Zitat von Quork im Beitrag #4785Mal schauen, wie lange die Leute davon menschenwürdig untergebracht werden.
The Rwandan government said migrants would be "entitled to full protection under Rwandan law, equal access to employment, and enrolment in healthcare and social care services".
Eben: mal schauen. Das nicht überbewerten, aber die Möglichkeit auch nicht gleich schlechtreden. Wenn die Menschen dort ohne größere Probleme Zugang zum Arbeitsmarkt bekommen, anstatt hier in der Paragraphenwüste zu versauern und dort eher die Möglichkeit haben, sich eine gesicherte Existenz aufzubauen, sehe ich keinen Grund, es nicht zumindest mal zu versuchen.
We don't believe in anything we dont stand for nothing. We got no "V" for victory cause we know things are tougher.
(Iggy Pop/James Williamson: "Beyond The Law")
---------------------------------------------------------------- From the river to shut the fuck up.
Ich tendiere da, auf mehr oder weniger alle humanitären und Menschenrechts-Organisationen zu hören, die den Plan meines Wissens allesamt harsch kritisieren. Und Theresa May, for whatever that’s worth.
Ich frage mich auch ernsthaft, ob dieser Plan den intendierten Effekt auf den Menschenhandel haben kann, oder ob die Menschen dann nicht, wenn sie aus Ruanda weg kommen wollen, halt auf die nächste Station ihrer Reise in den Händen von Menschenhändlern geschickt werden.
Und das mit der Arbeitserlaubnis und der Paragraphenwüste ist natürlich in der Tat ein Problem. Aus „in Europa sind die Regeln zu kompliziert, als dass Geflüchtete sich hier ein selbstständiges Leben aufbauen könnten“ dann aber zu machen „Schicken wir sie nach Ruanda, da sind die Regeln hoffentlich besser“ finde ich gedanklich einen mindestens gewagten Sprung.
Zitat von Quork im Beitrag #4788Ich tendiere da, auf mehr oder weniger alle humanitären und Menschenrechts-Organisationen zu hören, die den Plan meines Wissens allesamt harsch kritisieren.
Sollte der Eindruck entstanden sein, ich empfände den Plan als ausgereift: das tue ich nicht. Ich bin nur der Meinung, daß man dringend neue Lösungen suchen muß und solchen Ansätzen nicht gleich komplett ablehnend gegenüberstehen sollte.
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vorgestern begegnete mir im radio ein bericht über uganda, das, obgleich zu den ärmsten ländern der welt gehörend, seit längerem eine betont flüchtlingsfreundliche willkommenskultur pflegt. zurzeit nimmt man in erster linie geflüchtete aus dem südsudan auf; in dem besagten beitrag wurde aber erwähnt, dass tatsächlich mittlerweile zahlreiche ukrainer kurs auf afrika genommen haben. da ich den beitrag im netz gerade nicht finde, hier ein anderer artikel zum thema:
Zitat von Quork im Beitrag #4789Schicken wir sie nach Ruanda, da sind die Regeln hoffentlich besser
Siehe Zitat. Zumindest laut Ruanda sind die Regeln dort besser.
Ich meinte mit meinem Satz eigentlich, dass der Schluss sein sollte, die eigenen Regeln zu verbessern, anstatt Menschen halb um die Erde zu schicken, weil anderswo die Regeln besser sind.
Auch das Verbessern der eigenen Regeln ändert nichts am erwähnten Grundproblem. Und damit meine ich nicht "das Boot ist voll", sondern "wie kriegt man die Hilfe effektiv organisiert".
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@tenno : Uganda gilt als Land mit einer der fortschrittlichsten Flüchtlingspolitiken der Welt. Es hat nicht nur mehr Interner Link: Flüchtlinge aufgenommen als jedes anderen Land in Afrika, sondern gewährt den Flüchtlingen das Recht auf Arbeit und Freizügigkeit. Die ugandische Regierung betrachtet Flüchtlinge als wirtschaftliche Akteure, die Beiträge zum Staat leisten und daher einen Gewinn darstellen. Sie sieht sie nicht als "Lasten".
Was ich mir auch im Fall von Ruanda bereits dachte. Es kann eine Win - Win - Situation geben, wenn man das Ganze vernünftigt managt. Und da kann Europa durchaus Hilfestellung geben, auch finanziell.
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Auf der anderen Seite ist die Frage, inwieweit Uganda damit Sanktionen wegen des unerbittlichen Kurses gegen Homosexuelle dort vorbeugen will. Das Thema sollte man nämlich auch nicht unter den Tisch fallen lassen, und ganz an reine Nächstenliebe glaube ich da auch nicht.
Ich will Ugandas Flüchtlingspolitik nicht grundsätzlich kritisieren, denn es wurde ja schon gesagt, dass das Land nicht gerade mit endlosen Ressourcen gesegnet ist. Aber wenn man sich die Situation in Lagern wie Bidi Bidi ansieht, dann weiß ich nicht, ob das jetzt das große Vorbild für die sinnvolle Unterbringung von Menschen sein sollte. Der Standard dort liegt meines Erachtens weit unter dem, was wir in Westeuropa als Minimum für sinnvolle Unterbringung definieren würden. Da liegt für mich dann der Schluss schon sehr nahe, dass der britische Move am Ende doch weniger mit der Arbeitsmarktpolitik in Europa zu tun hat, als vielmehr mit knallharten Kostenabwägungen. Das als eine Maßnahme im Sinne der verschifften zu verstehen, erschließt sich mit einfach nicht.
War der EU-Türkei-Deal eigentlich auch eine Win-Win-Situation? Ich sorge mich vor allem um den dritten Win. Nicht nur GB und Ruanda sollten winnen. Großbritannien ist eines der reichsten Länder der Welt. Anstatt diese Ressourcen sinnvoll für die Hilfe traumatisierter, vor Gewalt fliehender Menschen zu verwenden, sollen diese nun für ein bisschen Geld in ein Drittland verschifft werden, das selbst deutlich weniger Ressourcen hat, um sich vernünftig um die Menschen zu kümmern. Wie das eine Verbesserung der Lage für die Geflüchteten bedeuten soll, ist mir weiterhin schleierhaft.
Dein Grundproblem habe ich noch nicht verstanden, King. Wo siehst du unüberbrückbare Probleme in der sinnvollen Verteilung von Hilfe in Europa, die man mit dem Move nach Ruanda lösen kann?
Berücksichtigen sollte man, dass es bei den britischen Plänen nicht um Flüchtlinge an sich geht, sonderen speziell um die Gruppe der illegalen Migranten. Diese sollen künftig quasi nach Ruanda ausgeflogen werden, um dann dort jeweils auf ihre Asylantrag-Entscheidung zu warten. Es geht also darum, dass männliche Migranten nach ihrer illegalen Ankunft im Vereinigten Königreich zunächst nach Ostafrika bzw. Ruanda geflogen werden.
Laut Simon Hart (Regierungsminister Wales) kostet das Arrangement mit Ruanda Großbritannien ca. 144 Millionen Euro. Man möchte damit das Geschäftsmodell der Menschenschmuggler durchbrechen. Ruanda möchte Asylsuchende und Migranten aufnehmen und ihnen legale Wege zum Aufenthalt bieten. Dazu sollen sie in Gemeinden im ganzen Land integriert werden und man wolle es ihnen ermöglichen, sich dauerhaft in Ruanda niederzulassen.
Premierminister Boris Johnson möchte verhindern, dass Menschen illegal ins Land kommen. Der einzige gangbare Weg zum Asyl im Vereinigten Königreich soll ein legaler sein. Wer das System missbrauche, soll künftig "schnell und auf humane Weise" in einen Drittstaat oder in sein Herkunftsland gebracht werden. Es handelt sich um ein Wahlversprechen, denn Großbritannien sollte nach dem Brexit eigenständig über die Zuwanderung bestimmen.
Großbritannien hat diesen Plan aber nicht alleine entwickelt. Es gibt einen Vorreiter. Denn Dänemark hat per Gesetz im Juni 2021 vorgesehen, dass Asylbewerber nach der Registrierung an der dänischen Grenze in ein Aufnahmezentrum gebracht werden sollen, dass außerhalb der Europäischen Union liegt. Dänemark hatte dazu eine Absichtserklärung über die Zusammenarbeit im Bereich Asyl und Migration unterzeichnet – eben mit Ruanda.
"Good taste is the worst vice ever invented" (Edith Sitwell)
Zitat von akri im Beitrag #4799Berücksichtigen sollte man, dass es bei den britischen Plänen nicht um Flüchtlinge an sich geht, sonderen speziell um die Gruppe der illegalen Migranten. (...) Premierminister Boris Johnson möchte verhindern, dass Menschen illegal ins Land kommen. Der einzige gangbare Weg zum Asyl im Vereinigten Königreich soll ein legaler sein.
Welchen legalen Weg der Einreise würdest du denn den "illegalen" Migrant*innen vorschlagen, damit sie in UK Asyl beantragen können?
Nehmen wir mal das Beispiel der ukrainischen Kriegsflüchtlinge. Diese hatten Glück, denn sie durften ohne Visumsantrag in die EU einreisen und müssen aktuell nicht einmal einen Asylantrag stellen, um hier versorgt zu werden (sind also de jure noch keine anerkannten Flüchtlinge, ich weiß). Das ist alles gut und richtig so. Aber jetzt stell dir mal vor, es hätte für die Ukrainer keine visumsfreie Einreise gegeben und Visumsanträge in ihrem Heimatland wären an verrückt hohe Anforderungen gebunden, wie es für die allermeisten Länder außerhalb des Schengenraumes der Fall ist. Stattdessen hätte man ihnen an der Grenze gesagt: "Sorry, aber hier kommst du nicht rein." Die Leute wären in ihrem Kriegsgebiet gestrandet (wie es Tausenden Menschen weltweit de facto passiert). Es hätte keinen legalen Weg für sie nach Deutschland gegeben, denn in einer deutschen Auslandsvertretung kann man kein Asyl beantragen, man muss erstmal nach Deutschland kommen. Welchen legalen Weg hätten diese Menschen auf ihrer Flucht vor der Zerstörung der Ukraine-Invasion wählen sollen?
Ach ja, in Ruanda wär's vielleicht gegangen...
Es ist außerdem auch nicht so, als würden die Menschen in Ruanda auf ihren Asylbescheid aus UK warten, sondern falls sie Asyl bekommen, dann in Ruanda, nicht in Großbritannien. UK macht es also de facto unmöglich, dass überhaupt noch irgendjemand im Vereinigten Königreich Asyl beantragt, der nicht gerade zufällig mit gültigem Visum eh im Land ist. Visavergabekriterien sind aber alles andere als orientiert an der Schutzbedürftigkeit der Antragsteller*innen.
Klar das kann man als "eigenständig über die Zuwanderung bestimmen" nennen. Human Rights Watch nennt es "cruelty itself" und argumentiert, dass eine Diskriminierung von Schutzsuchenden anhand ihres Ankunftsweges nicht zulässig also höchstwahrscheinlich illegal wäre (https://www.hrw.org/news/2022/04/14/uk-p...-cruelty-itself).
In oben genanntem Link kann man dann auch noch nachlesen, welche Haltung Ruanda zuletzt immer mal wieder den Menschenrechten gegenüber an den Tag gelegt hat. Ich will das Land auf keinen Fall schlechter machen, als es ist, aber ich finde es schon irre, was hier als Win-Win-Situation bezeichnet wird.