eigentlich das absurd bombastische "Down The Dolce Vita", dessen Klassik-Anteil an Kriegsfilme der 50er-Jahre erinnert. "Here Comes The Flood" aber ist in dieser Version das Highlight unter Highlights und beendet das tolle Album mit einer melancholischen Note: "Drink up dreamers, we're running dry"!
Sehr schöne und aufschlußreiche Kritik, bin mal auf die anderen gespannt! Höre die ersten beiden Soloalben eher selten, aber sollte das mal ändern. "III" bzw. "Melt" ist bisher mein absoluter Favorit, und wenn ich mal Lust auf Gabriel habe, lege ich normalerweise das auf.
We don't believe in anything we dont stand for nothing. We got no "V" for victory cause we know things are tougher.
(Iggy Pop/James Williamson: "Beyond The Law")
---------------------------------------------------------------- From the river to shut the fuck up.
Gegen III ist natürlich überhaupt nichts zu meckern, nicht nur wegen Kate Bush. Weil auch Gabriels Videos immer sehenswert sind, hier noch der Nachtrag für die beiden Singles aus I:
1. On The Air 2. D.I.Y. 3. Mother Of Violence 4. A Wonderful Day In A One Way World 5. White Shadow
Seite 2:
1. Indigo 2. Animal Magic 3. Exposure 4. Flotsam And Jetsam 5. Perspective 6. Home Sweet Home
Es scheint nicht zum Besten zu stehen mit Peter Gabriels Verfassung, als er kurz nach seinem frühen Meisterwerk seinen abermals selbstbetitelten Nachfolger (daher auch Peter Gabriel II oder "Scratch" genannt) aufnimmt. Die Ehe mit seiner Frau Jill ging in die Brüche, durch das Album zieht sich eine latente Düsternis und Verzweiflung. Dabei fängt alles noch vermeintlich munter an: "On The Air" ist ein klasse Opener. "I got power, I'm proud to be loud" singt Gabriel zu einer Synthie-Endlosschleife von Larry Fast und den Gitarren von Robert Fripp (der auch das Album produzierte) und Sid McGinnis. "D.I.Y.", die einzige Single aus dem Album folgt ohne Unterbrechung und textlich macht sich unbehagen breit: "Don't tell me what I will do cause I won't//Don't tell me to believe in you cause I don't". Diese zwei ersten Songs sind auch die einzigen, die es wenigstens bis auf das Live-Album "Plays Live" geschafft haben, seitdem wird das Album von Gabriel komplett ignoriert. Es folgt die erste von vier über die LP verteilten tiegtraurigen Balladen: Bei "Mother Of Violence" ist seine Ex-Frau Jill als Co-Autorin aufgeführt. Mit zerbrechlicher Stimme wird durch das Stück geführt das mit den Worten endet: "Getting hard to breathe//Getting hard to believe in anything at all//but fear". Als nächstes einer der Gründe, warum das Werk nicht mit seinen anderen mithalten kann: "A Wonderful Day In A One Way World". Wenn man den Titel liest, weiß man schon alles. Ein klarer Füller unterlegt mit Pseudo-Reggae und konsumkritischem stereotypem Text, der zurecht im Reich der vergessenen Songs dümpelt. "White Shadow" dagegen ist für mich das absolute Highlight des Albums. Der Kontrast zwischen verzweifelter Strophe und erhabenem Refrain funktioniert hier großartig: "Trying to read the flight of birds//low on fuel, getting low on words//and she comes out like a white shadow". Dieser Song wäre ein Monolith auf jedem Gabriel-Album und gerät mit diesem leider zu sehr in Vergessenheit. Auf der Vinyl-Ausgabe flirrt der Synthie in der Auslaufrille unendlich weiter. Gut so!
Gleich zu Beginn macht sich wieder Verzweiflung breit: "All right, I'm giving up the fight!". "Indigo" ist die zweite Verzweiflungsballade, wenn auch eine wunderschöne und morbide: "When it ends, again I'll see my friends//They'll give me a lift, I've been running adrift so easy". Damals konnte man sich wirklich sorgen machen um Peter. Zum Glück gibt es zwei straighte Rocker auf der zweiten Seite bevor man sich entleiben möchte: "Animal Magic" und "Perspective" haben allerdings "Modern Love" aus dem ersten Album musiklaisch nichts hinzuzufügen. Während "Animal Magic" wieder einen leicht misslungen ironischen Kontext hat, schlägt sich auf "Perspective" die Verzweiflung wieder Bahn. Dazwischen gibt es mit "Exposure" mutmaßlich eine Testspielerei von Peter Gabriel und Robert Fripp, mit allerlei "Frippertronics", wie es allen Ernstes in den Credits steht, und "Flotsam And Jetsam", Verzweiflungsballade Nummer drei, diesmal kaum länger als zwei Minuten. Entlassen wird man mit der vierten Ballade, die besonders schwarz und heftig ist: Eine junge Familie investiert ihr ganzes Geld in ein Haus und ist einsam, pleite und verzweifelt: "When I came home from work that night//she'd jumped out the window with our child//from our home sweet home". Mit dem Versicherungsgeld geht er ins Casino: "Down on the wheel on a double//and I won, yes I won like I never won before//Bought myself a country house with an antique carved old door".
Peter Gabriel II ist nicht der richtige Ort, um in sein Werk einzusteigen. Es ist ein düsterer, unheilvoller Ort. Es ist die Horror-Ecke seiner Diskografie, aber kein Blockbuster, sondern ein B-Movie. In dieser Umgebung wirken selbst die Uptempo-Songs bedrohlich. Wer aber Peter Gabriel schätzt und bereit ist sich das Album zu erarbeiten (obwohl es musikalisch nicht besonders kompliziert ist), hat eine gute Ergänzung zum Debüt. Danach sollte alles anders werden und Peter Gabriel entdeckt seinen Platz im musikalischen Orbit.
ein in diesem zusammenhang immer wieder gern gesehenes highlight ist das video von gabriels damaligem rockpalast-auftritt, das standesgemäß mit "on the air" eingeläutet wird (was für ein song!). dass er sich in einer übergangsphase befand, wird deutlich am kontrast zwischen seiner wunderbar protopunkigen fuck-you-attitüde (die durch die warnwesten und die kurzhaarschnitte noch unterstrichen wird), und dem natürlich nach wie vor recht proggigen repertoire (repräsentiert vom unbezahlbaren langhaarigen klavierficker). ein absoluter knaller ist gerade unter diesem aspekt die letzte zugabe (bei 53:30): "the lamb lies down on broadway", hinreißend gerotzt!
Ich bin zwar weit weg von persönlichem Interesse an der Band, aber ich danke dem lieben Squonk für das ansprchend aufgearbeitete Prokrastinationfutter, welches mich vom Arbeiten abhält. Da muss ich doch doch bei manch Kandidaten mal selber ran.