Phillip Boa and the Voodooclub (Köln, Live Music Hall) Alle Krisen dieser Welt sind vergessen, wenn Herr Boa mit seinem Voodooclub ein frenetisch bejubeltes Best of- Konzert vor ausverkauftem Haus gibt und sich semi-gekonnt und -ironisch in seine immergleichen Popstar-Posen wirft. Songs vom kommenden Album gab es noch nicht zu hören, dafür ging es Singles-lastig einmal komplett durch die Diskographie, nur das "Lord Garbage" Album wurde wie noch fast immer komplett ausgespart. Ich könnte mir das jede Woche anschauen, dauert allerdings derer fünf, dann ist es in Düsseldorf tatsächlich wieder soweit, da wird dann als Konzept-Gig "Helios" komplett gespielt. Ich freue mich darauf.
das ... war ... groß. und ein kleines forumstreffen dazu. @victorward samt gattin, der @Jazzmaster und ich fanden uns ein, um diese heiß ersehnte reunion zu erleben. einerseits war's etwas betrüblich, dass es bezüglich der location ein downgrade von der größeren freiheitshalle zum kuscheligen strom gab, aber ich liebe diesen club ja gar sehr und von daher: alles in ordnung.
das vorprogramm bestritt ein junger herr, der sich wohl durch das tragen einer baskenmütze dazu legitimiert fühlte, das erbe des französischen chansons à la gainsbourg oder brel weiter zu tragen. leider war das zum größten teil ziemlich seicht, manchmal auch gesangstechnisch daneben und - alles in allem - überhaupt nicht geeignet, um das kommende ereignis anzuheizen.
na ja, egal, denn der orkan an kreativität, spielfreude und - schlicht und einfach - großem spaß, der dann folgte, stand für sich allein. dieser eklektische mix aus indie rock, electronica, krautrock, chanson, pop, funk und schlachmichtot ist so wenig beliebig, wie einzigartig. hits wie "french disko", "pack yr. romantic mind" oder "miss modular" wurden mit obskuritäten konterkariert. die interpretationen waren mal nah an den originalen, mal sehr frei daran angelehnt, kontemplative momente wechselten sich mit totalen freakouts ab. was sich für mich ergab, war die totale immersion in dieser musikalischen vision. klingt pathetisch? joa, kein problem damit. die beste band der welt!
Eddy Chacon & John Carroll Kirby (Hamburg, Kampnagel, 12.11.2022)
Tolles Booking im Rahmen der Überjazz Club Edition (am Tag vorher spielten Makaya McCraven und Jeff Parker). Ich war ja fast mehr gespannt auf John Carroll Kirby als auf Eddy Chacon selbst, aber der ist schon sehr charmant und wirkte so aufrichtig dankbar, nach langen Jahren wieder Musik zu machen und auf Bühnen zu stehen. Sehr cool. (Dass er der Eddy von Charles & Edidy ("Would I lie to you") ist, ist mir ehrlicherweise erst nach dem Konzert aufgegangen). Mit seiner Curtis-Mayfield-Gedächtnis-Stimmlage ist er ein "match made in heaven" für die funkigen Soulminiaturen, die Kirby aus seinen Keyboards samt angeschlossenem Gerätepark zaubert. Mich erinnerte das sehr an die kürzlich veröffentlichen HomeStudio-Aufnahmen von Charles Stepney, weil das orchestrale Potential der Musik immer wieder aufschien, aber alles gleichzeitig schön rumpelig und geerdet daherkam. Wirklich eine fantastische, intime Live-Erfahrung. Für @Johnny Ryall ist vielleicht noch interessant, dass Eddy Chacon angekündigt hat, dass sein neues Album unter dem Titel "Sundown" Anfang nächsten Jahres bei Stones Throw rauskommen wird.
Vielen Dank für den Hinweis, das Interesse ist natürlich vorhanden.
Ich dachte mir irgendwie, dass was in der Mache sein müsste, aber auf der Bandcamp Seite gibt es nur vereinzelte Aktivitäten zu vermelden.
http://www.last.fm/de/user/DerWaechter ehemaliger Influencer * Downtown * Radebrecht * "Die einzige Bevölkerungsgruppe, die man risikolos beleidigen kann, sind die Dummen. Da fühlt sich nie einer angegriffen." (Ronja von Rönne) “The sex and drugs have gone and now it’s just the rock ‘n’ roll” (Shaun Ryder)
julia jacklin, stella donnelly, erin rae (25.11.2022, münchen, strom)
wow, was für ein package!
erin rae war mir bisher nicht bekannt und ich kam auch nicht dazu, vorher mal reinzuhören. als wir fast pünktlich ankamen, hatte sie tatsächlich schon angefangen. einsame frau mit klampfe. das hat maximales langweilerpotenzial. heute jedoch nicht. gute songs, gute stimme, gute gitarristin. nach einer halben stunde war's schon vorbei. von mir aus hätte sie gerne noch länger spielen dürfen.
stella donnelly war für uns der hauptgrund, warum wir da hin gingen. und sie hat hat alle erwartungen (über)erfüllt. was für eine charmante person. und eine wahnsinnig gute band hat sie mitgebracht. alles absolute könner. die songs sind eh schon über alles erhaben, aber sie haben sie noch besser gemacht. wir waren total hingerissen. leider hat der zeitplan auch hier einen verlängerten genuss verhindert. hoffentlich dürfen wir sie irgendwann nochmal als headliner erleben.
und dann kam celine dion ... also aus der konserve ... damit enterte julia jacklin die bühne, spielte dann aber doch was eigenes ... und vergaß mittendrin den text. hat sie aber souverän weggewitzelt und ihren song ordnungsgemäß zuende gebracht, bevor dann die band die bühne betrat. und: mein lieber schwan! im vergleich zum ersten mal, als wir sie gesehen hatten, hat sie aber ordentlich schmackes draufgepackt. der wall of sound aus z.t. 3 gitarren hat mich ganz schön weggeblasen. stimmlich hat sie sich - glaube ich - auch nochmal um einiges verbessert. das problem war nur, dass sich nach den insgesamt 3 stunden doch ein gewisser ermüdungseffekt einstellte und so war ich dann doch ganz froh, als sie kurz vor 11 die letzten 2 songs ankündigte ... die dann aber nochmal richtig spaß machten.
das publikum und die stimmung waren auch toll und es war voll, aber nicht unangenehm. ein wirklich rundum gelungener abend. hach, was bin ich froh, dass das alles endlich wieder möglich ist.
Schön zu sehen, wie sich die früher durchaus oftgescholtene Band um Robert Smith in den letzten Jahren zu everybody's darling entwickelt hat. Denn während zahlreiche andere Bands derzeit mangels Nachfrage reihenweise Konzerte absagen müssen oder vor halbleeren Hallen auftreten, spielen The Cure fast 15 Jahre nach ihrem letzten Album und derer 22 nach dem letzten gelungenen (Bloodflowers) eine fast durchweg ausverkaufte und von Fans und Medien gleichermaßen bejubelte Europatournee, die Gerüchten zu Folge im Frühling in Nordamerika fortgesetzt wird. So fanden sich in Stuttgart an einem driesigen Montagabend 10.000 Menschen ein, in Köln am Folgetag sogar derer 17.000 und gemessen an den strahlenden Gesichtern und vielen Gesprächen verließen sie alle erschöpft aber durchweg glücklich die Hallen, ich nehme mich da selbst nicht aus. Doch was ist 2022 anders als beispielsweise bei der Tour zum letzten neuen Album "4:13 Dream" 2008, als ich das Publikum (damals in München) als sehr träge empfand? Kurzum, den einen zentralen Grund gibt es vermutlich gar nicht, aber ein ganzes Sammelsurium von Faktoren, die 2022 perfekt ineinandergreifen: Da sind zunächst die bisher fünf gespielten neuen Songs, die den Vergleich zu den düsteren Klassikern in der Publikumsgunst kaum scheuen müssen, auch weil sie zugegebenermaßen in ihrer düsteren Melancholie im Stil des Disintegration-Albums deutlich auf die Erwartungshaltung der meisten Fans zugeschnitten sind. Während Alone und Endsong als Opener und Closer der regulären Sets v.a. mit vielen Querverweisen auf die entsprechenden Klassiker in dieser Rolle (insbesondere Plainsong und Disintegration) überzeugen, begeistert And nothing is forever mit einer verträumten Melancholie, wie man sie in dieser Qualität zuletzt auf Bloodflowers zu hören bekam (wohl nicht ohne Grund wurde The last day of summer im Anschluss gespielt). Am stärksten aber I can never say goodbye: In ungewohnter lyrischer Direktheit beklagt Robert Smith den letztjährigen Tod seines Bruders ("Something wicked this way comes from out the cool November night, Something wicked this way comes to steal away my brother's life"), während Reeves Gabrels Gitarre so überzeugend wehklagt und wimmert, dass kaum ein Auge trocken bleiben dürfte Hat für mich das Zeug zum Klassiker und ist vollkommen zu Recht bereits vor Veröffentlichung in den entsprechenden ersten Zugabenblock gewandert. Dass A fragile thing im Vergleich etwas schwächer ist, fällt kaum ins Gewicht, insbesondere weil das folgende Burn den Moment des kurzen Zweifels überzeugend wegtrommelt. Des weiteren hat es die Band geschafft, aus ihrem Alter eine Tugend zu machen und ihre Setlists so zu straffen (auf immer noch opulente knapp 30 Songs), dass die Abende kurzweiliger wurden und endlich auch die zahlreichen Gelegenheitshörer/-innen im Publikum erreichen, ohne dass dadurch die fanatischeren Fans vernachlässigt werden. Besonders deutlich wird dies bei den beiden Zugabenblöcken: Während der erste bei dieser Tour jeden Abend variiert wird und die erhofften düsteren "Deep cuts" (u.a. Charlotte Sometimes, Cold, The Figurehead, Faith etc.) präsentiert, besteht der zweite jeden Abend unverändert aus den sieben fröhlichsten Singles der Band, die gelegentlich um einen achten Song (Hot hot hot, Let's go to bed oder Doing the unstuck) ergänzt werden und für eine extrem ausgelassene Stimmung zum Abschluss des Abends sorgen. Dazu kommt eine tolle Light- und Videoshow, die perfekt auf jedes einzelne Stück zugeschnitten ist, der durch die Rückkehr von Perry Bamonte noch voluminösere Sound (wovon vor allem die epischen, atmosphärischen Songs profitieren) sowie ein bestens aufgelegter Robert Smith, der es bei jedem einzelnen Konzert mit den immergleichen Gesten versteht, dem Publikum das Gefühl zu vermitteln, dass sie gerade DEM zentralen Konzert der Bandgeschichte beigewohnt haben, auch das muss man erstmal schaffen. Ja, womöglich ist es die letzte große Tour dieser Band, an diesen Gedanken muss man sich langsam wirklich gewöhnen, aber verdammt, es wäre zumindest ein perfekter Abgang.
Setlist Stuttgart: Bild entfernt (keine Rechte)
In Köln gab es statt dem viel zu selten gespielten Kyoto song (großartig!), A strange day, Want und Charlotte Sometimes dann The hungry ghost, Plainsong, Prayers for rain und Disintegration.
Gerne. Ich bin besonders stolz darauf, dass ich eine gute Freundin zum Mitkommen überredet konnte, die seit 25 Jahren Fan ist, sich aber nie auf ein Konzert getraut hatte. Hat dann jeden Song mitgesungen und non-stop getanzt. Den Thunderbird habe ich auch bequatscht, für den war es dann manchmal etwas zäh, da er nur die Singles kennt.
Blue Bird Festival (2. Tag, Fr. 25.11.2022, Wien Porgy & Bess)
Das Blue Bird ist ein eher folk-ausgerichtetes Indoor-Festival, das Porgy & Bess ist ein Jazzclub, beides Dinge mit denen ich als seine Indiepop-Blase selten verlassender wenig bis keine Erfahrungen habe. Vom sonstigen Lineup der drei Tage waren mir vorher nur Jens Lekman und Pete Astor ein Begriff, am Donnerstag habe ich mal in den Livestream reingeschaut ohne mich wirklich begeistern zu können. Was Jazzclubs betrifft, war ich vorher, wenn ich richtig mitgezählt habe, in zwei noch existierenden, dem Vogler in München, eher ein Wirtshaus mit Bühne, und dem Reduta in Prag, an das mich das Porgy & Bess etwas erinnert hat, mit Stühlen und sogar ein paar Tischchen dazwischen, allerdings etwas größer und mit Balkon. Keineswegs jeder bekam allerdings einen Sitzplatz, dafür hätte man wahrscheinlich um 19 Uhr da sein müssen (etwas heftig, wenn man bis Mitternacht durchhalten soll), hinter/neben den Sitzplätzen gab es noch Stehplätze, mit, wenn man Glück hatte, mittelmäßiger Sicht. Aber insgesamt ein sympathischer Club in in anderen europäischen Metropolen unvorstellbarer Innenstadtlage mit freundlichem Personal, vernünftigen Getränkepreisen und andächtig zuhörendem, aber dann begeistert applaudierendem, Publikum.
JULIE ODELL: Sympathische Band aus New Orleans, mit einer Sängerin, die darüber erzählt, dass sie gerade aus Frankreich eingeflogen sind ohne letzte Nacht geschlafen zu haben und jetzt in einem schönen Hotel gleich gegenüber einquartiert wurden, während sie sie sonst Hotels gewohnt sind, die nur durch Klebstreifen zusammengehalten werden. Musikalisch ist leider nichts hängen geblieben. WERCKMEISTER: Wiener Band mit einem ursprünglich aus der Schweiz stammenden Sänger/Frontmann. Musikalisch eigentlich gut und einfallsreich, Rock mit Elektronik- und Jazz-Elementen, aber leider ist deutschsprachiger Gesang mit Pathos und großen Lyrik-Ambitionen überhaupt nicht mein Ding. CHARTREUSE: Band aus Birmingham, also dem echten Black Country, früher Metal-Hochburg. Musikalisch ebenfalls wunderbar in den Instrumentalteilen und wenn die Keyboarderin singen durfte, aber sonst ein jodelnder und leidender Sänger, da hilft auch die englische Sprache nicht, ich glaube heutzutage nennt man das „Soul“. BLACK COUNTRY, NEW ROAD: Wahrscheinlich konnte man es erraten, für mich war es weniger ein Festival als eine Band mit drei Vorgruppen, die ich mir zuhause nicht anhören würde. Ich bedauerte den Ausstieg des bisherigen Sängers (und Texters) dieses Jahr, obwohl sein Gesangsstil einigermaßen entfernt von meinem sonstigen Beuteschema lag, war aber sehr gespannt, wie das jetzt weitergeht und hatte mir es verkniffen, im Vorfeld neuere Bootleg-Videos anzusehen. Jetzt ist der Gesang auf drei Personen aufgeteilt, was wunderbar funktioniert. Irgendwie sind das die neuen Beatles: Trotz der ständigen und schnellen Veränderung merkt man dass es immer noch die selbe Band ist. Musikalisch höre ich eine Tendenz weg vom Jazz hin zum Folk (vielleicht wurden sie deshalb eingeladen), der Saxofonist ist z.B. inzwischen mehr als die Hälfte der Zeit Flötist und die Pianistin (auch super, dass das Porgy & Bess einen richtigen Flügel hat, andernorts muss man sich mit einem Keyboard begnügen) greift auch manchmal zum Akkordeon. Keine Songs von den veröffentlichten Platten, nach einer Dreiviertelstunde und der Ankündigung, keine Zugaben zu spielen, da man keine weiteren Songs habe, ist Schluss. Aber es war die beste Dreiviertelstunde des Jahres.
Bonnie ‚Prince‘ Billly gestern war ganz toll. Ich hatte ihn schon einmal mit der Rita in Österreich gesehen vor ein paar Jahren, das war auch toll. Diesmal ganz intim und reduziert nur er mit Gitarre (und einmal ganz a capella) mit eindringlichen Varianten von alten Songs (I See a Darkness, Love comes To me, etc) und auch den neuen Songs hat das sehr gut getan. Zuweilen zum Weinen schön, hat sich sehr gelohnt (bin dafür nach Frankfurt)
was soll das jetzt? konzerte beginnen jetzt um 19:30 - und zwar überpünktlich, so dass man um 19:40 schon einen beträchtlichen teil des vorprogramms verpasst. whatever! die sehr sympathische hachiko - alias annika - gewann schon unser herz als wir für bier anstanden. und es wurde sogar noch besser, als sie unser ungeteiltes interesse hatte. eine wirklich äußerst talentierte junge frau, die dream-poppige sounds und songs im alleingang - nur mit gitarre und konserve, die sie teilweise live samplete, präsentierte. sehr sympathisch und sehr unterhaltsam.
kein vergleich allerdings mit porridge radio. was für eine perfekt geölte band. der typische perfekte feierwerk-sound außen vor - da passte wirklich alles. dana margolin ist eine coole sau vor dem herr'n, die band ist spot on, jede(r) ein(e) künstler(in) für sich, aber der bandsound isses, der es ausmacht. der erhebt die brillianz der songs, die man eh schon per konserve ausmachen kann, nochmal auf ein neues level. wir - und auch das restliche publikum - waren absolut elektrisiert. ein würdiger abschluss des konzertjahres 2022.