Zitat von Reverend im Beitrag #92Protomartyr, MTC (Köln) An einem Montagabend im November geht man ja eher ungern für ein Konzert raus, aber wenn man dann mal angekommen ist im Konzertkellergewölbe und die ersten zwei Kölsch drin hat, fühlt sich das dann doch umso besser an. Abgesehen von ihrem blöden Namen sind Protomartyr mE eine der wenigen wirklich spannenden aktuellen Rockbands. Auf ihrer neuen, sehr guten Platte "The Agent Intellect" klingen sie wie eine Mischung aus Interpol, The Fall und Pere Ubu und sind noch eine Spur zugänglicher geworden als auf ihrer vorherigen. Postpunk ist vermutlich eh das Genre, bei dem ich am liebsten Gitarren hören mag. Live war das dann aber wieder extrem roh, druckvoll und, jawohl, Punk mit relativ wenig Post. Die vier Typen sehen eh so aus, als hätten sie kaum berufliche Chancen außerhalb der Musik (schon gar nicht in Detroit), und dementsprechend liegt auch sehr viel Herzblut und Soul in dem, was sie machen. Der Sänger hat eindeutig bei Mark E. Smith gelernt, was immer als Lob zu verstehen ist. Den ca 60-70 Anwesenden hat's hörbar Spaß gemacht. Nach 50 Minuten und immerhin einer Zugabe ("We used to not do encores") war Schluss. Perfekt.
Haaaaaaaaa, 60-70 Anwesende - wie man doch verblödet, wenn man immer auf den gleichen Seiten im Netz unterwegs ist und immer wieder das Protomartyr Artwork penentriert bekommt. Ich vergesse da immer wieder, wie klein solche Themen in der Realität dann doch sind ;-) Tolle Band jedenfalls
ZitatIch vergesse da immer wieder, wie klein solche Themen in der Realität dann doch sind.
Ja, von einer guten Rezension bei Pitchfork etc kann man noch keinen Hype ableiten. Aber ich finde 60 Leute an einem Montagabend für diese Band ehrlich gesagt gar nicht so schlecht. Das ist ja alles andere als massentauglich, was die machen. Und hübsch sind sie auch nicht. Publikum war auch klar Ü35.
“Troubled times, kids, we got no time for comedy.” (Phife Dawg)
Ja, es gab eine Vorband. Nein, keiner von uns hat sie sich angeschaut. Wir waren zu sehr damit beschäftigt, uns darüber zu freuen, dass ein Teil der Rasselbande (Leute aus dem Visions-Forum) wieder mal an einem Ort versammelt war. Und ich persönlich, weil mein Fuß mitgespielt und mir die Autofahrt ermöglicht hat.
Ghost: Was soll man sagen? Es war großartig. Genau das richtige Konzert zur richtigen Zeit, Eskapismus und Spaß pur, ohne an die Weltlage denken zu müssen. Ich freue mich ja immer, wenn Leute das, was sie machen, wirklich gut können. Und das war definitiv der Fall. Die Musiker, die sich hinter den Masken verstecken, sind echte Könner und machen ihre Sache sichtlich gern. Und das merkt man trotz der Verkleidung, da kommen irgendwie so fröhliche Vibes von der Bühne runter. Der Sound war für mich auch erstklassig und so konnte man Hit nach Hit nach Hit wirklich genießen. Vermisst habe ich eigentlich nur "Deus In Absentia", sonst waren alle großen Songs dabei. Und wer immer das Licht gemacht hat: große Klasse! Selten so passend eingesetzte Beleuchtung gesehen, atmosphärisch, unaufdringlich, überraschend bunt. Fing schon beim Intro mit komplett roter Beleuchtung an, sieht man auch nicht sehr häufig.
Mittelpunkt der Show war natürlich Papa Emeritus III. Sensationell, der Typ. Was hatten wir denn alles? Weihrauchschwenker, Kerzenständer (im akustisch gespielten "Jigolo Har Megiddo"), zwei Nonnen, die Oblaten verteilten (leider nur für die erste Reihe, fuck!) - es war ein Fest. Zwischendurch hat er die Mitra aber abgelegt, wer will es ihm verdenken. Ich war eigentlich von spärlichen Aussagen ausgegangen, aber der Mann war in Redelaune und zudem ziemlich lustig mit seinen Ansagen. Ob der Akzent nun italienisch oder transsylvanisch sein sollte, darüber streiten sich die Gelehrten. Im Vorfeld hatte ich mich gefragt, ob es einen Kommentar zu den Anschlägen geben würde, gerade bei so einer Konzeptband. Ich zitiere aus dem Kopf: "In these times of trouble, it is important that we go out and meet each other. We will rejoice again!"
Fazit: Das war super und ich werde der nächsten Messe sicherlich wieder beiwohnen.
Kamasi Washington, 17.11.15 Club Bahnhof Ehrenfeld (Köln)
Ausverkauftes Haus, typisches Jazz-Publikum: 80% Männer, Ü45. Dass der warme, groovende Vibe der LP im Konzert nochmal verstärkt rüberkommen würde, war ja zu erwarten gewesen - und der stellte sich dann auch tatsächlich innerhalb von fünf Sekunden, nachdem die Band die Bühne betreten hatte, ein. Was ich nicht erwartet hatte war, dass das ein so dermaßen derber HEAVY FUNK Gig werden würde. Also mindestens so viel Funk wie Jazz. Zwischenzeitlich wähnte ich mich im Jahr 1975 bei einem Konzert der Ohio Players oder Bar-Kays, so fett und tight waren diese unfassbar geilen Doppel-Drums (Ronald Bruner jr und Tony Austin) und der wahnsinnige Bass von Miles Mosely. Es war durchgehend Tanzen angesagt, und meine Beine wippen heute früh auch noch. Ich habe ja dank der Besuche des North Sea Jazz Festivals schon viele tolle Jazzkonzerte gesehen (Pharaoh Sanders, Dr Lonnie Smith, Wayne Shorter) und den vermutlich besten Jazzdrummer der Welt (Brian Blade) schon mehrfach - aber das gestern war wirklich ganz, ganz oben in dieser Liga. Entsprechend laut auch der Applaus und Jubel im Club. Die Band hatte (bis auf den offenbar eher muffigen Ronald Bruner jr) auch eine so entspannt gute Laune, das übertrug sich total auf das Publikum.
Dass man von jedem einzelnen Musiker demnächst auch noch Soloplatten bekommen wird, hat Kamasi auch gestern wieder angekündigt - in der Tat haben wir es hier offenbar mit den Wu-Tang des Jazz zu tun. Und ich freue mich auf jede einzelne Platte. Kurios waren die Freitanzbewegungen von Patrice Quinn und die Tatsache, dass Kamasis Vater Rickey (Klarinette, Flöte) nur ungefähr fünf Jahre älter aussieht als sein Sohn.
Konzert des Jahres (neben Sleaford Mods, Ride und Liturgy).
“Troubled times, kids, we got no time for comedy.” (Phife Dawg)
Zitat von Reverend im Beitrag #98Kamasi Washington, 17.11.15 Club Bahnhof Ehrenfeld (Köln) Kurios waren die Freitanzbewegungen von Patrice Quinn und die Tatsache, dass Kamasis Vater Rickey (Klarinette, Flöte) nur ungefähr fünf Jahre älter aussieht als sein Sohn.
hahaha, stimmt. Hätte er ihn nicht so angekündigt, wäre ich nicht so sicher gewesen, wer der Vater und wer der Sohn ist. Der Ausdruckstanz hat mich während den ersten zwei Songs total irritiert, später fand ich sie richtig symphatisch, hat die Vibes gut transportiert bekommen.
Freu mich auch auf die "Solo"-Alben. Schön wäre, wenn ich sie irgendwann mal noch mit dem erweiterten Brainfeeder/"L.A.-Jazz" 50-Leute-Ensemble zu sehen bekäme, mit denen die Alben eingespielt wurden. Wobei ich mir gar nicht so recht vorstellen kann, wie neben dem Teufelskerl Mosley noch ein Bassist Thundercat zur Geltung kommen könnte.
Möchte mir jemand von der restlichen Tour ein "West Coast Get Down"-T-Shirt besorgen? Ich hatte gestern zu wenig Geld dabei. Kostet 25€ und ist wahnsinnig chic. Gibt's leider nicht online (schrieb mir heute Miles Mosely).
“Troubled times, kids, we got no time for comedy.” (Phife Dawg)
Mehrfach ausverkauftes Haus, untypisches Jazz-Publikum: 75% Männer, 25% Frauen, der graue Schonimmerjazzer war ebenso vertreten wir der Bartträger in den frühen 30ern. Überraschend viel jüngeres Publikum. Mehrfach ausverkauft bedeutet, dass man den Club aufgrund der Nachfrage deutlich öfter voll bekommen hätte, aber es war dann doch ein Novum im Unterfahrt, dass Kamasi ein weiteres verkürztes Konzert um 18:00 h gab.
Dass der warme, groovende Vibe der LP im Konzert nochmal verstärkt rüberkommen würde, war ja zu erwarten gewesen - und der stellte sich dann auch tatsächlich innerhalb von fünf Sekunden, nachdem die Band die Bühne betreten hatte, ein. Es war funky, vor allem das Stück von Ryan Porter. Die Band trat als Oktett auf und hatte (bis auf den offenbar eher muffigen Ronald Bruner jr) auch eine so entspannt gute Laune, das übertrug sich total auf das Publikum. Kurios waren die Freitanzbewegungen von Patrice Quinn und die Tatsache, dass Kamasis Vater Rickey (Klarinette, Sopransax) nur ungefähr fünf Jahre älter aussieht als sein Sohn.
Das Zusammenspiel der beiden Drummer war atemberaubend, nicht weniger das Bassspiel von Miles Mosely. Überhaupt, die Homogenität der Band und die Qualität der solistischen Darbietungen waren großartig, der Sound ebenfalls sehr gut. Kamasi selbst wirkt freundlich und zurückhaltend, ja fast schüchtern. Sein Horn bläst er augenscheinlich recht gelassen, was die entlockten Töne nicht vermuten lassen. Als Zugabe gab es ein verrücktes "Bird Calls" (Mingus). Einziger Wermutstropfen war das Fehlen des Sommerhits "Re Run (Home)". Nach der Show waren alle (bis auf den offenbar eher muffigen Ronald Bruner jr) zu Autogrammwünschen und Kurzinterviews bereit. Kamasi signierte fleißig und ließ sich ablichten (mit und ohne Fan).
Ich muss das erst mal sacken lassen, aber das war unter meinen Top-Ten-Ever-Konzerten
hahah. Apropos Autogrammstunde: Ich fand auch die Begeisterung sehr schön, mit der die Bandmitglieder regelmäßig das Publikum filmten - so als könnten sie trotz der Abfeierei im Netz selbst nicht glauben, dass ihretwegen mehrere hundert Leute zusammengekommen sind. Oder war das vllt. nur in Ludwigshafen so, weil das einfach die GEILSTE Crowd war, hm hm hm?
Lianne La Havas. Ich wage mich ja nur noch selten aus der Indie-Pop-Blase raus. Mein letztes Soulpop-Konzert dürfte Des'ree vor 21 Jahren gewesen sein, mein letztes Singer-Songwriter-Konzert Billy Bragg vor 18 Jahren. Aber die erste Lianne-LP (die neue, zweite nicht so) und Konzertmitschnitte auf arte.tv klangen dann doch sehr vielversprechend.
Publikum: Ein paar 20jährige, angenehm viele 50+. Stylingmäßig die Unschicken erfreulicherweise in der überwältigenden Mehrheit. Die Muffathalle war nicht über- aber ordentlich gefüllt.
Vorgruppe: Roseau. Vom Reinhören auf Soundcloud hatte ich einen eher elektronischen, triphoppigen Eindruck. Live (Sängerin mit Gitarre, Keyboarder, Drummer) dann eher Soulpop mir Rockelementen. Gut, aber weder besonders aufregende Song- noch Arrangement-Ideen.
Lianne La Havas (nach arg langer Pause): Natürlich ist das professioneller, charts- und starbuckskompatibler Sound zwischen Gefälligkeit und Melancholie, zwischen Sade und Carly Simon. Was mir besser gefällt als all die anderen ähnlichen Acts sind z.B. die angenehme - nicht übertrieben jodelmäßig eingesetze - Stimme, das Semi-acoustic-Gitarrenspiel und die doch etwas schöneren als bei der Konkurrenz Melodien.
Insgesamt auf jeden Fall eine gute Art, einen warmen, dunklen, regnerischen Herbstabend zu verbringen.
guter neuer club an der peripherie des unsäglichen kult-fabrik-geländes. sehr entspannt, trotz sorgfältiger eingangskontrollen - aber das ist ja angesichts der ereignisse verständlich. vorprogramm bestritten big scary - mir überhaupt kein begriff - aber sehr angenehm. nach sehr verhaltenem beginn groovten die sich in einen sehr tanzbaren disco-rock ein, der mal eine interessante abwechslung zu den letztens gehäuft auftretenden solo-klampferichen und -klampfinen darstellte. dann ein entnervend langer soundcheck, bei dem gefühlt jeder roadie jedes instrument und jedes mikro ausgetestet bzw. gestimmt hat ...
... aber es hat sich gelohnt. der sound war wirklich phantastisch. im vergleich zum gig vor etwa einem jahr im atomic war das ein himmelweiter vorsprung. kein mumpfiger gesang, kein gitarrenbrei, keine ohrenzerfetzende bassdrum - alles sehr distinkt und klar zu verorten. na ja, und courtney ... sie hat wirklich erstaunlich an selbstbewusstsein gewonnen. neulich noch total introvertiert, jeglichen kontakt mit dem publikum vermeidend und höchstens mal einen verhuschten dank ins mikro nuschelnd, war sie diesmal richtig gut aufgelegt und sehr sympathisch. ist wahrscheinlich schon ein ziemlicher unterschied, wenn man mal eben zwei eps präsentieren kann oder die auswahl aus ca. 30 songs hat, die durch die bank bejubelt wurden. in den vorderen reihen wurde getanzt was das zeug hielt und bei "pedestrian at best" sah man selbst den alten gnathonemus, sich beim pogo verausgabend. sehr sehr gut!
Wurde von einem Island-fixierten Freund überredet, mit ihm ins schöne Bensheim zu fahren (noch so ne Provinzhochburg, so langsam komm ich wohl auf den Geschmack). Da wartete die faröerische(?) Sängerin auf, die in Island wohl ein ganz großes Ding ist, in Deutschland aber noch sehr unbekannt. Was erwartet einen da? So ganz klischeehaft, ätherischer Elfen-Menstruations-Pop mit schlechtem Akzent? Wrong. Naja irgendwie auch schon: Beim Hören der Platte entlockte mir sie zwar nur ein "ochjo, nett", aber live... live war das.. die spektakulärste Live-Stimme die ich gehört hab. Out of Space. Nach ein paar Songs war ich völlig weggebeamt und in die Stimme reingesogen. Dachte mir, nur ich und diese Stimme, bitte all night long, don't stop, I'm melting. Der Mischer verriet uns später sie kommt in Off-Piano Tonlagen. Was sich in so sopranlastigen Operetten schrecklich anhört, klingt bei ihr aber mühelos schön. Ich war verzaubert. Die Band war glaub ich egal bis ganz gut. Jetzt muss ich langsam ins Bettchen, morgen hat der Kumpel die ganze Band zum Frühstück eingeladen, Tour-Zwischenstopp auf dem Weg nach Stuggi.