Großbritannien will männlichen Geflüchteten, die mit dem Boot über den Ärmelkanal kommen, künftig ein One-Way-Ticket nach Ruanda geben. Mit Ruanda gibts dann ein Abkommen, dass dort die Asylanträge durchgeführt werden und die Menschen dann dort aufgenommen und versorgt werden. Ruanda erhält dafür viel Geld aus UK. Man hat sich wohl von Australien inspirieren lassen, das Geflüchtete in ein Lager auf die kleine Inselnation Nauru schafft und sie dort versauern lässt. Dieses System hat Australien bisher mutmaßlich 4 Mio pro Person gekostet. Von der Knete könnten die Geflüchteten in UK ne Weile ganz gut leben…
Die Frage wurde wohl auch in den britischen Medien direkt gestellt, auch mit Blick auf die Ukraine-Krise. Wobei da wahrscheinlich sehr wenige tatsächlich per Boot illegal einreisen. Kann sein, dass das dazu beiträgt, dass dieser Vorstoß als nicht ganz legal eingeschätzt wird.
Zitat von Quork im Beitrag #4775Großbritannien will männlichen Geflüchteten, die mit dem Boot über den Ärmelkanal kommen, künftig ein One-Way-Ticket nach Ruanda geben. Mit Ruanda gibts dann ein Abkommen, dass dort die Asylanträge durchgeführt werden und die Menschen dann dort aufgenommen und versorgt werden. Ruanda erhält dafür viel Geld aus UK
Ich halte die Idee für prinzipiell nicht verkehrt. Fakt ist: Mittel - und Westeuropa wird auf Dauer keine Millionen von Menschen aufnehmen können. Irgendwann werden die nämlich auf der Straße landen, weil alle Kapazitäten ausgeschöpft sind. Dazu kommen gerade noch Millionen, die aus der Ukraine flüchten. Als Geflüchteter dürfte die Priorität sein, in Sicherheit zu sein. Also: warum nicht einem Land, daß es nötig hat, Geld zahlen, daß es Geflüchtete aufnimmt und versorgt? Und der Vergleich zwischen Ruanda und Nauru hinkt gewaltig: Ruanda ist keine Winzinsel mitten im Pazifik, sondern ein Land inmitten eines sich rapide vorwärtsentwickelnden Kontinents. Wenn Geflüchtete zu dieser Entwicklung beitragen können, ist das eine Win - Win - Situation. Und zu "ganz egal, woher die Flüchtlinge ursprünglich kommen": für jemanden aus dem Jemen beispielsweise ist der Kulturschock in Ruanda zwar ein anderer als in England, aber es ist in beiden Fällen ein Kulturschock. Also: wo ist das Problem? Es müssen allmählich innovative Lösungen her. Ich bin sehr engagiert, was Hilfe für Geflüchtete angeht, aber die Annahme, das das ewig gutgehen wird, halte ich für weltfremd.
We don't believe in anything we dont stand for nothing. We got no "V" for victory cause we know things are tougher.
(Iggy Pop/James Williamson: "Beyond The Law")
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Zitat von Quork im Beitrag #4775Mit Ruanda gibts dann ein Abkommen, dass dort die Asylanträge durchgeführt werden und die Menschen dann dort aufgenommen und versorgt werden. Ruanda erhält dafür viel Geld aus UK.
Davon abgesehen, spielt da immer noch indirekt der Gedanke mit, daß die Leute dort in ein komplett unterentwickeltes Land in einen Kral gesteckt werden. Ich weiß, daß das keine böse Absicht ist, aber so langsam sollte man Afrika mal ernstnehmen und den Kontinent nicht nur als am Tropf hängend betrachten. In den nächsten zwanzig Jahren wird es da noch einiges zu bestaunen geben.
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So unterentwickelt ist Ruanda nicht, soweit ich weiß, zumindest wirtschaftlich. Was die Rechtsstaatlichkeit angeht, gibt es weit mehr Luft nach oben als nach unten. Das macht dieses Abkommen auch nochmal mehr inakzeptabel, mal abgesehen davon, dass das Menschenrecht auf Asyl mit Füßen getreten wird, und Asylsuchende praktisch entführt und verschleppt werden.
☟ smog in berlin. nichts wie hin. weil du mich küsst, bin ich kein tourist.
Ich habe nicht gesagt, dass Ruanda ein unterentwickeltes Land wäre. Ich bezweifle aber persönlich dennoch stark, dass den Geflüchteten dort eine wirklich menschenwürdige Unterbringung und Behandlung zuteil werden wird. Nicht, weil ich es Ruanda nicht zutraue, sondern weil ich weiß, wie solche Lager z.B. in Griechenland aussehen, das ebenfalls Geld dafür von der EU bekam für die Unterbringung und Betreuung. Weil ich weiß wie solche Lager in anderen, nicht rückständigen afrikanischen Ländern aussehen. Das ist keine Umgebung, in die man oft stark traumatisierte Menschen schicken sollte, wenn einem ihr Wohl am Herzen liegt. Das kann man selbst bei manchen Unterkünften bezweifeln, die Deutschland so bereitstellt.
Sollte die Unterbringungssituation wider Erwarten doch menschenwürdig sein, bleibt das immer noch ein völlig verrücktes Herumschieben von Menschen. Werden dann Afghanen gegen ihren Willen nach Ruanda geschickt, nachdem sie bereits einmal halb rund um den Globus vor den Taliban geflohen sind? Findest du das wirklich menschlich in Ordnung weil der Kulturschock ja ähnlich groß sein dürfte, wie der in GB?
Davon abgesehen unterschreibe ich Lumichs Hinweis darauf, dass hier Menschenrecht mit Füßen getreten wird (das kann die EU an den Grenzen übrigens auch hervorragend, siehe illegale Pushbacks in Griechenland).
Wir reden hier im übrigen nicht von 350.000 Menschen, die ein Land wie Deutschland offenbar aus der Ukraine ohne mit der Wimper zu zucken aufnehmen konnte (nicht falsch verstehen, das war richtig so). Letztes Jahr kamen 28.000 Menschen über den Ärmelkanal.
Zitat von Quork im Beitrag #4783Ich bezweifle aber persönlich dennoch stark, dass den Geflüchteten dort eine wirklich menschenwürdige Unterbringung und Behandlung zuteil werden wird. Nicht, weil ich es Ruanda nicht zutraue, sondern weil ich weiß, wie solche Lager z.B. in Griechenland aussehen, das ebenfalls Geld dafür von der EU bekam für die Unterbringung und Betreuung.
Eben das. Wenn man da von Anfang an ein Auge drauf hat, politischen Druck ausübt und die Geldzahlungen an Bedingungen knüpft, lassen sich Zustände wie in Griechenland vielleicht gleich von vornherein vermeiden. Die Zustände in anderen afrikanischen Ländern sehen nur so aus, weil sich da wirklich kein Mensch dafür interessiert.
Was das Herumschieben von Menschen angeht mittlerweile habe ich genug Remarque gelesen, um zu wissen, wie das mit den Emigranten im Zweiten Weltkrieg ablief. Das ist also kein singuläres Phänomen, sondern eine unausweichliche Folge von großen Fluchtbewegungen. Wenn die Leute nach Ruanda geschickt und dort tatsächlich ordentlich behandelt werden (was der Pressetext, den du verlinkt hast, ja besagt ... ich würde dem Ganzen gerne Glauben schenken), dort in Sicherheit sind und Ruanda noch dazu von der Aufnahme profitiert, halte ich das Ganze durchaus einer Überlegung wert. Zumal nur Männer auf diese Tour geschickt werden sollen, die allein unterwegs sind, weder Familien noch Frauen und Kinder.
Nochmal: ich bin dafür, Flüchtende mit allem, was in unserer Macht steht, zu unterstützen. Ich gehe ungern mit Engagement hausieren, aber ich bin auch Mitglied von Sea Watch, um nicht mißverstanden zu werden. Aber es braucht Lösungen, denn Europa wird nicht unbegrenzt Menschen aufnehmen können. Das ist illusorisch. Bei Großbritannien kommt noch dazu, daß es nunmal eine Insel und somit noch flächenmäßig im Verhältnis scharf begrenzt ist. Da sind 18 000 Menschen im Jahr nochmal eine andere Dimension als auf dem Festland.
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Ich halte wiederum für illusorisch, dass sich irgendjemand für die Unterbringungsbedingungen in Ruanda in dem Maße interessiert, dass es tatsächlich dafür sorgt, dass dort alles gut wird für die Menschen. In Griechenland interessiert sich die EU ja auch schon kaum, obwohl diese Lager mit europäischem Geld finanziert werden. 120 Mio. Pfund übersetzen sich bei 28.000 Menschen übrigens in etwas mehr als 4000 Pfund pro Person. Mal schauen, wie lange die Leute davon menschenwürdig untergebracht werden.
„Nur Männer“ sei hiermit nochmal in Frage gestellt - wobei ich diese Frage ehrlich gesagt oft nicht verstehe. Auch Männer haben einen Anspruch auf menschenwürdige Behandlung. Verstehe schon, Frauen und Kinder sind in Flüchtlingslagern nochmal zusätzlich gefährdet, das macht aber die Zumutung für die betroffenen Männer nicht weniger schlimm.