Das liegt wahrscheinlich an meinem Menschenbild. Ich glaube weder an das Gute im Menschen noch daran, daß das jemals funktionieren wird. Ich sehe die Existenz des Militärs für unabdingbar an, weil ich davon überzeugt bin, daß wenn - was nie passieren wird - jeder exakt dasselbe besäße, immer mindestens einer dabei wäre, der das Doppelte möchte und dem alle Mittel recht wären, dies zu erreichen. Ich bin auch fest davon überzeugt, daß die Nazis - wenn auch im kleineren Rahmen - ihre Verbrechen in Deutschland durchgezogen hätten. Die Spekulation ist müßig, aber wie hätte man diese Barbaren anders stoppen können als durch organisierten Waffeneinsatz?
We don't believe in anything we dont stand for nothing. We got no "V" for victory cause we know things are tougher.
(Iggy Pop/James Williamson: "Beyond The Law")
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Ich glaube, der Anti-Imperialismus, der da erklärt wird, ist nicht wirklich deckungsgleich mit der Überlegung, keine Armeen mehr zu haben.
Nichtsdestotrotz halte ich die Idee, Armeen abzuschaffen, für einen schönen Traum, der halt niemals Wirklichkeit wird. Wenn ein kleines Land, dass quasi unter dem direkten Schutz der größten Militärmacht der Welt steht, das macht, dann ist das vielleicht möglich. Denn es gibt ja einen anderen Souverän, der für Ruhe sorgt. Wenn es einen solchen großen Bruder nicht gibt, wird es schon schwieriger. Denn auf die Überlegung "Brauche ich das wirklich noch" wird fast zwangsläufig die Antwort folgen: "Weil es auch noch meinen cholerischen Nachbarn gibt: Lieber doch behalten." Das heißt nicht, dass man das nicht mal andenken darf - wenn man die Sache aber über das Argument hinausdenkt, was man mit dem Geld sonst so anstellen könnte, funktioniert es jedes Mal wieder nicht.
Die Frage ob oder wie man Armeen abschaffen kann, ist für mich nicht sonderlich interessant. Der Hinweis auf den Einsatz der Geldmittel geht doch mehr in die Richtung, dass Militärschläge mit bestimmten Zielen begründet werden, die letztendlich so gut wie nie erreicht werden. Als Beispiel ist bereits genannt, dass der Aufbau von Städten der Ausbreitung islamistischen Terrors weit mehr geschadet hätte, als deren Zerstörung. Nun kann man annehmen, dass die Entscheidungsträger entweder dusselig sind oder die Ziele, wie sie von denen formuliert werden, nicht deckungsgleich sind mit den tatsächlichen Zielen.
☟ smog in berlin. nichts wie hin. weil du mich küsst, bin ich kein tourist.
Achso ja, das ist natürlich wahr. Dagegen ist nichts einzuwenden. Fraglich allerdings, ob die Gelder zur Stadtentwicklung in Afghanistan angekommen wären, wenn das Taliban-Regime nicht gestürzt worden wäre.
Ich möchte gar nicht das eine gegen das andere abwägen. Allerdings wollte vor dem 11. September niemand das Talibanregime stürzen, und obwohl dieses mit den Anschlägen in New York gar nichts zu tun hatte, wurde jetzt ein Krieg vom Zaun gerissen. Aber nehmen wir mal an, das Ziel wäre wirklich gewesen, das Talibanregime zu stürzen - hätte es da nicht andere, weniger blutrünstigere Wege gegeben? Zumal sich die Militärische Lösung derzeit nichtmal als schnell erweist. Und jetzt nehmen wir mal an, die Antwort wäre "nein". Die Bomben sind gefallen, das Talibanregime zumindest weit zurückgedrängt. Das Hauptproblem ist noch immer die Ausbreitung islamistischen Terrors. Die Jahre vergehen, für einen Abzug der Truppen fehlt die nachhaltige Strategie. Wäre es nicht logisch gewesen, die Städte so schnell wie möglich wieder aufzubauen und Infrastruktur zu errichten? Es gab und gibt Infrastrukturprojekte, aber einen gleichstarken Willen, darin Geld zu investieren, vergleichbar mit den Mitteln, die in Rüstung und Militärlogistik geflossen sind (zur Erinnerung: Wir reden von Billionen Dollar), kann ich nicht feststellen. Sonst würde Afghanistan schon fast aussehen wie Dubai. Und die Kosten für das Militär fliessen beständig weiter, weil keiner weiss, wie man aus der Chose wieder herauskommt.
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" ... hätte es da nicht andere, weniger blutrünstigere Wege gegeben?" Die Frage ist, für wen. Mit einem Regime, das Menschen hinrichten läßt, weil sie heimlich Radio hören und Frauen die Hände abhacken läßt, wenn sie sich die Nägel lackieren, verhandelt man meiner Meinung nach nicht. Vielleicht hätte man ein halbes Jahr Diplomatie versuchen können. Die Frage ist nur, wieviele Zivilisten dem guten Willen zum Opfer gefallen wären.
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Wieviele Zivilisten sind jetzt mit weniger gutem Willen zu beklagen? Ich kann auch nicht erkennen, dass die anzunehmenden Kollateralschäden (um diesen giftigen Begriff mal zu gebrauchen) jemals ein Maßstab gewesen wären. Hier zeigt sich doch umso mehr, was ich oben beschrieben habe: Die abgehackten Hände und die Hinrichtungen haben über lange Zeit keine Sau interessiert, also keine von denen, die nachträglich das Leid der Zivilbevölkerung als Motivation für ihren Krieg ausgewiesen haben. Die Motivation muss also in Wirklichkeit eine andere sein.
Ich rede auch nicht von Diplomatie. Natürlich lassen sich die Taliban nicht überzeugen, auch wenn diese weniger homogen strukturiert sind, als gemeinhin angenommen wird. Man kann Opposition stärken, man Regime wirtschaftlich austrocknen, was natürlich unbequem ist. Dann müsste man schonmal überlegen, mit wem man welche Wirtschaftsbeziehungen pflegt. Aber selbst wenn einen das alles nicht überzeugt, sind dann immernoch die Punkte, die ich oben angefügt habe. Dann nimmt man meinetwegen die Militäroption, und was folgt dann?
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Es erscheint mir immer mehr wie eine "Lose - Lose" - Situation. Ich bin auch weit von einem Patentrezept entfernt, wenn ich ehrlich (auch mir selbst gegenüber) bin. Im Grunde genommen hast du recht damit, daß das Ganze bisher nur einen Haufen einst souveräner Staaten gebracht hat (unabhängig von dem dort herrschenden Regime), die in Auflösung begriffen sind: Somalia, Irak, Afghanistan, Libyen, Syrien. Um das alles halbwegs regierbar zu machen, müßte man schon Ausrottungsaktionen großen Stils fahren, so zynisch das klingt. Das kann nicht Sinn der Sache sein.
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Das klingt immer zynisch, aber sooo blutrünstig war der Afghanistan-Krieg bis zum schnellen Sturz der Taliban nicht. Hätte man damals 100 000 Soldaten dann reingeschickt (statt später in den Irak) und dort zig Millirden Dollsr in den Aufbau gesteckt (statt im Irak zu verpulvern), hätte das vielleicht (!) schon was werden können. Der Kriegsgrund war ja nicht ganz absurd, und das Ergebnis für die Frauen in Afghanistan zb erstmal ein Segen.
Aber wäre selbst dann schwer gewesen, in so einer Stammesgesellschaft.
Ich gebe dir in allen Punkten recht und glaube auch, dass da in Afghanistan die Strategie vermutlich nicht aufgegangen ist. Ich nehme mal nicht an, dass das Ziel ein Militäreinsatz ohne erkennbares Ende war. Insofern kann man schon von scheitern sprechen. Ich wollte eher darauf hinaus, dass sich eben so einfach nicht gegeneinander aufrechnen lässt, welche Gelder in Militär oder in die Entwicklung nachhaltiger Strukturen geflossen sind. Mir ging es vor allem darum, dass die Antwort in der Regel eben so einfach nicht ist. Mein Problem mit vielen Argumentationen, die grundsätzlichen Pazifismus vertreten, ist eben, dass sie meist dem Realitätscheck nur bis zu einem gewissen Punkt standhalten. Das wollte ich dir, Lumich, jetzt gar nicht unterstellen. Aber die Wahrheit liegt wahrscheinlich meist irgendwo zwischen den beiden polemischen Polen "Wir retten die armen Frauen mit ihren lackierten Nägeln" und "Wir schaffen Arbeitsplätze in der Rüstungsindustrie und für den LFB".
Dass niemand ernsthaft aus dem brennenden Wunsch heraus, Brunnen und Schulen zu bauen, einen Militäreinsatz startet, ist wohl nicht die Frage.
Zitat von faxefaxe im Beitrag #3056Aber wäre selbst dann schwer gewesen, in so einer Stammesgesellschaft.
Afghanistan war mal ein sehr fortschrittliches, vergleichsweise westlich orientiertes Land. Ohne Dir ihnaltliche Nähe unterstellen zu wollen, kann man an diesem Zitat sehen, wie weit die Propaganda (spätestens) seit Sarrazin bereits wirkt.
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Da war schon eine weite Kluft zwischen Kabul und anderen Regionen. Ich kenne die Fotos aus den 60ern/70ern. Da den Zirkel zu Sarazzin zu ziehen, ist völlig absurd. Lächerlich. Die Taliban haben sich nicht aus Kabul zurückgekämpft. http://m.bpb.de/internationales/asien/af...trukturen?p=all Das scheint mir ein guter Einstieg für Dich. Afghanistan war zu keinem Zeitpunkt ein sehr fortschrittlicher Staat.
Stadt-Land-Gefälle gibt es überall. Natürlich ist der Kontrast zwischen dem Kabul der 60er und 70er und den ländlichen Regionen extrem. Allerdings lässt sich schon sagen, dass Afghanistan mal auf einem ganz anderen Weg war. Das Gefälle wäre vielleicht auch heute nicht verschwunden, aber mit einiger Wahrscheinlichkeit zumindest spürbar kleiner, wenn die Entwicklung von damals nicht jäh unterbrochen worden wäre. Die Sarrazin-Komponente daran ist die mindestens unterschwellige Behauptung, dass eine Gesellschaftsform, abseits bronzezeitlicher Stammesgesellschaften in Ländern wie Afghanistan gar nicht möglich oder denkbar wäre. Der Iran war übrigens zur gleichen Zeit auf einem ähnlichen Weg, mit allen Makeln, die es trotzalledem hatte.
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Das ist so ein unsinn, dass Du zumindest die Keule Sarrazin stecken lassen solltest, wenn du hier keine Ahnung hast. Es geht hier nicht um Stadt-Land-Gefälle München-Erding. Lies Dich einfach bissl ein. Vielleicht sind ja andere Quellen unverdächtig. http://www.ag-friedensforschung.de/regio.../schetter3.html