Ich weiß gar nicht mehr, wann wir die Karten gekauft haben. 2020? Oder doch erst 2021? Auf jeden Fall ist das Konzert mindestens einmal verschoben worden. Es fand in der Arena Wien statt. Wie die Liebste sagt: Lass dir vorher eine Tetanusspritze und eine Hepatitis-Impfung geben, bevor du die Toilette besuchst. Mir hat die Arena aber gut gefallen. Das Ding hat Charme. Die Wettervorhersagen waren leider grauslich - und sie sollten Recht behalten. Aber dazu später mehr.
Der erste Abend stand im Sinne der "Hamburg Years". Vom Debüt bis einschließlich des weißen Albums wurde alles gespielt. Auffallend: Wie gut die Uralt-Schrammelsongs mit Unterstützung von Rick McPhail klingen. Und wie gut die live sind, weil einfach. Und jeder kann mitsingen. Unsere Beobachtung (wir standen etwas seitlich versetzt rund 80 Meter von der Bühne entfernt): Viele Menschen, besonders Männer, in unserem Alter haben sich in die Zeit vor knapp 30 Jahren zurückversetzt und sich auch so benommen. Kurz vor Schluss kippte ein total Besoffener einfach um - stand dann wieder auf und feierte weiter. Es war eine Rückkehr in die eigene Jugend von mittelalten Männern und Frauen.
Der zweite Abend war dann regentechnisch ein Phänomen. Direkt vor der Bühne goss es aus Kübeln. Wir standen neben der Tontechnik unter einem Baum geschützt. Hinter uns war es trocken. Die Regengrenze direkt über der Arena. Diesmal standen The Berlin Years an. Und ich hatte ein wenig das Gefühl, dass Dirk von Lowtzow leicht einen im Kahn hatte. Seine Aussprache war recht verwaschen. Der Rest hat aber funktioniert. Energetisch war ein wenig die Luft raus. Daran ist die Band nur bedingt Schuld. Aber die etwas epischeren, abstrakteren, mäandernden Songs haben eben kaum noch Slogans, die man reingrölen kann. Und gerade, als ich dachte, dass das Konzert ja doch nur so lala wird, tauchte sie auf (sorry, das Wortspiel musste sein): Soap & Skin. Ich hatte darauf gehofft, denn wo, wenn nicht in Wien, sollte sie auch als Gast dazukommen. "Ich tauche auf" war das Highlight - zusammen mit "Explosion" und "Hoffnung". Das ganz zum Schluss mit "Freiburg" nochmal der Bogen zum Abend zuvor geschlagen wurde, war dann geschickt. Was für ein Finale! Und damit mir das in Erinnerung bleibt, habe ich mir für 50 Euro (!) einen "Nie wieder Krieg"-Hoodie gekauft. Verdammt warm das teil. Dass ich dafür schon von meiner Mutter schräg angeschaut wurde, hat die Ausgabe schon wieder reingeholt.
Die letzten Sechs in der Playlist: Honeyglaze - Real Deal || Laura Marling - Patterns In Repeat || Nieve Ella - Watch It Ache and Bleed || Dawn Richard & Spencer Zahn - Quiet In a World Full of Noise || Flip Top Head - Up Like a Weather Balloon || Haley Heyndericks - Seed of a Seed
Gestern Abend war ich bei Nils Frahm in der provisorischen Isar Philharmonie (unglaublich, dass man einen klassischen Konzertsaal als so eine großartige Location bauen kann!). Frahms Musik begeistert mich bislang eher nur bedingt, aber mir wurde immer wieder erzählt, dass er Live sehr überzeugend sei. Und rein aus technischer Sicht macht er seine Musik in nicht unerheblichen Teilen ähnlich wie ich. Dann hatte ein Bekannter und Mitmusiker eine Karte über, also hab ich mir das mal angehört und angesehen.
Der allererste Eindruck: da kommt ein unprätentiöser, wahnsinnig sympathischer Typ auf die Bühne. Der Bühnenaufbau ist auch komplett unstylisch, eher so die Proberaumeinrichtung in den Transporter gehievt. Das Licht ist auch sehr minimal und unaufdringlich. Das Bild ist leider unscharf...
Bild entfernt (keine Rechte)
Als erstes zieht er sich eine Art Torwarthandschuhe an, macht sie in einer Wasserschüssel gründlich nass, spritzt dann grinsend mit einer Segnungsgeste ein bisschen ins Publikum und dreht sich dann um zu einer Glasharfe (auf dem Bild links hinten). Ja, und dann gefällt mir doch, was er da macht. Ich denk mir dauernd, dass ich sicher gerne auch den Film sehen würde, für den die Filmmusik sein könnte, die er da spielt. Er hat echt ein tolles Gefühl für Atmosphäre und Spannungsbögen. Von der Glasharfe geht es zu einem Harmonium, auf dem er auch unglaublich ausdrucksvoll spielt, und dann weiter zum Synth und später zum Klavier.
Die Stücke sind sicher jeweils mindestens eine viertel Stunde oder zwanzig Minuten lang. Er spielt vier solche Nummern, kündigt vor der vierten augenzwinkernd/grinsend an, dass er nach dem Stück kurz raus gehe, und wir sollen doch bitte klatschen, damit erwieder rein kommen und Zugabe geben könne. Die Zugaben sind dann nochmal gut eine halbe Stunde.
Musikalisch/harmonisch ist das alles großteils eher simpel, wenn da mal eine enharmonische Rückung dabei ist, dann ist das schon bemerkenswert. Aber was das Spiel mit den musikalischen Stimmungen angeht, ist er schon sehr sehr gut. Technisch hat er es mit den Echos etwas übertrieben (inzwischen hat er vier Bandecho-Maschinen dabei). Der Sound war größtenteils ok, ich saß leicht von der Mitte versetzt in der vierten Reihe und dadurch etwas arg nah an der PA; weiter hinten wäre es wahrscheinlich vom Sound angenehmer gewesen.
Insgesamt war ich jedenfalls angenehm überrascht, wie gut mir die Musik live gefallen hat. Eine Platte würde ich mir trotzdem nicht kaufen.
Toller Bericht, danke! Habe Nils Frahm bislang erst einmal live gesehen und finde ihn auch super sympathisch. Mag die Musik aber auch sehr gerne. Hach...
... And you will know us by the trail of dead Gebäude 9 Köln, 1. 10. 2022 Tja, was soll ich dazu sagen? Mein erster Besuch im Gebäude 9 war ein Flop. Die Vorband Avalanche Party war nicht übel, aber auch nicht wahnsinnig innovativ. Hätte man sich sparen können, tat aber auch nicht weh. Rock halt. Aber entschieden zu laut und mies gemischt war es. Dummerweise blieb das auch bei Trail of dead so: Es schepperte, es dröhnte schmerzhaft, es klang matschig und insgesamt traurig. Also sind wir nach insgesamt vielleicht einer Stunde wieder gegangen. Immerhin: Dass Trail of dead merklich besser sind als Avalanche Party, das hat man gehört. Ich bin unsicher, ob ich dem Laden eine zweite Chance geben will, aber da das Booking recht gut aussieht, komme ich wohl nicht drumrum.
Mutter Bumann & Sohn Köln, 06. 10. 2022 Das Bumann ist merklich kleiner als das Gebäude 9 - 220 Leute statt 400 - und es war auch wahrlich nicht voll an diesem Donnerstag. Aber das Publikum hatte Lust auf die Band, die Band hatte Lust, zu spielen und der DJ, der anstelle einer Vorband bis 21 Uhr unterhalten durfte, unterhielt in der Tat gut. Kurz hatte ich Sorge, dass es wieder zu laut, zu schepprig, unhörbar werden würde, aber der Tonmensch des Bumann hatte alles im Griff und so stand dem Konzertgenuss nichts mehr im Wege. Mutter muss ich hoffentlich nicht beschreiben; das würde mir auch kaum gelingen. Düster-toll war's auf jeden Fall.
You all want the whole world to be changed so you will be different.
Es macht großen Spaß zu beobachten, wie sich diese Band grad entwickelt. Vor einem Jahr sah ich die noch in einem Jugendzentrum vor dreißig Leuten, gestern war der Laden knallevoll und es existiert mittlerweile sogar eine Fanbasis. Gute Songs, gute Show, und es ist offensichtlich, daß ihnen dieser Rahmen mittlerweile auch zu klein ist und sie wirklich für große Bühnen gemacht sind. Ich hoffe auf ihren Durchbruch, das würde mich freuen.
We don't believe in anything we dont stand for nothing. We got no "V" for victory cause we know things are tougher.
(Iggy Pop/James Williamson: "Beyond The Law")
---------------------------------------------------------------- From the river to shut the fuck up.
Deine Lakaien, Kurhaus Wiesbaden Gestern. In wundervoller Kulisse - das Kurhaus darf sich jeder selbst ergoogeln, es ist der Hammer! - spielten ein gut gelaunter Alexander und ein wie üblich schweigsamer Ernst mit zwei jungen Männern als musikalische Unterstützung einen schönen Querschnitt durch die mittlerweile weit über 30 Jahre Bandgeschichte, natürlich mit Schwerpunkt auf der letzten Platte "Dual", die ich mir endlich besorgen muss. Hier haben die Lakaien auf Platte 1 Songs gecovert und auf Platte 2 mit eigenen, davon inspirieren Songs komplettiert. Ein Konzept, das aufzugehen scheint. Zumindest live gefiel mir das neue Material sehr gut. Klassiker wie "Dark Star", "Return", "Reincarnation" und natürlich "Love me to the End" durften natürlich auch nicht fehlen. Der Jubel im Publikum - dem man die über 30 Jahre Bandgeschichte mittlerweile auch deutlich ansieht - war groß. Insgesamt ein wunderbarer Abend!
Edit: Na gut, ich erspare euch ein bisschen googlen; die Kurhaus-Bühne (leider hatten wir nur Parkettsitze recht weit hinten; der Blick war live viel besser): Bild entfernt (keine Rechte)
Und ein kleiner Eindruck der Schmuckdecke im Saal: Bild entfernt (keine Rechte)
You all want the whole world to be changed so you will be different.
angekündigt war das konzert ja für 2020 als "du:el perform the songs of propaganda", aber zwei jahre später nennen sich du:el inzwischen xpropaganda bestehen aber immer noch aus den beiden propaganda-sängerinnen claudia brücken und susanne freytag plus begleitband und haben ein neues album aufgenommen, das mir zwar nicht die schuhe auszieht, aber doch sehr solide, weder langweilig noch banal ist und zwar einerseits den 80er-propaganda-sound aufgreift, aber nicht plump nachmacht. soviel zur ausgangslage.
was mir gar nicht geschmeckt hat, war, dass der gig vom technikum ins wirtshaus im schlachthof verlegt wurde - eine schöne location zwar, aber doch eher für kabarett und heimatklänge geeignet und außerdem mit biertischen und -bänken ausgestattet, die fürs konzert auch nicht entfernt wurden. da saß man dann also im schnitzel- und schweinsbratendunst und wartete, da man angesichts der freien sitzplatzwahl extrafrüh angereist war. punkt 7, wie angekündigt, ging es dann los. sehr schön ausgeleuchtet mit videoleinwand im hintegrund betraten die band und dann die beiden damen unter großem applaus die bühne und gaben erstmal stücke des neuen albums zum besten, das ganz offensichtlich nur ein teil des publikums kannten (meine sitznachbarn wussten nichtmal, dass es existiert). dementsprechend war die stimmung zunächst recht verhalten. der sound war auch suboptimal - gerade der gesang war viel zu weit nach hinten gemischt und kopfnicken und kniewippen auf der bierbank empfand ich dem als nicht angemessen, weshalb ich mich dann richtung ausschank begab, wo man stehen bzw. sich auch zur musik bewegen konnte. siehe da, sowohl sound als auch stimmung waren dort um einiges besser. und dann wurden auch zusehends stücke von "a secret wish" ins set eingeflochten. beginnend mit dem tollen josef k-cover "sorry for laughing", dann "the murder of love" und "the chase", die eher minderen hits des albums, die aber schon für ordentlich zuspruch sorgten. den ersten richtigen höhepunkt markierte dann "dream within a dream", bei dem ich die eine oder andere träne verdrückt habe. aber so richtig ab ging es dann zuerst bei "frozen faces", gefolgt von den krachern schlechthin: "dr. mabuse" und "p-machinery". die zugabe war dann genau so, wie ich sie mir gewünscht habe: der alte superhit "duel" gefolgt vom besten stück des neuen albums "ribbons of steel" - *schmelz*
fazit: vermutlich kann kaum jemand (außer @CobraBora ) nachvollziehen, wie viel mir dieses konzert bedeutet hat. ich hab diese musik in meiner jugend quasi aufgesogen und sie ist in mein hirn eingebrannt, wie kaum sonst was. daher: ein traum, von dem ich nicht erwartet habe, dass er sich jemals erfüllen würde.
Hmm, da wäre ich gerne dabei gewesen. Sie haben ja als xPropaganda schon mal ein Livealbum mit eben den Propaganda-Songs herausgebracht, ich kann mir also vorstellen wie sich das anhört. Dazu die Songs vom neuen Album, das macht dann wirklich was her. Und Claudia Brückens Stimme hat nichts von ihrem speziellen Timbre verloren. Steve Lipson war wohl nicht dabei, nehme ich an?