Iggy Pop im komplett bestuhlten Beethovensaal der ehrwürdigen Liederhalle in Stuttgart. Daran muß man sich auch erstmal gewöhnen. Dementsprechend gut gefüllt war der Saal mit Ü - 40 Publikum, das "entweder im Anzug hier aufkreuzt oder aussieht, als ginge es grad zum Bierholen", wie mein Begleiter treffend bemerkte. Der Gewinner des Abends war übrigens ein lehrerhaft aussehender Mann Anfang 50, der zu meiner Freude unter seinem Jackett ein angejahrtes MINOR – THREAT – T – Shirt trug, aber das nur nebenbei. Der Beginn war natürlich zäh; zuerst gab es einen Trailer für einen Film namens „Stooge“, bei dem ein Fremdscham erzeugender Vollhorst seine Bemühungen dokumentierte, Iggy persönlich zu treffen, anschließend plätscherte unendlich lang ein modernes klassisches Musikstück vor sich hin; da man nichtmal Getränke mit in den Saal nehmen durfte, wurde die Geduld des Publikums auf eine harte Probe gestellt. Ich hatte mir ja im Kopf eine Wunschplayliste zusammengedübelt mit Songs, die ich unbedingt hören wollte; zu meiner Überraschung war dann mein Favorit „Five Foot One“ auch gleich der Opener, als es dann endlich losging und Iggy mit einer siebenköpfigen Band (darunter zwei Bläsern) die Bühne betrat. Da schwante mir zunächst Böses: zum ersten sah das nach extrem überfrachteter Galashow aus, und zweitens war der Sound auf meinem Tribünenplatz (man gönnt sich ja sonst nichts) zunächst grauenhaft und der Gesang völlig laut und übersteuert. Doch schon beim nächsten Song legten sich meine Befürchtungen: die Band agierte ungeheuer druckvoll und auf den Punkt, und auch die Bläser paßten ins Gesamtbild. Iggy humpelte wie gewohnt mit freiem Oberkörper von einem Bühnenrand zum anderen und riß durch seine offensichtliche Weigerung, sich von seinem Alter allzusehr einschränken zu lassen, mit seiner Energie das Publikum sofort von den Sitzen. Die Band sprang munter durch's Repertoire, was einige Überraschungen mit sich brachte: nach einer wunderschönen Version von „The Endless Sea“ (von „New Values“) wurden auch die Stooges mit „T.V. Eye“, „Death Trip“ und „I Need Somebody“ ausgepackt, bevor es mit „Lust For Life“ und „The Passenger“ weiterging. Letzteres hörte sich durch die Bläser an, als würde die Band die SIOUXSIE AND THE BANSHEES – Version seines Hits noch einmal covern. Dann endete der erste Teil der Show mit einer erzbrachialen Version von „I Wanna Be Your Dog“ (bei der der Gitarrist das sägende Solo exakt 1:1 nachbaute), bei der ein sich auf dem Boden wälzender Iggy noch einmal die Haltbarkeit seiner alten Knochen austestete. Die Band ging von der Bühne, und man erwartete die üblichen zwei Zugaben … und erhielt nochmal ein volles Paket. Mit „Sister Midnight“ kehrte die Band zurück (die nun auch von Iggy vorgestellt wurde und erstaunlicherweise überwiegend aus EuropäerInnen bestand), danach gab es nach „Free“ vom letzten Album mit „Run Like A Villain“ (von „Zombie Birdhouse“) ein Stück, mit dem nun wirklich nicht zu rechnen war. Nach „James Bond“ gab es dann noch „Nightclubbin' und ein Cover eines Stücks von NEU! (warum auch immer), eine recht entfesselte Version von „Im Sick Of You“ und als endgültigen Abschluß ein ausgedehntes „Search And Destroy“, so daß man da fast nochmal von einer zweiten Halbzeit der Show reden konnte. Die Stimmung im Saal kochte da schon die ganze Zeit ziemlich vor sich hin, Herr Osterberg suchte auch immer wieder den Kontakt zum Publikum und ließ sich am Ende mit langen stehenden Ovationen gebührend feiern. Natürlich schwang da eine gewisse Melancholie mit, weil man ahnte, daß es vermutlich die letzte Gelegenheit war, eine Legende live zu sehen; doch hatte sie sich zumindest einen angemessenen Abschied bereitet.
We don't believe in anything we dont stand for nothing. We got no "V" for victory cause we know things are tougher.
(Iggy Pop/James Williamson: "Beyond The Law")
---------------------------------------------------------------- From the river to shut the fuck up.
Sicher ein schönes Ambiente für ein Konzert, wenn ich mir die Bilder vom Bethovensaal ansehe. Trotzdem eine seltsame Wahl für ein Iggy Konzert, vor allem in bestuhlter Form. Sowas kann ich ja verstehen, wenn z. B. Nick Cave einen Piano-Abend spielt. Aber so? Ein toller Abend war es aber wohl dennoch, was mich für dich freut. Und mich hast jetzt zum Iggy hören inspiriert
Potentielle Wurfgeschosse. Und nachdem ich gesehen habe, wie Iggy in Bonn damals spaßeshalber mit Bierbechern bombardiert wurde (was ihm komplett egal war), war das durchaus begründet.
We don't believe in anything we dont stand for nothing. We got no "V" for victory cause we know things are tougher.
(Iggy Pop/James Williamson: "Beyond The Law")
---------------------------------------------------------------- From the river to shut the fuck up.
Vielen Dank für die ausführliche Besprechung, King Bronkowitz, hört sich nach einem tollen Konzertabend an.
Ich wäre in München auch gerne hingegangen, aber wie ich schon im Iggy-Thread schrieb, waren die guten Plätze schon Monate vorher weg und die restlichen teuer. Ich wäre schon bereit gewesen, einen Hunni hinzublättern, aber nicht für einen Platz in der vorletzten Reihe am Rand. Und in Wien kostet es das doppelte. Ost-West-Gefälle. Nächstes mal komme ich auch nach Stuttgart, aber diese Woche war das arbeitsstressmäßig nicht drin.
Ein Großteil der Tour ist übrigens in bestuhlten Klassiksäälen. Und dort ist Getränke-nicht-in-den-Saal-mitbrigen-dürfen Standard. Liegt also nicht an der Angst vor bierbecherwerfenden Iggy-Fans.
wurde glücklicherweise von der neuen theaterfabrik (am arsch der welt) ins backstage verlegt, wohin man bequem mit dem fahrrad gelangt. von éiner vorgruppe war nirgendwo was zu lesen, aber es kam eine. und was für eine. sie betraten die bühne und ich so: sind das nicht ... das können doch unmöglich ... aber ja, nach zwei takten krach und einsetzendem engelsgesang war klar: es sind ganz eindeutig just mustard und ich wäre beinahe in die knie gegangen vor dankbarkeit. und es war kurz und großartig. der nuancierte lärm des albums ging zwar im livesound etwas verloren, aber die körperlichkeit der lärmattacken machte das vollkommen wett und dann als rausschmeißer mein lieblingsstück "in shade". ich war im himmel!
und zu fontaines d.c. schreibe ich dann morgen weiter. jetzt bin ich gerade zu erschöpft dafür.
„Belissimo. Molto emozionale.“ so gestern Nacht ein hinter mir telefonierender „The-Smile“ Konzertbesucher beim Verlassen des antiken Theaters in Taormina. Nachdem ich also beim richtigen Vulkan gelandet bin, sah man diesen eigentlich nur beim Vor-Act, da es dann langsam dunkel wurde. Aber auch ohne Ätna im Hintergrund war die beleuchtete Kulisse des Theaters sehr beeindruckend.
Gespielt wurden alle Songs des Albums. Mein Highlight der Platte, A Hairdryer, wurde durch passendes Geschrummel eingeleitet. Leider war der letzte Teil live gesanglich nicht so zurückgenommen wie auf dem Album, was aber auch mein einziger Kritikpunkt ist. Die langsamen Songs waren natürlich wirklich sehr „emozionale“, und die Stimme von Thom Yorke kam insgesamt wesentlich besser rüber als auf dem Kölner Solo-Elektro-Gig, bei dem ich ihn vor ein paar Jahren gesehen hatte. Überhaupt, die Akustik – ein Traum! Das fiel extrem bei Zugabe 1 auf, The Same - das jeden Winkel des Theaters voll ausgenutzt hat.
Sitzen fiel zeitweise schwer, vor allem bei You Will Never Work In Television Again, We Don’t Know What Tomorrow Brings und den Zugaben. Auch als eingefleischter Radiohead-Fan fehlt mir leider das entscheidende Nerd-Wissen, und erst recht bei The Smile, sodass ich keine Ahnung habe, welche der doch recht zahlreichen (6? 7?) mir unbekannten Songs (außer den 3 explizit als „neu“ angekündigten Stücken) Improvisationen und welche älteres Material waren.
Emozionale war auch der Anblick einiger Nonni, die man sonst eher beim Aufbauen von Strand-Sonnenschirmen für die Großfamilie beobachtet als dass man sie auf einem Konzert von The Smile vermuten würde, und die sich gegen Ende trotz Sitz-Gebots als Tanzmäuse outeten. Zwar habe ich nun immer noch nicht Radiohead live gesehen, aber ganz so traurig ist das nach gestern Abend gar nicht mehr.
Das klingt alles sehr toll. Freut mich für dich, dass sich die Anreise gelohnt hat. Ich würde ja mal auf eine Radiohead Tour hoffen, die nicht nur in Berlin halt macht.