Okay, das war schnell durchgelesen. Hätte mir aufgrund der Länge vorher klar sein können (war es auch), aber wenn man erst mal im Leseflow ist, kommt das Ende immer zu früh. Habe vorher nichts aus dem ZZG-Kosmos gelesen, aber die Prämisse war schnell klar und auch, dass dieser Band nur einer von vielen kleineren Einblicken in das 'neue Deutschland' sein soll. So war also alles so, wie es sein soll: Kurz & knackig auf die Zwölf.
Schöne spannende Geschichte, angenehmer Schreibstil mit angesichts des Szenarios glaubhaften Dialogen (Gerade bei Zombiegeschichten sind die Dialoge öfter mal grausam. Entweder sprechen 60% pseudocoolen Schwachsinn und die restlichen 40% sind die Naivität in Person oder alle Protagonisten reden so geschwollen sachlich wie 55-jährige vollbarttragende Geschichtslehrer, auch wenn es 13-jährige Teenagerinnen sind.) und einem Happy End. Was will man mehr? Den Silberfisch werde ich jedenfalls bei Gelegenheit auch in Angriff nehmen.
Michel Bergmann - Mameleben
Bergmann erzählt vom Leben seiner Mutter mit dem Schwerpunkt seiner Beziehung zu ihr. Ein Buch, das anhand dieser Lebensgeschichte exemplarisch aufzeigt, dass die durch die Shoah erlittenen Traumata noch Generationen später nachwirken und wie die beiden Protagonisten Opfer dieser Umstände wurden. Die Mutter, die nie den von ihr gewünschten Lebensweg eingehen konnte und zeitlebens von den Geschehnissen um sie herum in Rollen gedrängt zu werden scheint. Der Sohn, den die Mutter immer spüren lässt, dass er niemals genug sein wird, um die erlittenen Verletzungen auch nur ansatzweise zu heilen, die verlorenen Verwandten & Freunde zu ersetzen.
In einer Szene bittet die zu der Zeit schon über 80-jährige Mutter, die nach einem Suizidversuch im Krankenhaus liegt, ihren Sohn bei der Ärztin vorzusprechen und dafür zu sorgen, dass sie sofort entlassen wird. Als dieser zögert, sagt sie: „Ein Sohn soll nicht zu seiner mame halten! Ts, ts. Hat man so was schon gesehen? Ich habe dich geboren, im Lager, großgezogen, allein, mich aufgeopfert. Ich habe mir was gegönnt? Alles hab ich für dich getan, und das ist der Dank! Geh nur. Lass mich hier verrecken.“. Nachdem der Sohn daraufhin einwilligt mit der Ärztin zu reden: „Bist doch mein bubele, bist doch das Beste, was ich habe.“.
Eine Geschichte im Spannungsverhältnis zwischen Lieben und Nicht-Genügen. Aber auch eine Geschichte voller Humor und warmherziger Momente, trotz aller Verletzungen. Eine Geschichte zweier Menschen, die es vielleicht nie geschafft (oder zugelassen) haben, sich gegenseitig wirklich zu verstehen.
Wieder einmal ein wundervolles Buch von Bergmann.
I'm a septic tank half full kind of guy / got a twinkle in my eye / that I've been told is just astigmatism / I've got a s-skip in my step like / the undead half risen
Momentan gibt es echt extrem viele Bücher über Mütter und intergenerationales Trauma.
Klingt auf jeden Fall sehr spannend, Larry.
Heavy Rotation → ◉ Fleetwood Mac - Tango in the Night ◉ Bonobo - Black Sands ◉ The Decemberists - As It Ever Was, So It Will Be Again ◉ Interpol - Our Love to Admire ◉ Skeewiff - Something Like That?
Schöne spannende Geschichte, angenehmer Schreibstil mit angesichts des Szenarios glaubhaften Dialogen (Gerade bei Zombiegeschichten sind die Dialoge öfter mal grausam. Entweder sprechen 60% pseudocoolen Schwachsinn und die restlichen 40% sind die Naivität in Person oder alle Protagonisten reden so geschwollen sachlich wie 55-jährige vollbarttragende Geschichtslehrer, auch wenn es 13-jährige Teenagerinnen sind.) und einem Happy End. Was will man mehr? Den Silberfisch werde ich jedenfalls bei Gelegenheit auch in Angriff nehmen.
Oha! Vielen lieben Dank!
Dialoge sind unheimlich schwer. Das merke ich auch immer wieder bei meiner Lektoratskundschaft. Vielleicht schreibe ich mal einen Artikel drüber für eine der zahllosen Kreatives-Schreiben-Zeitschriften.
You all want the whole world to be changed so you will be different.
"Das perfekte Dinner" als Roman (no front gegen das perfekte Dinner, das völlig zurecht eine Fernseh-Institution ist).
Leider sprachlich sehr verhuscht, ich habe des Öfteren die Konzentration verloren. Gleichzeitig passiert irre wenig.
Pathetisches, pseudo-intellektuelles Blabla der heutigen Zeit wird wunderbar entlarvt und ich musste oftmals schmunzeln. Gleichzeitig gefällt sich das Buch in dieser Entlarvung aber auch eine Spur zu sehr.
Heavy Rotation → ◉ Fleetwood Mac - Tango in the Night ◉ Bonobo - Black Sands ◉ The Decemberists - As It Ever Was, So It Will Be Again ◉ Interpol - Our Love to Admire ◉ Skeewiff - Something Like That?
Siegfried Lenz: Der Überläufer (1951/2016) Lenz ist nicht unbedingt mein Lieblingsautor, doch ab und zu lese ich ihn ganz gerne; hier steht mittlerweile einiges herum. 1951 weigerte sich Hoffmann und Campe, das Buch zu veröffentlichen, weil dem Verlag das Thema im Kalten Krieg zu heikel war (ein Wehrmachtssoldat läuft zu polnischen Partisanen über und landet dann nach dem Krieg in der DDR). Das war es aber schon mit Sensationen. Habe die knapp über 300 Seiten zwar recht rasch verschlungen, weil die Geschichte doch recht spannend ist, aber mich stört die hölzerne Konstruktion (klar, passieren einem im Leben manchmal gar unglaubliche Zufälle, aber fünf oder sechs in kürzester Zeit? Fast so unglaubwürdig wie "David Copperfield"), trockene innere und äußere Monologe mit hohem Faselanteil ... und natürlich - Kind seiner Zeit - wie plump und fast übergriffig ein Mann eine wildfremde Frau anbaggert, die dann natürlich später trotzdem mit ihm vögelt. In neun von zehn Fällen bekäme man heutzutage dafür in die Eier getreten (außer vielleicht auf irgendwelchen debilen Partymeilen), und zwar zurecht. Kann man lesen, ist aber kein Muß. Echt nicht.
Art Spiegelman: Maus
(1986)
Da ich eigentlich kein Comicleser bin, dauerte es sehr lange, bis ich diese Bildungslücke mal geschlossen habe; dieser Band beeinhaltet beide Teile und war ein Spontankauf. Es ist nicht nur die Geschichte eines Auschwitzüberlebenden, sondern auch die Aufarbeitung eines komplett gestörten Vater - Sohn - Verhältnisses in der damaligen Gegenwart der 70er Jahre. Die Gestaltung ist sehr beeindruckend, und von wegen "Comics lesen sich locker weg": ich hab an drei Tagen jeweils mehrere Stunden dafür gebraucht, und ich lese mittlerweile nicht mehr langsam. Hat zwar einige Längen, aber es kommen immer wieder Momente, in denen man es nicht mehr aus der Hand legen kann. Sollte man auch nach Möglichkeit im Original lesen, das klappt recht problemlos; auch wenn Vladek Spiegelman als polnischer Jude in den USA immer noch ein holpriges Englisch spricht, das 1:1 trankribiert wurde. Also: englisch LERNEN sollte man damit lieber nicht.
We don't believe in anything we dont stand for nothing. We got no "V" for victory cause we know things are tougher.
(Iggy Pop/James Williamson: "Beyond The Law")
---------------------------------------------------------------- From the river to shut the fuck up.
Spielt am 31. Juli 1914 in Wien, kurz vorm Auslaufen des deutschen Ultimatums. Wir begleiten Hans, Adam und Klara an diesem Tag durch die Stadt.
Edelbauer hat eine wunderschöne Sprache und schafft es vor allem, Wien perfekt in ihrem Buch einzufangen. Wenn man mal in Wien gelebt hat, erkennt man die Stadt so unverkennbar wieder - sowohl in Bezug auf reale Orte als auch auf ihre Atmosphäre.
Ich hätte mir allerdings mehr Raum für den drohenden Krieg gewünscht. Das war aus meiner Sicht der interessanteste Aspekt des Buches, der aber zunehmend durch die Parapsychologie verdrängt wurde - die für sich auch ein spannendes Thema ist, aber beides auf einmal war etwas zu viel des Guten. Da wäre mir ein Roman zur Parapsychologie, der zu einem anderen Zeitpunkt als dem 31. Juli 1914 spielt, lieber gewesen. Oder eben ein Roman, der sich nur mit dem nahenden ersten Weltkrieg auseinander setzt.
Gestört hat mich auch, dass zwei von drei Protagonist*innen aus niedrigen sozialen Schichten kommen, aber dennoch höchst intellektuelle Diskussionen führen können. Das ist ja alles möglich, aber gerade zu der Zeit doch eher die Ausnahme gewesen. Und dann treffen sie sich auch noch durch Zufalll? What are the odds? Hans bleibt dabei besonders schief umrissen, weil er teilweise extrem tiefe, anspruchsvolle Gespräche führt, andererseits dann aber gar nicht mal so anspruchsvolle Begriffe nicht kennt oder nicht einordnen kann. Mir war bis zum Schluss nicht klar, was Hans intellektuell zuzutrauen ist und was nicht.
Doch egal: das Buch hat mir dennoch wahnsinnig Spaß gemacht und es steht meiner Meinung nach zurecht auf der Longlist des deutschen Buchpreises.
Satoshi Yagisawa - Die Tage in der Buchhandlun Morisaki
Takako wird von ihrem Freund verlassen, verliert ihren Job und zieht daraufhin in das Antiquariat ihres Onkels im Viertel Jimbō-chō, in dem sich Buchhandlung an Buchhandlung reiht. Während sie ihre Depression verdaut, trifft sie auf einige wenige Nebencharaktere, vor allem in einem Café in der Nähe. Habe ich an einem Tag weggelesen. Keine anspruchsvolle Literatur, aber so ungefähr das Äquivalent zu einem sonnigen und gleichzeitig kühlem Herbsttag, an dem man sich mit einer großen Tasse Tee auf dem Sofa einmurmelt.
Heavy Rotation → ◉ Fleetwood Mac - Tango in the Night ◉ Bonobo - Black Sands ◉ The Decemberists - As It Ever Was, So It Will Be Again ◉ Interpol - Our Love to Admire ◉ Skeewiff - Something Like That?
"Alles, was wir geben mussten" von Kazuo Ishiguro. Harter Tobak, aber das wusste ich auch vorher schon, weil ich die Verfilmung gesehen hatte. Die im direkten Vergleich etwas nahbarer ist, zumindest habe ich sie so in Erinnerung. Der Roman ist aber auch sehr gut.
Endlich diesen Klassiker mal gelesen; die erste Hälfte ist extrem unterhaltsam wegen des milden bis extrem beißenden Spotts, mit dem der Erzähler die High Society dieser Zeit schildert; in der zweiten Hälfte wird es dann tragisch, aber immer noch packend. Es ist eigentlich eine Liebesgeschichte, die an Klassenunterschieden scheitert. Auch damals schon kein neues Thema, aber durchaus bewegend. Kann man mal lesen: ich war in drei Tagen durch und streckenweise sehr amüsiert und völlig begeistert.
We don't believe in anything we dont stand for nothing. We got no "V" for victory cause we know things are tougher.
(Iggy Pop/James Williamson: "Beyond The Law")
---------------------------------------------------------------- From the river to shut the fuck up.
Endlich diesen Klassiker mal gelesen; die erste Hälfte ist extrem unterhaltsam wegen des milden bis extrem beißenden Spotts, mit dem der Erzähler die High Society dieser Zeit schildert; in der zweiten Hälfte wird es dann tragisch, aber immer noch packend. Es ist eigentlich eine Liebesgeschichte, die an Klassenunterschieden scheitert. Auch damals schon kein neues Thema, aber durchaus bewegend. Kann man mal lesen: ich war in drei Tagen durch und streckenweise sehr amüsiert und völlig begeistert.
eins meiner absoluten lieblingsbücher. hab ich, glaube ich, schon dreimal gelesen.
Der sehr früh verstorbene Thomas Strittmatter mit einem sehr kurzen szenischen Theaterstück über Antisemitismus in seiner schwarzwälder Heimat, dazu noch das Drehbuch der darauf basierenden Verfilmung von 1999 von Didi Danquart. Liest sich beides sehr packend und bedrückend, wobei der Film ein unwesentlich versöhnlicheres Ende hat als das sinistre Stück. Zumindest vordergründig.
We don't believe in anything we dont stand for nothing. We got no "V" for victory cause we know things are tougher.
(Iggy Pop/James Williamson: "Beyond The Law")
---------------------------------------------------------------- From the river to shut the fuck up.
Ein stiller Roman über einen Bienenzüchter zwischen den Fronten in der grauen Zone im Donbass (so etwa 2015 oder so). Manchmal tragikomisch, manchmal eher gemächlich, aber immer ein interessanter Einblick in den Konflikt.
Monika Helfer - Die Jungfrau
Ich bin ja großer Helfer-Fan und fand die Trilogie über ihre Familie großartig. Auch dass hier über eine enge Freundin ist sehr gut zu lesen - "Löwenherz" über ihren Bruder fand ich noch einmal bewegender, aber das kann man ja auch nicht bei jedem Buch erwarten. Wenn jemand eins lesen will, dann aber Löwenherz oder mit der Bagage beginnen. Gern lesen würde ich noch eins über Michael Köhlmeier, ihren Mann.
Fischer - Paradise Garden
Guter Buchpreisnominierter Coming-of-Age-Roman. Das Strickmuster kennt man natürlich, es ist aber eine gute Version. Ein Mädchen aus armen Verhältnissen, ein unbekannter Vater, eine rumänische Großmutter, ein einschneidendes Ereignis, ein Roadtrip durch Deutschland. Kann man gut lesen.
Schulman - Verbrenn all meine Bücher
Mich hatte schon "Die Überlebenden" sehr beeindruckt, eine rückwärts erzählte Geschichte über drei Brüder mit einer wuchtigen Auflösung am Schluss. Auch das hier hat alles, was ich mag, sowohl im Ton als auch von der Geschichte. Der Autor fragt sich, wo seine Wut herkommt, und erforscht die Geschichte seiner Großeltern. Eine Dreiecksgeschichte mit einem berühmten, autoritären Großvater, psychologisch anspruchsvoll. Basiert zum guten Teil auf realen Literaten.