Das sehe ich auch so. Mich regt das auch gerade auf, wie aus den 80 Mio. Bundestrainern jetzt 80 Mio. Außenpolitikexperten werden. Die emotionale Reaktion kann ich ja verstehen, aber an der Entscheidung hängen eine Menge Konsequenzen. Militärisch hat Deutschland in diesem Konflikt nicht viel in die Waagschale zu werfen, es hat aber wirtschaftliche Stärke, die es hier ausspielen und deshalb nicht so einfach aufs Spiel setzen kann.
Danke, in den letzten beiden Beiträgen fühle ich mich sehr verstanden. Ist es denn tatsächlich so vielen Menschen unmöglich, auch mal zu sagen „da kenne ich mich nicht hinreichend aus“? Ich dachte, am Vorbild Drosten hätte das zumindest ein paar Menschen erreicht. Aber nein, allerorten sprießen die Experten für Außen- und Sicherheitspolitik aus dem Boden, die dazu auch noch die Lösung für die Energiewende haben und sämtliche Stellschrauben und Implikationen internationaler Finanztransaktionssysteme kennen. Ich schaue mit Grauen und wachsendem Unbehagen in die Ukraine, habe aber selber keine Lösung anzubieten. Gespendet habe ich, darüber hinaus fühle ich mich in erster Linie hilflos.
"Happy Holidays... is what terrorists say. Merry Christmas, from Avery and Jack."
Deutschland liefert im Übrigen nun Waffen in die Ukraine.
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Zitat von faxefaxe im Beitrag #120Ich finde die Diskussionen über Swift und über Waffenlieferungen maßlos (nicht hier, sondern auf Twitter, Facebook und Co). Für die Wirkweise der beschlossenen Sanktionen und für die Folgen eines Swift-Ausschlusses interessieren sich nur wenige. Da setzt sich lawinenartig die These durch, Swift sei das einzige Mittel und damit könne man den Krieg beenden oder Putin wegbekommen. Jede Bundesregierung würde zögern, Deutschland womöglich von 50 Prozent seiner Gasversorgung abzuschneiden und die Verbindlichkeiten russischer Unternehmen gegenüber deutschen mal eben unbezahlbar zu machen. Da geht es mir nicht darum, dass ich nicht bereit wäre, einen hohen Preis für Sanktionen zu zahlen. Aber der Schaden muss für Putin höher sein als für den Westen.
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Das ganze Unglück der Menschen rührt allein daher, dass sie nicht ruhig in einem Zimmer zu bleiben vermögen. (Blaise Pascal)
Zum Ausschluss Russlands von SWIFT muss man sagen, dass sich bis auf Deutschland alle anderen EU-Staaten derweil (heute) für diesen Schritt ausgesprochen haben.
Dummerweise könnte Russland mit oder ohne SWIFT die Gaslieferungen an Deutschland stoppen bzw. dies eben jeweils vom deutschen „Wohlwollen“ abhängig machen. Das alles klang bislang ein wenig zu sehr nach: „Ihr seid zwar böse Buben, aber euer Gas und Öl hätten wir schon noch ganz gerne“
Der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki hat von Deutschland mehr Härte gegen Russland eingefordert. „Wahre Freunde erkenne man in der Not“, sagte er heute gegenüber der Nachrichtenagentur PAP. In Deutschland sollte man darüber nachdenken, was dieses Sprichwort bedeute. "Fünftausend Helme? Das muss ein Scherz sein", kommentierte er bisherige deutsche Hilfen für die Ukraine sarkastisch. Morawiecki verlangte, nicht nur Nord Stream 2 zu stoppen, sondern zusätzlich auch Nord Stream 1.
Deutschland hat – eben aufgrund heftiger Kritik anderer EU-Staaten – heute den Niederlanden die Lieferung von 400 Panzerabwehrwaffen aus deutscher Produktion an die Ukraine genehmigt. Zudem liefert man nun Waffen aus den Beständen der Bundeswehr an die Ukraine. Bundeskanzler Olaf Scholz teilte mit, die ukrainischen Streitkräfte würden mit 1000 Panzerabwehrwaffen sowie 500 Boden-Luft-Raketen vom Typ "Stinger" unterstützt. Zusätzlich hat die Bundesregierung Estland die Lieferung mehrerer Artilleriegeschütze aus DDR-Altbeständen an die Ukraine genehmigt. Es handelt sich um Haubitzen vom Modell D-30 mit dem Kaliber 122 Millimeter, die Mitte der 50er Jahre in der Sowjetunion entwickelt wurden und über die die Nationale Volksarmee der DDR verfügte. Die schweren Haubitzen können eingesetzt werden, um feindliche Truppen oder Panzer auf eine Entfernung bis zu etwa 15 Kilometern zu beschießen.
Ansonsten: naturgemäß sind für alle Sanktionen letztlich auch Opfer zu bringen. Das ist halt nur nicht so einfach, als würde man aus Protest gegen den Discounter X einfach seine Lebensmittel fortan bei Y einkaufen gehen.
Sondern da muss man schon Energie-Mengen einsparen, ersetzen oder auch höhere Preise zahlen. Als recht bequeme Nullnummer ist das alles nicht mehr machbar. Wäre es ja auch nicht, wenn wir militärisch eingreifen müssten bzw. mit in einen Kriegskonflikt der NATO geraten.
"Good taste is the worst vice ever invented" (Edith Sitwell)
Zitat von faxefaxe im Beitrag #120Da setzt sich lawinenartig die These durch, Swift sei das einzige Mittel und damit könne man den Krieg beenden oder Putin wegbekommen.
So lese ich das zumindest nicht, aber auf den Social-Media-Kanälen bin ich auch nicht unterwegs. Die Idee dahinter finde ich allerdings einleuchtend, dass die Erschwernis Handel zu betreiben, nicht zuletzt auch den Nachschub an Militärgütern betroffen hätte.
Zitat von faxefaxe im Beitrag #120Aber wenn wir hier eine Wirtschaftskrise haben, und Putin sein Gas halt woanders hin verkauft, ist noch nichts gewonnen (wobei es für uns ein großer Vorteil sein könnte, auf einen Schlag die Abhängigkeit von russischem Gas loszuwerden, schon deshalb neige ich dazu, dafür zu sein….)
Das mit dem „woanders hin verkaufen“ wäre ohne SWIFT zumindest enorm erschwert.
Zitat von faxefaxe im Beitrag #120Und genauso würde jede Bundesregierung zögern, Waffen in ein Kriegsgebiet zu liefern (auch da bin ich dafür, mir geht es um die Art der Diskussion).
Ich wünschte, das wäre so. Allerdings wurde die Türkei stets brav beliefert, ebenso wie Saudi-Arabien, die zwar selbst nicht Kriegsgebiet sind, jedoch sehr wohl Kriegsparteien.
Zitat von kafkaktus im Beitrag #121Das sehe ich auch so. Mich regt das auch gerade auf, wie aus den 80 Mio. Bundestrainern jetzt 80 Mio. Außenpolitikexperten werden.
Ich weiß jetzt nicht genau, worauf du dich da genau beziehst. Ich finde es zumindest nicht illegitim, solche Themen zu diskutieren, ohne passenden Studienabschluss. Wenn jemand mehr Einsicht in das Thema hat, kann er oder sie seine/ ihre Erkenntnisse ja gerne einstreuen.
☟ smog in berlin. nichts wie hin. weil du mich küsst, bin ich kein tourist.
„Das mit dem „woanders hin verkaufen“ wäre ohne SWIFT zumindest enorm erschwert.“
Das ist aber eine der vielen völlig unklaren Konsequenzen, wenn man Zahlungsinformationssysteme als politische Waffe nutzt. Russland würde dann mutmaßlich auf das chinesische Cips wechseln. Andere Länder würden sich wohl auch überlegen, ob sie Swift weiter nutzen, wenn es abgeknipst werden kann. All das kann das ganze System aushebeln. (Und entscheidend sind am Ende die Zahlsysteme und nicht Swift, und da gab es ja vorher schon Einschränkungen).
So, wie mir auch unwohl ist, wenn man ein kriegslüsternes Russland komplett isoliert (siehe Medwedews Äußerungen von heute). Und wenn man die Ukraine militärisch ertüchtigt, kann es sein, dass man die Russen stoppt. Es kann aber auch sein, dass die Städte dort dann aussehen wie Aleppo.
Ich weiß das alles nicht besser und habe keine klaren Meinungen, verstehe nur jeden, der zögert, bevor er alle Grundsätze der vergangenen Jahrzehnte über den Haufen wirft.
Irgendwo auf der Welt gibt es hoffentlich bessere Ideen, die ich soweit noch nicht sehe, aber bisher glaube ich, dass eine Kombination aus mehreren Maßnahmen das einzige ist, was Putin wieder zurückdrängen könnte. So naiv zu denken, dass die SWIFT-Strategie das Problem allein lösen könnte, bin ich natürlich nicht.
Ich würde mir ja wünschen, dass die Erkenntnis sich langsam verbreiten würde, dass das Prinzip „Annäherung durch Handel“ zumindest in sehr vielen Fällen nur ein Vorwand für rücksichtslosen Handel mit verbrecherischen Staaten war und ist. Das Beispiel mit dem russischen Gas zeigt uns, wie wir uns allzu leicht in Abhängigkeiten begeben, die so problematisch wie unnötig sind.
☟ smog in berlin. nichts wie hin. weil du mich küsst, bin ich kein tourist.
Zitat von kafkaktus im Beitrag #121wie aus den 80 Mio. Bundestrainern jetzt 80 Mio. Außenpolitikexperten werden.
Werden ja nicht alle Experten, sondern einfach nur Menschen, die sich Sorgen über diese, für uns eigentlich undenkbare, Situation machen. Das Problem für mich war dabei, dass es vorher, von Seiten der Politik, hieß, die Sanktionspläne stehen und müssten quasi nur aktiviert werden. In aller Einigkeit. Dann bekommt man mit, dass diese Einigkeit nicht wirklich bestanden hat. Kommunikatiosdesaster. Zeichen von Uneinigkeit, also genau das, was man nicht wollte, aber sicher im Sinn von Putin ist.
Zitat von kafkaktus im Beitrag #121Das sehe ich auch so. Mich regt das auch gerade auf, wie aus den 80 Mio. Bundestrainern jetzt 80 Mio. Außenpolitikexperten werden.
Ich weiß jetzt nicht genau, worauf du dich da genau beziehst. Ich finde es zumindest nicht illegitim, solche Themen zu diskutieren, ohne passenden Studienabschluss. Wenn jemand mehr Einsicht in das Thema hat, kann er oder sie seine/ ihre Erkenntnisse ja gerne einstreuen.
Mir geht es nicht um den Austausch hier, sondern um die von faxe erwähnten sozialen Medien. Sich gerade durch Twitter zu scrollen, ist ziemlich anstrengend. Ich kann absolut verstehen, dass man sich die Entscheidung für Waffenlieferungen angesichts unserer Geschichte nicht leicht macht und abwägt. Sie hat einfach weitreichende Folgen und bedeutet nunmal wirklich die von Scholz erwähnte "Zeitenwende". Zukünftige Entscheidungen werden daran gemessen. Das heißt nicht, dass ich das nicht befürworte und ich hoffe, dass Putin das alles um die Ohren fliegt.
Stellen die Amis eigentlich auch ihre Erdölimporte aus Russland ein?
Das wäre nämlich der einzige Punkt, an dem Putins Wirtschaftsmodell wirklich zu treffen wäre. Alle anderen Sanktionen (inkl. SWIFT) sind (zumindest kurzfristig betrachtet) Kindereien ... Russland ist kaum verschuldet, hat das Transaktionssystem SPFS als Alternative zu SWIFT und ist auch nicht auf den Verkauf von Staatsanleihen im Ausland angewiesen. Moskau verfügt über Devisenreserven von mehreren hundert Milliarden Dollar, dazu gehören auch sehr große Goldvorräte.
Man hört ja sehr wenig aus den USA zum Boykott ihrer Erdölimporte ...
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Sicher ist, dass nicht jede Sanktion sogleich eine Wirkung zeigen wird.
Die Sanktionen sind aber auch wichtig, um der russischen Bevölkerung zu verdeutlichen, dass die Politik von Putin eben nicht überall begrüßt wird.
Ein kleines Beispiel ist die Entscheidung, dass Russland nicht am diesjährigen ESC teilnehmen darf.
Oder nehmen wir den Sport. Die Fußball-WM. Polen, Tschechien und Schweden haben bereits angekündigt, keinesfalls irgendein WM-Playoff gegen Russland zu spielen. Das Spiel Polen gegen Russland ist eigentlich für den 24. März in Moskau angesetzt. Der Sieger des Duells würde auf auf Tschechien oder Schweden treffen. Der Weltverband FIFA hat noch nicht Stellung bezogen. Es wird erwartet, dass diverse Länder der WM in Katar fernbleiben, sollte Russland dort mit auflaufen.
MagentaSport hatte angekündigt, etwa im Basketball alle Partien mit russischer Beteiligung nicht mehr zu übertragen.
Ebenso wurde ja das Formel 1- Rennen im russischen Sotschi (25.09.22) gestrichen.
Das Champions-League-Finale am 28. Mai wurde ja von St. Petersburg nach Paris verlegt.
Der Ski-Weltverband Fis hat alle ausstehenden Weltcups in Russland in diesem Winter gestrichen.
Sportler aus Russland dürfen andernorts teilnehmen, aber bei den Zeremonien wird weder die russische Hymne gespielt noch die Landesfahne gehisst.
Der stellvertretende Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Thomas Erndl, forderte heute einen generellen Sport-Boykott für Russland. Solange die Aggression in der Ukraine bestehe, sollten alle russischen Mannschaften an internationalen Wettkämpfen nicht mehr teilnehmen dürfen. Dazu müssten alle Sportverbände eine klare Haltung beziehen.
"Good taste is the worst vice ever invented" (Edith Sitwell)
Angeblich hat Anonymous das russische Fernsehen gehackt und zeigt auf jedem Sender Bilder vom Krieg.
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Zitat von JackOfAllTrades im Beitrag #133Angeblich hat Anonymous das russische Fernsehen gehackt und zeigt auf jedem Sender Bilder vom Krieg.
Ja, auch schon von gehört.
Russische TV-Sender spielten nur noch die ukrainische Nationalhymne in einer Endlos-Schleife. Im Bild waren außerdem Szenen zu sehen, die mit den Farben der ukrainischen Nationalflagge untermalt waren. Ein Senderwechsel schaffte hierbei offensichtlich keine Abhilfe, die ukrainische Nationalhymne wurde auf einer Vielzahl russischer Sender eingespielt ...
Edit: Leider ein Fake gewesen ... schade, die Idee ist brilliant.
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