Da nehme ich zur Abwechslung mal einen erfrischend anderen Blickwinkel als mein Mentor Lumich ein und verweise darauf, dass die entsprechend kritisierten Vorschläge der Grünen auf individueller Ebene Verbote etablieren würden, der Vorschlag von Merz aber darauf abzielt, Unternehmen und Organisationen die sprachliche Bevormundung und Erziehung der Menschen gegen deren Mehrheitswillen und ohne entsprechendes Mandat zu verbieten. Äpfel und Birnen.
Wenn ich für ein Unternehmen oder eine Organisation nach außen kommuniziere, dann schreibe ich grundsätzlich nicht einfach so was oder wie ich möchte sondern orientiere mich sowohl beim Inhalt als auch in der Sprachwahl daran, was mein Arbeitgeber möchte. Das ist die Natur der Sache wenn Außenkommunikation zu meinem Job gehört. Das Gendern ist da nichts anderes als wenn sich in der CDU darauf verständigt wird, bei Twitter jetzt den Hashtag #eineCDU zu verwenden, um ein Signal zu senden (darauf lässt sich ja sogar der große Individualist Merz ein). Das als unmoralischen linguistischen Zwang zu verstehen, halte ich für sehr weit hergeholt.
Zum angeblichen Zwang zum Gendern in Hochschularbeiten: der Linguist Anatol Stefanowitsch hat eine natürlich nicht repräsentative Umfrage durchgeführt, welche Studenten tatsächlich mal Repressalien zu erleiden hatten, weil sie nicht gegendert haben. Ergebnis: niemand.
You all want the whole world to be changed so you will be different.
Zitat von LFB im Beitrag #1172(…) der Vorschlag von Merz aber darauf abzielt, Unternehmen und Organisationen die sprachliche Bevormundung und Erziehung der Menschen gegen deren Mehrheitswillen und ohne entsprechendes Mandat zu verbieten.
Das ist nicht alles, was er sagte. Wie schon zitiert:
Zitat„Wer gibt Nachrichtenmoderatorinnen und -moderatoren das Recht, in ihren Sendungen einfach mal so eben die Regeln zur Verwendung unserer Sprache zu verändern?“
Antwort: Der Rundfunk-Staatsvertrag, der dem öffentlich rechtlichen Rundfunk die Freiheit einräumt, F***en-Fritz nicht zu fragen zu müssen, wenn sie gendergerecht sprechen wollen.
☟ smog in berlin. nichts wie hin. weil du mich küsst, bin ich kein tourist.
Der Artikel ist leider hinter der Bezahlschranke versteckt, aber im Jahr 2000 hatte Friedrich Merz in einem Zeitungsinterview über seine wilde Jugend im Sauerland geprahlt. Daraufhin hatte die Titanic einen Artikel verfasst mit dem Titel: „Sie nannten ihn F***en-Fritz“.
☟ smog in berlin. nichts wie hin. weil du mich küsst, bin ich kein tourist.
Ich meine Merz beruft sich hierauf: https://www.focus.de/regional/bayern/als...d_13153653.html Das geht natürlich gar nicht, aber dennoch ist das, was Merz macht, Populismus der billigsten Sorte. Da will wohl einer dringend in die Schlagzeilen.
Abgesehen davon, dass ich das Gendern als Benotungsgrundsatz auch nicht unbedingt für sinnvoll halte, ist es aber schon so, dass an Universitäten von Dozent*innen alle möglichen Konventionen zur Bewertung zugrundegelegt werden, darunter die Rechtschreibung, Zitationsregeln, akademischer Ausdruck und auch so irre Angewohnheiten wie die, dass man sich selbst als Autor*in einer Arbeit sprachlich nahezu verleugnet, um wissenschaftliche Objektivität vorzugaukeln. Ich musste ganze Seminare besuchen, die mir nichts anderes als wissenschaftliches Schreiben beibrachten. Nun kommt mit dem Gendern eine weitere Konvention hinzu kommt, an der eine Dozent*in ablesen möchte, ob ihre Student*innen die von ihr vorgegebenen Regeln wissenschaftlichen Arbeitens verinnerlicht haben. Ich finde die Aufregung darüber etwas unverhältnismäßig.
Von der Uni Kassel gibt dazu eine Stellungnahme. Demnach werde erst geprüft, ob das Verwenden gendergerechter Sprache in die Bewertung einfließen darf. Eine knapp 4 Wochen ältere Stellungnahme[/URL] dementiert ganz klar, dass eine solche Praxis existiert. Diese ist allerdings offline und nur im Google-Cache noch lesbar:
ZitatStellungnahme geschlechtergerechte Sprache (Stand 30.03.2021)
Die Berichterstattung der HNA vom 29. März 2021 unter den Überschriften „Sprachstreit an der Uni“ und „Bestrafung für korrekte Sprache“ vermittelt in der Öffentlichkeit den Eindruck, als würden Studierende für Qualifikationsarbeiten, in denen sie keine gendergerechte Sprache verwenden, schlechter benotet. Das ist nicht der Fall. Vielmehr hat die Gleichstellungsbeauftragte der Universität Kassel im Gespräch mit dem Redakteur der HNA darauf hingewiesen, dass das „Gendern“ nur unter sehr expliziten Voraussetzungen, ausdrücklichen Absprachen zwischen prüfender Person und Prüfling sowie bei wissenschaftlicher Relevanz für das Thema in eine Notengebung einfließen kann. Dies dürfte also nur in ganz wenigen Fällen und bei voller Transparenz zwischen Lehrenden und Studierenden der Fall sein; bislang gibt es keine Beschwerden. Durch die Berichterstattung und die verkürzte Wiedergabe einzelner Sätze wurde ein Eindruck vermittelt, der der tatsächlichen Praxis an der Universität Kassel nicht entspricht.
Die Informationen auf der Website der Stabsstelle Gleichstellung der Universität Kassel geben Lehrenden und Studierenden zahlreiche Empfehlungen an die Hand, wie sie geschlechtergerechte Sprache einsetzen können, um ein möglichst diskriminierungsfreies Umfeld für alle Studierenden zu schaffen. Diese Empfehlungen sind keine Vorgaben, sondern Handreichungen und Denkanstöße auf Basis aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse, wie sie von vielen Studierenden und Lehrenden immer wieder nachgefragt werden.
Als Universität Kassel ist es unser Ziel, durch Aufklärung über Bedeutung, Formen und Möglichkeiten geschlechtergerechter Sprache zu überzeugen.
Wie auch immer: Der Focus beweist mal wieder seine besonderen Stärken, was das kreative Schreiben angeht.
☟ smog in berlin. nichts wie hin. weil du mich küsst, bin ich kein tourist.
Zitatdass das „Gendern“ nur unter sehr expliziten Voraussetzungen, ausdrücklichen Absprachen zwischen prüfender Person und Prüfling sowie bei wissenschaftlicher Relevanz für das Thema in eine Notengebung einfließen kann
Also gibt es selbst nach dieser inzwischen zurückgezogenen Stellungnahme schon einmal drei Fälle, von denen einer ("Absprache") eine Entscheidungsfreiheit suggeriert, die in der Realität nicht bestehen dürfte (was droht dem Prüfling, der sich einer solchen "Absprache" widersetzt?) und die beiden anderen sind so schwammig formuliert, dass sie sich quasi immer anwenden lassen. So etwas als ernsthaft als Dementi zu werten zeugt schon viel gutem Willen deinerseits.
Die Formulierung „bei wissenschaftlicher Relevanz“ und „in ganz wenigen Fällen“ klingt jetzt nicht so, als ob die ganz große Empörung jetzt angebracht wäre. Allerdings wenn jemand gerade Genderstudies studiert, dann darf man das schon als Teil der Rechtschreibung erachten, das fände ich nachvollziehbar. Grundsätzlich würde ich eine verpflichtendes Gendern im Lehrbetrieb für falsch und als nicht zweckdienlich erachten. Konsequenterweise würde ich es auch nicht befürworten, wenn den Studierenden eine Genderform als Rechtschreibfehler angekreidet würde.
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edit: Lumich hatte es unter "News" schon erwähnt...
Das Bundesverfassungsgericht hat heute das Klimaschutzgesetz in Teilen für verfassungswidrig erklärt. Denn das Klimaschutzgesetz von 2019 greift aus Sicht der Verfassungsrichter zu kurz.
Es fehlten ausreichende Vorgaben für die Emissionsminderung ab 2031, erklärten sie. Und damit werde die jüngere Generation in ihren Freiheitsrechten verletzt. Der Gesetzgeber muss nun nachbessern.
Es sind lediglich bis zum Jahr 2030 Maßnahmen zur Emissionsverringerung vorgesehen. Damit würden die Gefahren des Klimawandels auf Zeiträume danach und somit zulasten der jüngeren Generation verschoben. Den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur dann wie geplant auf deutlich unter zwei Grad oder auf 1,5 Grad zu begrenzen, wäre nur mit immer dringenderen und kurzfristigeren Maßnahmen machbar.
Folglich würden die zum Teil sehr jungen Beschwerdeführenden in ihren Freiheitsrechten verletzt. Zur Wahrung grundrechtlich gesicherter Freiheit hätte der Gesetzgeber Vorkehrungen treffen müssen, "um diese hohen Lasten abzumildern". Die Richter verpflichteten den Gesetzgeber, bis Ende 2022 die Minderungsziele der Treibhausgasemissionen ab 2031 besser zu regeln.
Die Richter erklärten, es dürfe nicht einer Generation zugestanden werden, "unter vergleichsweise milder Reduktionslast große Teile des CO2-Budgets zu verbrauchen, wenn damit zugleich den nachfolgenden Generationen eine radikale Reduktionslast überlassen und deren Leben umfassenden Freiheitseinbußen ausgesetzt würde".
Die bis 2030 festgelegten Klimaschutzziele seien dagegen nicht zu beanstanden.
Geklagt hatten vor allem junge Menschen, die von mehreren Umweltverbänden unterstützt wurden. Kläger sind auch in der Fridays-for-Future-Bewegung aktiv.
Bei seiner Entscheidung bezieht sich das Gericht auf Artikel 20a des Grundgesetzes. Darin heißt es: "Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung."
"Good taste is the worst vice ever invented" (Edith Sitwell)