Ich sehe es auch nicht als Tiefpunkt des Journalismus, aber als Tiefpunkt der öffentlichen Debatte. Es wird nur noch über "Ausländerkriminalität" gesprochen, als ob es "Inländerkriminalität" nicht genauso gäbe, oder als ob sie verwerflicher wäre als diese. Man lässt sich von der Rechten den Diskurs diktieren, man lässt sich von denen vor sich hertreiben.
Was ich immerhin gut finde: Die generelle Diskussionslage wird sich dahingehend verändern, dass die Kriminalität von Ausländern - denn die gibt es logischerweise nun mal - auch von linker Seite nicht mehr als Tabuthema angesehen werden kann. Das ist ja etwas, das viele Menschen frustriert und zumindest teilweise in die Arme der Rechten treibt. Insofern hat das vielleicht was Gutes.
Ich halte das für kognitive Verzerrung durch das Internet. In meinem Umfeld ist die Debatte sehr differenziert und auch im Land hat sich die Stimmung der Mehrheit nicht gegen die Asylbewerber gedreht. Dass es bei der Aufnahme von einer Million Ausländern zu einer Stärkung der Rechten kommt, halte ich für fast unvermeidlich (ich will diese auch Bekämpfen, nicht dass wir uns falsch verstehen. Ich halte die Rwchtsradikalen bei uns für brandgefährlich und es wird viel zuwenig dagegen getan). Wirkliche Hetze gegen Ausländer von Seiten der Medien gab es meiner Meinung nach früher gerade von der Bild viel schlimmer.
Und ich glaube wie Du, dass die aktuelle Debatte hilfreich sein kann, wenn die Stimmung nicht kippt. Und das ist sie meiner Meinung nach noch nicht. Meiner Meinung nach haben sich viele Linke unwohl gefühlt, weil die freundliche Aufnahme der Flüchtlinge ihrem Weltbild widersprach. Manche scheinen geradezu darauf zu warten, dass die Medien und die Mehrheit wieder ihre negative Fratze zeigen. Ich finde es aber immer noch toll, wie die Aufnahme der Flüchtlinge bislang in vielen Punkten läuft.
Wir sollten uns da nicht zu sicher fühlen. Ich hatte weiter oben geschrieben, dass die Rechten zum großen Teil in einer Parallelwelt rein unter ihresgleichen leben, und sich dadurch bestärkt und im Recht fühlen, und sich als Teil einer schweigenden Mehrheit sehen. Dieser Gefahr sollten wir nicht erliegen, nur weil wir uns unter mehrheitlich nüchtern denkenden, vernunftbegabten Menschen bewegen. Wir sollten die Mehrzahl der Bürger nicht dahingehend überschätzen, dass sie gegen populistische Hetztiraden immun sind, das ist in anderen Ländern auch nicht so. Ich sehe die Gefahr sehr wohl, dass die Stimmung kippt, und genau da sehe ich auch die Verantwortung der seriösen Medien.
Das stimmt schon. Aber wir sollten auch stolz auf unsere Zivilgesellschaft sein (oder sie zu schätzen wissen, wenn einem der Ausdruck lieber ist) und auf die pluralistische Medienlandschaft, auf die ehrenamtlichen Helfer und auf die Tatsache, dass eine Million Menschen aus Krisengebieten hier untergekommen sind. Das Herauszustreichen ist meiner Meinung nach auch ein Beitrag gegen Rechts. Die Grundfesten von der anderen Seite auch sturmreif zu schießen halte ich für gefährlich.
Dass ich auf die mehrheitliche Haltung unserer Zivilgesellschaft stolz bin, steht außer Frage. All die Menschen, die sich im vergangenen Jahr tatkräftig für Flüchtlinge eingesetzt haben, sind für mich die modernen Helden unseres Landes. Ich gestehe, dass sich mein Einsatz rein aufs Finanzielle beschränkt, um so mehr Hochachtung habe ich für all die Helfer.
Die Medienlandschaft hat das bisher überraschend gut unterstützt, selbst die Bildzeitung hat zumindest bisher erstaunlich moderat agiert (Nun ja, im Springer-Verlag hat ja die Welt das Gegengewicht gegeben). Angesichts der aktuellen Diskussion sehe ich da aber auch eine gewisse Scheinheiligkeit. Da wird jetzt moniert, dass nicht sofort Flüchtlinge als Kölner Täter benannt wurden, und dass ausländische Straftaten verheimlicht worden seien.
Da darf man aber auch gerne darauf hinweisen, dass es aus verschiedenen Gründen vollkommen normal ist, dass nicht alle Straftaten veröffentlicht werden, egal wer sie verübt hat. Und dass wir im Zusammenhang mit den Kölner Übergriffen immer noch nur von Verdächtigen reden, nicht von erwiesenen Straftätern. Mir ist da zu viel Hysterie im Spiel.
Zitat von faxefaxe im Beitrag #588Meiner Meinung nach haben sich viele Linke unwohl gefühlt, weil die freundliche Aufnahme der Flüchtlinge ihrem Weltbild widersprach. Manche scheinen geradezu darauf zu warten, dass die Medien und die Mehrheit wieder ihre negative Fratze zeigen
interessant, wie sich manche leute linke vorstellen…
☟ smog in berlin. nichts wie hin. weil du mich küsst, bin ich kein tourist.
er meint ja nicht DIE linken an sich. und diesen speziellen phänotyp kenn ich leider auch zur genüge. gut, man könnte einwenden, das seien keine linken, sondern nur welche, die sich so nennen. aber das ist ja auch nur augenwischerei. idioten gibts halt in allen lagern, nur die haken, an die sie ihre hirne hängen, sind unterschiedlich geformt.
Zitat von faxefaxe im Beitrag #588Meiner Meinung nach haben sich viele Linke unwohl gefühlt, weil die freundliche Aufnahme der Flüchtlinge ihrem Weltbild widersprach. Manche scheinen geradezu darauf zu warten, dass die Medien und die Mehrheit wieder ihre negative Fratze zeigen
interessant, wie sich manche leute linke vorstellen…
Ich habe, schon aus meiner eigenen Historie, eine gute Vorstellung, was Linke sind, habe auch die notwendige theoretische Bildung und finde diese Antwort etwas borniert. Ich schrieb auch "viele Linke" und nicht "die Linken".
Dass "die Linke" sich schwer damit tut, sich über eigene gesellschaftspolitische Erfolge zu freuen und dann eher dem Land misstraut, würde ich vielleicht sogar verallgemeinern.