Vielleicht kommt die Tage mehr, sollte ich Zeit finden. Für jetzt nur so viel (betrunken & euphorisch; man verzeihe Tippfehler): New Model Army rocken immer noch. Und, viel wichtiger: Es ist unfassbar schön, wenn man weiß, dass ein Konzert nicht nur live übertragen wird, sondern auch noch Freunde live zuschauen. Ich war zwar durchaus mit Freunden unterwegs, aber Olsen, beth, Zickzack und vermutlich auch Smeagol an den Monitoren zu wissen,war richtig, richtig schön! ❤ Da kann man dann auch alleine ausgehen, die Kameras suchen und winken.
You all want the whole world to be changed so you will be different.
Ich bin so froh, dass ich mal wieder in diesen Thread schreiben kann. Und dieses Mal sogar von einem größeren Konzert. Eine Freundin hatte eine Karte für Maybebop übrig und nach einigem Zögern aufgrund meiner Gehörschädigung habe ich zugesagt. Ist ja a capella, dachte ich, wie laut kann das schon werden? Einige Vorbehalte hatte ich auch. Ich kannte die Band nur, weil besagte Freundin sie einige Male erwähnt hatte, und dementsprechend keine Musik. Deutsche A-capella-Bands sind bei mir für ihren oft biederen Humor eher verpönt. Maybebop hatten davon auch zwei, drei Songs im Angebot, aber dann auch wieder anspruchsvolle Stücke wie eine "Erlkönig"-Adaption oder eine fantastische Version des "Königs von Thule". Technisch sind die absolut grandios, ich habe noch nie so gut aufeinander abgestimmte Gesangsarrangements gehört. Mein sicherheitshalber eingepacktes Ohropax war dennoch vonnöten, denn das Publikum wurde ziemlich laut. Hat sich also sehr gelohnt. Von Platte würde ich mir die Band wohl nicht anhören, aber dieses Live-Erlebnis war sehr schön.
Ich muss gestehen, mich noch nicht ausreichend mit den Alben von Lee Fields beschäftigt zu haben - hauptsächlich weil ich seit Jahren nicht mehr richtig hinterherkomme bei all den Entdeckungen und neuer Musik. Aber ich liebe die 2019er-Platte "It Rains Love" von Lee Fields & The Expressions wirklich sehr, weshalb ich mir diesen Konzertbesuch trotz mangelnder Textsicherheit dann doch einfach gegönnt habe. Und was war das für eine gute Entscheidung. Lee Fields ist mit Abstand der energetischte 72-Jährige, den ich je im Leben gesehen habe. Wenn nicht überhaupt der kraftstrotzendste Performer, den ich überhaupt seit Langem auf einer Bühne gesehen habe. Was für eine Power dieser Typ 90 Minuten lang auf die Bühne bringt. Und was für eine Stimme dieser Mensch gewordene Urschrei da entfaltet. Ich hatte mit so viel Druck gar nicht gerechnet, weil das auf Platte nicht so oft so pumpend klingt. Kein Wunder, dass Fields den Spitznamen "Little JB", nach James Brown, trägt. Man kommt ins Wundern, welche Explosivität der echte James Brown gehabt haben muss, wenn "Little JB" schon so schonungslos alles platt macht, nicht zuletzt sich selbst. Für so einen oft auch ein bisschen schmusigen Soultypen wurde erstaunlich viel gesprungen und getanzt. Die Backingband - ein bisschen sehr berufsmäßig anwesend - hat trotz verhalten aussehendem Engagement doch ziemlich gut aufgespielt und vor allem Fields ein starkes Fundament gegeben, auf dem der seine Pirouetten drehen und inbrünstig sein konnte. Von der ersten bis zur letzten Glitzerpaillette eine tolle Erfahrung.
Wen das jetzt angespricht, der kann zum Beispiel hier ein schönes Tiny Desk Konzert mit Lee Fields anschauen.
Eine Seltenheit in der Zeit der verloren gegangenen Spontaneität: Um ca. 19:30 im Damaged Goods Newsletter, in dem in den letzten Jahren kaum Konzerte außerhalb des UK angekündigt werden, der Hinweis, dass noch am gleichen Abend eine Band die ich kenne und sogar eine Single habe, 1,4km entfernt spielt. In einer Bar mit zweistelliger Kapazität, von der ich bisher nicht wusste, dass dort auch Konzerte stattfinden. Eine Bühne gab es dann auch nicht, also Band auf gleicher Augenhöhe mit Dem Publikum. Normalerweise nervt es mich, wenn immer auf berühmte Eltern von Künstler*innen hingewiesen wird, aber der der Sänger ist der Sohn von Billy Childish und klingt, wie es jemand auf Facebook in der Zündfunk Neigunxgruppe Musik zutreffend ausdrückte, "er klingt glatt wie der Sohn von Billy Childish". Junges Garagenrock-Trio. Schön, dass es sowas noch gibt. Publikum durchschnittlich mehrere Jahrzehnte älter. Auch schön, dass es sowas noch gibt.
Ich gebe ja zu, ein wenig stolz bin ich schon auf den Handlungsbogen, beim Bandcamp-Surfen zufällig einen reichlich obskuren aber faszinierenden Song ("Drilling water") eines anonymen Projekts ("PHOB, NRW, Germany") zu entdecken und schon wenige Monate später jubelt im inzwischen zweiten Wohnzimmer (Dorfladen) das ansonsten zumindest teilweise eher dem Schlager zugewandte Lokalpublikum der Aufführung des selbigen frenetisch zu und probiert sich sogar im Mitsingen. Das ist eine kleine, feine Geschichte, an der ich mich noch lange erfreuen werde. PHOB sind, wie sich gestern (aber auch schon im Mailverkehr der letzten Wochen) gezeigt hat drei sehr sympathische Veteranen der alternativen Musikszene des Ruhrpotts mit dem Herz am rechten Fleck, die seit Jahrzehnten in verschiedenen Bands sowie Soloprojekten tief in den 80ern verwurzelte, elektronische Musik machen. Diese Vielseitigkeit hat den Vorteil, dass sie auch direkt ihre eigenen Support Acts stellten: Den Anfang machte Markus Korbas aka CoreBass, der als Soloprojekt von Kraftwerk, Visage und Ann Clarke beeinflussten minimalistischen Synthpop mit Sprechgesang präsentierte, teilweise auch mit Dub-Elementen (der brandneue Track "Ihr könnte es noch nicht hören"), während Jürgen Schumacher als Gorsch instrumentalen epischen Minimal Techno zu Gehör brachte, ich musste dabei manchmal an The Field denken. Als Trio PHOB werden die beiden verstärkt von Sänger Michael John und haben sogar eine handvoll "richtige Songs" im Gepäck (besonders herauszuheben das eingangs geschilderte "Drilling Water" oder die akustische Ballade "By the wayside"), überwiegend bleibt die Musik aber erfreulich kompromisslos und unzugänglich, z.B. beim 15-minütigen Instrumentalstück "Why?", was auch dem Umstand geschuldet ist, dass sich die meisten Tracks aus freien Jams im Proberaum entwickelt haben. Als das reguläre Songmaterial aufgebraucht ist, lässt sich die Band sogar zu einem solchen hinreißen, das dürfte das unzugänglichste Stück Musik gewesen sein, das jemals in einem Dorfladen dieser Welt erklang. Dem Publikum war das nicht nur egal, sondern es forderte sogar begeistert noch mehrere Zugaben ein. Was für ein gelungener Abend!
Schöner Bericht! Die beiden verlinkten Tracks vo PHOB klingen zwar interessant, aber auch ein bisschen gleichförmig. Zum Abtanzen aber bestimmt nicht schlecht. CoreBass gefällt mir da fast besser, speziell "Only That Counts".
Ja, getanzt wurde ganz ordentlich. Mal schauen, die drei haben noch weitere musikalische Projekte am Start bzw. im Bekanntenkreis. Im nächsten Winter machen wir vielleicht nochmal eine Session.
vorgruppe: dead finks. your regular indie rock band mit punk-einschlag - zunächst, aber nach ein paar standard-nummern wurde das programm zusehends abwechslungsreicher und der sänger sieht nich nur aus wie thurston moore vor 40 jahren, sondern ist eine eben so coole sau. hat richtig spaß gemacht und mich zusehends in bewegung versetzt.
dry cleaning aber: der gipfel der coolness. man fragt sich, wie die zusammen gefunden haben; ein bassist, der einer metalband entsprungen scheint und vom gestus her genau so spielt (stampfende bewegungen, matte schüttelnd), der gitarrist sieht eher nach hardcore-band aus (kurzgeschorene haare, goatee, voivod-shirt), sein stil gemahnt aber eher an andy gill von gang of four, der drummer - eher normalo-style - ergänzte sich mit dem bassisten zu einer trockenen, aber funky rhythmus-sektion und dann natürlich florence shaw - ganz in elegantes rot gewandet - sich mit einer mischung aus schüchternheit, selbstbewusstsein und freundlichkeit gerierend - untermalt sie ihren lakonischen sprechgesang mit sparsamer, aber durchaus theatralischer mimik und rätselhafter gestik. ich könnte ihr stundenlang zuschauen. und zuhören sowieso. das set war ausladend, einige songs mündeten in tollen jam sessions und es war fast durchgehend tanzbar. das publikum war enthusiastisch und wir bekamen ebenso viel liebe von der band zurück. ein grandioser abend war das.
Was für ein Highlight sie letztes Jahr im verschwitzten Haldern-Spiegelzelt waren. Kann deshalb jedes Wort nachvollziehen. So öde ich das neue Album insgesamt leider fand (ich werfe auch nochmal ins Rennen die ersten beiden EPs öfter zu hören), live sind sie Pflichtprogramm.
Leider hat mir das neue Album auch ein wenig die Lust genommen aufs Konzert zu wollen - wobei so übel ist es nun auch nicht. War also ein Fehler ;-) Wann kommt endlich mal eine Vinyl-Neuauflage der EPs?