Zitat von King Bronkowitz im Beitrag Neuerwerbungen.Man lernt doch immer was dazu. Hatte von dem "Autor" noch nie was gehört, und da ich das Buch gerade nebenher lese, hab ich mal recherchiert. Das Ergebnis hat mich doch ziemlich erstaunt:
Ansonsten: toll aufgemacht, sehr viele Photos, mache großartig, manche voyeuristisch und geschmacklos ("Black Dahlia" in ihrer ganzen Pracht auf einer Doppelseite ... interessant, die mal gesehen zu haben, aber gebraucht hätte es das trotzdem nicht), ansonsten viel Tratsch und Quatsch von teilweise zweifelhaftem Wahrheitsgehalt. Im Endeffekt tut er auch nichts anderes als die sensationsgeilen KlatschkolumnistInnen, die er in dem Buch anprangert. Stelle ich mir ins Regal, es bleibt aber zwiespältig.
We don't believe in anything we dont stand for nothing. We got no "V" for victory cause we know things are tougher.
(Iggy Pop/James Williamson: "Beyond The Law")
---------------------------------------------------------------- From the river to shut the fuck up.
Am Wochenende in beendet. Was für ein Spiel mit den Erwartungen. Die ersten 100 Seiten fand ich bedenklich schwach, ohne es ganz beim Namen nennen zu können. Mit der Zeit und der Abfahrt der beiden - Sohn und Mutter - nimmt das Ganze "Fahrt auf" und es steigert sich in derart viele Metaebenen, dass es Leser, die Kracht vorab schon nicht ausstehen konnten, die Zornesröte ins Gesicht treiben wird. Ich fand es stellenweise genial, Beispiel:
der Sohn deutet an, dass das alle gerad nicht wirklich passiert, sondern eine Geschichte ist. Die Mutter debattiert dagegen, die beiden diskutieren das rauf und runter. Bis der Sohn fragt, wie er denn nun wisse, ob es noch Geschichte sei, oder real. Die Mutter piekst ihm mit der Gabel in die Hand, er ruft "Au" und sie sagt: "siehst du, du bist echt."
Nicht so traurig wie Faserland und es wird bei mir sicher nicht dieselbe langfristige Spur im Gedächtnis hinterlassen, aber allemal ein würdiges neues Puzzlestück im Werk von Kracht.
Andy Merrifeld - The Wisdom Of Donkeys: Finding Tranquility In A Chaotic World
Ein Typ wandert mit einem Esel durch die Auvergne, denkt dabei über sich, das Leben und das Wesen von Eseln nach. Leider verliert er sich dabei gerne in Exkursen Richtung "Der Esel in der Literatur", was ich etwas ermüdend fand. Aber ich glaube, ich muss das Teil noch mal in einer anderen Lebensphase lesen, denn der Schluss hat mich dann emotional voll erwischt. Was bedeutet, dass ich mich auf besagte Exkurse mehr hätte einlassen sollen.
Der Niedergang der Familie eines cäsarenhaften Patriarchen und seiner drei Söhne im New York der aktuellen Ära, akribisch dokumentiert durch einen angehenden Filmregisseur aus der Nachbarschaft (der immer mehr in die Geschichte der Goldens - daher auch der Titel - hineingezogen wird). Vieles an dem Buch fand ich ekelhaft prätentiös und konstruiert: ein mir widerwärtiges hochstudentisches Künstlermilieu mit Dialogen, die komplett momentanen gesellschaftlichen bzw. Genderdebatten entstiegen sein könnten, und das schon, wenn Figuren miteinander frühstücken (ich kann mir - ähnlich wie bei "Wie schön alles begann..." von Dirk Bernemann nicht vorstellen, daß es Leute gibt, die ständig so miteinander reden, und wenn, will ich sie nicht kennenlernen), die ständigen populärkulturellen Querverweise wirken bemüht und bildungshuberisch ("sein Erscheinungsbild erinnerte mich an Lars Kvaer Solstvaedts norwegischen Stummfilm 'Der Fußpilz meiner Mutter' aus dem Jahr 1927, in dem der Regisseur eine ähnliche Bildsprache benutzt , sodaß das hereinfallende Licht die Szenerie ebenso cineastisch untermalte" u.s.ä.), einige Wendungen extrem vorhersehbar, und die D.C. - Comicvergleiche (Trump als der Joker, Clinton als Catwoman) sind extrem albern. Es spricht aber für Salman Rushdies Qualitäten als Erzähler, daß ich das Buch bis zum Ende trotzdem nicht aus der Hand legen konnte und es teilweise verschlungen habe. Seltsam. Möchte auf jeden Fall noch "Mitternachtskinder" von ihm lesen, das interessiert mich; mal gespannt, ob Rushdie tatsächlich dauerhaft was für mich ist.
We don't believe in anything we dont stand for nothing. We got no "V" for victory cause we know things are tougher.
(Iggy Pop/James Williamson: "Beyond The Law")
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ein wirklich interessantes und gut geschriebenes sachbuch über die ersten nachkriegsjahre - auch jenseits der aspekte, die man auf dem schirm hat. im nachhinein fragt man sich tatsächlich, wie das alles so gut hat funktionieren können (und kriegt einen tiefergehenden einblick, was eben NICHT funktioniert hat).
Habe ich im Dezember angelesen, dann abends im Bett umzugsbedingt zwei Wochen lang ca. zehnmal dieselben drei Seiten gelesen und dann nach Weihnachten erstmal andere Neuerwerbungen in Angriff genommen. Am Buch liegt es sicher nicht, das wirkte flüssig geschrieben und interessant.
"Happy Holidays... is what terrorists say. Merry Christmas, from Avery and Jack."
Zweischneidiges Schwert. Auf der einen Seite haben wir hier einige großartige, nachdenkliche Momente. Auf der anderem bricht dem Autoren sein Hintergrund als Philosophieprofessor durch, und dann wird es belehrend bis mühsam. Zudem ist so viel in kursiv geschrieben, was ich immer anstrengend finde. Aber unterm Strich hat mich das Buch doch irgendwie durch seine Andersartigkeit fasziniert.
Erin Osmon: Jason Molina. Riding with the Ghost (2017) Berührende Biographie, die Molinas vielschichtige Persönlichkeit näherbringt, seinen enormen kreativen Output akribisch abbildet und seine wahnsinnig traurige Alkoholikergeschichte erzählt.
Ich fand es anfangs etwas konservativ erzählt (eine Frau schreibt über ihre Vorfahren, die Leben damals/heute werden parallel erzählt). Aber das ist dann schon sehr interessant, auch, weil es nicht „nur“ um die NS-Zeit und geraubte Kunst geht, sondern die Mutter-Tochter-Verhältnisse stark Thema sind.
Mein vierter Per Petterson und zum vierten Mal war ich von seinem Erzählstil sehr angetan. Auf hohem Niveau muss ich allerdings bemängeln, dass mir im Schlussdrittel etwas Klarheit gefehlt hat, und auch eine Aussprache der Personen. Aber dann wäre es vielleicht kein Petterson mehr gewesen. Sein Stil ist, sehr lebendige Personen zu erschaffen, die gar nicht wie Romancharaktere wirken, sondern schon halbdokumentarisch angelegt sind. Und dann bleiben halt Lücken, wie im echten Leben auch.