Zitat von LFB im Beitrag #389Da müssten wir als Gesellschaft mal aus der Komfortzone raus (was meines Erachtens ja in den letzten Wochen in einigen Aspekten durchaus gelungen ist, zb bei der überwiegenden Zustimmung zu den Waffenlieferungen an die Ukraine).
Ich denke, wir müssten als Gesellschaft mal aus der Komfortzone raus und keine Geschäfte mit Despoten machen, die damit u.a. Kriege finanzieren. Das ist deutlich schwieriger, effektiver und engagierter als Waffenlieferungen, die ich zwar nachvollziehen kann, mich aber dennoch frage, mit welcher Zielsetzung dies geschieht. Ich habe bisher noch keine seriöse Stimme gehört, die sagt, dass die Ukraine den Krieg militärisch gewinnen kann.
☟ smog in berlin. nichts wie hin. weil du mich küsst, bin ich kein tourist.
Putin wird aber einer Verhandlungslösung nur zustimmen, wenn auch er den Krieg nicht gewinnen kann und dabei spielen die Waffenlieferungen (auch jene, die schon vor dem Angriff erfolgten) eine zentrale Rolle.
Die andere Forderung ist mir zu selbstgerecht und unrealistisch. Nimm eine Weltkarte, streiche alle Länder raus, die nicht vollständig unseren Ansprüchen an eine funktionierende Demokratie erfüllen und da bleiben ziemlich wenige Handelspartner übrig. Wir würden uns selbst um einen beträchtlichen Teil unseres Wohlstands (der auch erst politische Handlungsfähigkeit im globalen Rahmen ermöglicht) bringen, während vor allem China überall dankbar als Rohstoffabnehmer und Warenlieferant einspringt. Im übrigen steigen die Chancen auf eine Demokratisierung, wenn sich aufgrund von wirtschaftlicher Entwicklung eine große Mittelschicht bildet, "Wandel durch Handel" hat sich eben doch schon sehr oft bewahrheitet.
Nein, "vollständig unsere Ansprüche an eine funktionierende Demokratie" müssen potenzielle Handelspartner nicht erfüllen. Es würde schon reichen, Diktaturen nicht weiter zu unterstützen und auch als solche zu benennen.
Was die unselige "Pazifismus ist naiv"-Debatte angeht: Da bin ich lieber naiv. Dabei sage ich nicht mal, dass die Ukrainer aufhören sollen, sich zu wehren. Aber ich sage, dass es falsch und todtraurig ist, Waffenlieferungen und Zusatzgelder für die Kriegsindustrie auch noch frenetisch zu beklatschen. Mag sein, dass solche Entscheidungen gerade nötig sind - aber es sind keine guten Entscheidungen. Nein, es ist unfassbar traurig, dass wir wieder an dem Punkt sind, an dem es akzeptiert wird, Menschen zu töten und ganze Landstriche in Schutt und Asche zu legen. (Nicht, dass das etwas Neues wäre; mir persönlich ist daran allerdings neu, dass bei Friedensdemos diejenigen Redner, die auch tatsächlich Frieden predigen, ausgebuht werden. Das macht mir Angst.)
You all want the whole world to be changed so you will be different.
Ich sehe weder ein "frenetisches Beklatschen" von Waffenlieferungen noch eine Akzeptanz der Zerstörung ganzer Landstriche bei jenen, die das Selbstverteidigungsrecht der Ukraine anerkennen und unterstützen. Ganz im Gegenteil, diese Verwüstungen werden aus meiner Sicht stillschweigend von jenen akzeptiert, die angesichts eines Angriffskrieges an unrealistischen pazifistischen Dogmen festhalten (was du ja offenbar nicht tust, wenn du die Waffenlieferungen als "nötig" akzeptierst, wenn ich dich richtig verstehe).
Nun, der große Applaus - nicht nur für Redner auf Friedensdemos, die sich explizit für Waffengewalt aussprachen - war sogar Extra 3 eine Erwähnung wert:
(Ab ca. 4:04)
So etwas erschreckt mich, da halte ich durchaus an den "unrealistischen" pazifistischen Dogmen fest, nach denen wir in völlig unrealistischen fast 80 Jahren Frieden leben durften.
Ich muss zugeben, dass ich da hin und hergerissen bin. Es widerstrebt mir, irgendjemandem das Recht zur Selbstverteidigung abzusprechen. Gleichzeitig glaube ich fest daran, Menschen in Not zu unterstützen. Gleichzeitig finde ich es falsch, dazu beizutragen, Menschen zu töten - zum Beispiel durch Waffenlieferungen. Ja, ich sehe mich als Pazifistin und bin der festen Überzeugung, dass Diplomatie besser ist als Kampf. Aber es gibt offenbar Situationen - wie zum Beispiel den bewaffneten Einmarsch in ein Land - in denen Diplomatie an ihre Grenzen stößt. Zumindest, was die Seite der Ukraine angeht. Der Rest Europas könnte sich vielleicht doch an stärkeren, wirksamen Sanktionen versuchen.
Glücklicherweise habe ich in der Hinsicht nichts zu entscheiden und keinerlei Handlungsmacht. Insofern ist es auch egal, wie traurig mich dieser Krieg (und die oh so vielen anderen Kriege in der Welt ...) und der Umgang damit machen.
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Zitat von LFB im Beitrag #392Wir würden uns selbst um einen beträchtlichen Teil unseres Wohlstands (der auch erst politische Handlungsfähigkeit im globalen Rahmen ermöglicht) bringen
Was hat denn unser Wohlstand mit unserer politischen Handlungsfähigkeit zu tun? Soll das heißen, dass wir in der Lage sind weiter Almosen in der Welt zu verteilen? Man könnte ja auch daran arbeiten, den Wohlstand in der Welt gerechter zu verteilen.
Zitat von LFB im Beitrag #392"Wandel durch Handel" hat sich eben doch schon sehr oft bewahrheitet.
Zitat von gnathonemus im Beitrag #388du hältst ernsthaft die erziehung von grundschulkindern zum pazifismus für problematisch? stattdessen soll man da mit feinheiten und komplexer aufarbeitung kommen? ich bitte dich, was verlangst du da von kindern?
Das möchte ich mal ganz fett unterstreichen. Die gegenwärtige Lage ist doch selbst für Erwachsene zu komplex und überfordernd, was man an Aussagen wie "naiver Pazifismus" ganz gut sieht. Die Menschheit könnte dogmatischen Pazifismus ganz gut gebrauchen. Die Alternative heißt ja nichts anderes, als Grundschulkindern beizubringen, dass die Menschheit schlichtweg ein barbarischer Haufen egoistischer Individualgruppen bleibt, die überhaupt nicht anders können, als sich regelmäßig selbst auf den Kopp zu hauen. Und ja, daran wird sich auch mit Sicherheit nichts ändern, wenn Militarisierung und Gewalt als Lösung proklamiert und vorgelebt wird.
Umklatschen (oder damit zu drohen), wer einem nicht passt - dass kann und darf niemals die Lösung der Probleme darstellen. Wenn jemand dies tut, dann muss man dem Einhalt gebieten (siehe Russland aktuell), aber nicht mit denselben Mitteln. Frieden wird sich niemals mit Drohungen und Angst herstellen lassen. Mit seinem Nachbarn lassen sich mit vorgehaltener Schrotflinte kaum fruchtbare vertrauenswürdige Beziehungen herstellen - kann man ja gerade sehr gut beobachten, wohin das führt.
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Ich nicht. Frieden sichert man in einer komplexen Welt vor allem auch durch Abschreckung und Verteidigungsbereitschaft. Wer das mit "Militarisierung" oder dem Vorleben von "Gewalt als Lösung" gleichsetzt, vergaloppiert sich. Im Gegenteil, Putin wäre mit seiner Gewalt durchgekommen, wenn die Ukraine nach drei Tagen kapituliert und der Rest der Welt sich auf Lichterketten beschränkt hätte.
ich sehe keinen grossen widerspruch darin, kindern vor allem pazifismus als tugend vorzuleben und imagine zu singen, und gleichzeitig zu erklären, dass es ein gut ausgebildetes und ausgerüstetes militär braucht, welches als ultima ratio die verteidigung übernehmen könnte.
noch ein kommentar zur „die zeit“: da bestätigt sich nun seit wochen wiedermal die verteilung in krisenzeiten, dass die militärs im vergleich zu teilen der medienwelt noch eher die tauben sind, während sich journalisten und intellektuelle an bataillonen und top gun fantasien aufgeilen. zugegeben es kommt auch die gegenseite zu wort, aber mir wird da derzeit definitiv zu vielen falken platz eingeräumt.
Zitat von Sugate im Beitrag #401ich sehe keinen grossen widerspruch darin, kindern vor allem pazifismus als tugend vorzuleben und imagine zu singen, und gleichzeitig zu erklären, dass es ein gut ausgebildetes und ausgerüstetes militär braucht, welches als ultima ratio die verteidigung übernehmen könnte.
Meinetwegen, aber zweiteres fehlt eben zumindest an der Schule meines Sohnes, da wird zumindest bisher nur "Imagine" gesungen und die Kinder müssen jetzt auch Friedenstauben malen, das ist mir als alleinige Beschäftigung mit dem Thema zu rührselig und oberflächlich.
Den Gedanken finde ich wiederum naiv. All die Waffen und die hochgerüstete Welt haben doch nirgendwohin geführt. Fast kindlich, zu glauben, das würde sich bessern, mit NOCH mehr von dem Shit. Natürlich muss man sich bis auf die Zähne bewaffnen, wenn man ein zutiefst ungerechtes globales Handeln und Agieren verteidigen und Aufrecht erhalten will. Das Abschreckungsmodell mag dafür gut sein, für mehr nicht.
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Zitat von LFB im Beitrag #400Ich nicht. Frieden sichert man in einer komplexen Welt vor allem auch durch Abschreckung und Verteidigungsbereitschaft. Wer das mit "Militarisierung" oder dem Vorleben von "Gewalt als Lösung" gleichsetzt, vergaloppiert sich. Im Gegenteil, Putin wäre mit seiner Gewalt durchgekommen, wenn die Ukraine nach drei Tagen kapituliert und der Rest der Welt sich auf Lichterketten beschränkt hätte.
Das ist sehr wahrscheinlich der Unterschied zwischen uns zwei Beiden. Ich glaube weiterhin, dass eine Welt ohne Waffen, die Bessere und Sicherere wäre und habe sogar die Hoffnung, dass das eines Tages auch so sein wird. Du klingst für mich eher nach Resignation, der Mensch ist halt so, kannste nix machen.
es kommt halt wie immer auf die dosis an. die glorifizierung und den einbruch in alle aspekte des alltags des militärs wie in den usa finde ich abstossend, aber wenn man unsere situation in der welt genau jetzt betrachtet, muss china und russland (und hoffentlich nicht indien, iran, pakistan, brasilien etc.) fucking leider eine drohkulisse geboten werden können. vielleicht kommen wir dann in weiterer folge ja doch nochmal so nah ans ende der geschichte wie in den 90ern.
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29.03.2022 08:04 (zuletzt bearbeitet: 29.03.2022 08:08)
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