Gass: Mittellage Ein mittelmäßiger Österreicher schwindelt sich in den USA eine Biographie zusammen, wird in den USA Musikprofessor an einer mittelmäßigen Uni und lebt ein unscheinbares Leben mit seiner Mutter im Haus. Hat mir gut gefallen.
Technisch gesehen ist das Buch eine Frechheit. Es sind haufenweise haarsträubende Böcke drin, die im Buchverlauf gefühlt sogar noch zunehmen. Keine Ahnung, ob da das Korrektorat gepennt hat oder beim Drucksatz was schiefging, es tauchen immer mal wieder falsche Wörter auf, die in einem Satz überflüssig sind, es sind Sätze komplett durcheinandergewürfelt und ständig einzelne Wörter falsch geschrieben. Das stört nicht nur den Lesefluß kolossal, man kommt sich auch verarscht vor. Wenn der Verlag das gewußt hat und hat die Dinger trotzdem für 25 Eu rausgehauen, ist das dreist. Ich würde mich schämen, sowas zu veröffentlichen. Aber HEYNE ficht das offensichtlich nicht an. Inhaltlich ist das Buch so unterhaltsam wie erhofft. Phil Collins ist trotz diverser musikalischer Abscheulichkeiten nun mal grundsympathisch, und einen Großteil des Buches las ich mit einem zufriedenen Schmunzeln. Wer also keine Berührungsängste hat, kann getrost zugreifen, allerdings würde ich unter den Umständen die Taschenbuchausgabe abwarten. Fuck you, HEYNE.
Dass Phil Collins interessantes zu sagen hat, kann ich mir gut vorstellen, Hörbuch im Original wäre vielleicht eine Option. Wobei ich doch noch ein wenig zum (an anderer Stelle eingeforderten, habe ich das richtig verstanden?) Collins-bashing beitrage möchte: Beim Live-Aid ist er am selben Tag sowohl in London als auch in New York aufgetreten (dank Concorde-Flug, was aus heutiger Sicht klimabilanzmäßig bedenklich ist, aber darauf will ich im Moment gar nicht hinaus). In London warf er als erstes sein Handtuch mit großem Aufdruck eines Sportartikelherstellers auf den Flügel, was man noch als Zufall durchgehen lassen konnte. In New York dann die gleiche Aktion... Damit hat er viele Minuspunkte bei mir erworben. Die Soloplatten nach der ersten wirkten dem auch nicht gerade entgegen.
1997 habe ich zusammen mit einem Kollegen für den Heyne-Verlag einen juristischen Ratgeber geschrieben und ihn als luxus-Verlag empfunden. Es gab ordentlich Kohle, viel Zeit und das Lektorat war noch, wie man es sich mal vorstellte: Dass man als Autor um jede Formulierung kämpfen muss: Meine Beispielsfigur Bruno Brimbrom benannten sie in Hans Mustermann um, ohne das Konzept der alphabetischen Namensgebung in der Reihenfolge des Auftretens zu beachten... Leider wurde die Ratgeberreihe kurz danach eingestellt, ich weiß nicht, ob es an uns lag. Etwas später bei der downmarket-Konkurrenz von Walhalla (keine Ahnung, ob es den Verlag noch gibt) sah es schon viel geld- und zeitmäßig schon trister aus und das Lektorat beschränkte sich darauf, Tabellen durcheinanderzubringen. Ich habe bei der Vorbereitung für die vierte Auflage noch Rechtschreibfehler gefunden, die seit der ersten drin waren.
Zum Thema:
Ich lese ja ausschließlich Bücher von Leuten die in Bands gespielt habe. Zuletzt waren das:
Ein Roman über eine Hair Metal Band: Wer könnte sich da zurückhalten? Zugegeben, wenn der Autor nicht mit mir in die Kollegstufe gegangen wäre, hätte ich diese Veröffentlichung nicht wahrgenommen. Wobei ich zu unseren Schulzeiten nicht wusste, dass er in einer Band spielte, die später tatsächlich einen Vertrag mit Intercord hatte. Wenn man seine Jugend im München der 1980er-Jahre verbracht hat, liest sich das wie ein Schlüsselroman: Vom Schul-Hilshausmeister bis zum duschfreudigen Basketballvereinspräsidenten ist vieles so erschreckend wahr, dass man hofft, dass wenigstens die geschilderten sexuellen Erfahrungen erfunden sind. Liest sich jedenfalls leicht und man kann auch dazulernen, in meinem Fall z.B. über den Glamrock-Einfluss auf Hair Metal. Weitgehend netter Humor, nicht immer frauenfreundlich. Für den Literaturnobelpreis würde ich es jetzt nicht vorschlagen.
J.B. Morrison (Jim Bob von Carter The Unstoppable Sex Machine) - Frank Derrick's Holiday of a Lifetime (2015)
Fortsetzung von 'The Extra Ordinary Life of Frank Derrick, Age 81', das ich Interessierten zunächst empfehlen würde (und davor 'Storage Stories'). Sympathische Figuren, milder, leicht melancholisch und sozialkritisch angehauchter Humor. Den ersten Teil fand ich etwas beeindruckender, da war das Konzept, dass die Senioren von heute, insbesondere im UK, popkulturaffin sein können, noch etwas frischer. Mit passablen Englischkenntnissen recht gut im Original zu lesen, ab und an war ein Griff zum Wörterbuch hilfreich ('milk float', 'prenup').
Gass: Mittellage Ein mittelmäßiger Österreicher schwindelt sich in den USA eine Biographie zusammen, wird in den USA Musikprofessor an einer mittelmäßigen Uni und lebt ein unscheinbares Leben mit seiner Mutter im Haus. Hat mir gut gefallen.
Für mich hört sich das granatenmäßig langweilig an.
Schon das Cover ist so wunderbar reduziert, dass ich mir gut vorstellen kann, dass das Buch sehr lesenswert ist. Ich musste bei der Beschreibung spontan an "Stoner" denken, eins meiner Lieblingsbücher der "letzten Jahre".
"Happy Holidays... is what terrorists say. Merry Christmas, from Avery and Jack."
Grad mal geguckt, leider gibt es noch keine Taschenbuchausgabe, und angesichts der Beschreibungen des Stils könnte mir da im Original doch einiges verloren gehen. Damit landet es wohl erstmal auf dem Wunschzettel. Der Stapel der ungelesenen Bücher hier wird sowieso immer höher.
"Happy Holidays... is what terrorists say. Merry Christmas, from Avery and Jack."
Sehr schönes und angenehm zu lesendes Buch vom In Extremo-Bassisten. Beschreibt die Jahre 1985 - 1987 eines Schülers/Studenten und Hobby-Musikers in der DDR.
Ich durfte Anfang des Jahres den zweiten Fall von Melisa Schwermers Ermittler Fabian Prior bearbeiten. Da hab ich Blut geleckt und mir den ersten Band der Reihe besorgt. Mellisa schreibt spannende Thriller, die in Frankfurt und Umgebung spielen, aber nicht den Ruch des Regionalkrimis haben. Spannend sind die Bücher, hart, wo es nötig ist, mit tollen Figuren und recht guten Plots. "So bitter die Schuld" führt nach dem grausamen Mord an einem jungen Mann in die düstere Kinderheim-Vergangenheit verschiedener Freunde und Wegbegleiter dieses Mannes. Funktioniert gut und liest sich sehr kurzweilig.
Im zweiten Band erzählt Schwermer die Geschichte von Sophie, die nach einer rätselhaften Entführung plötzlich wieder vor der Tür ihrer Eltern auftaucht, aber seltsam verändert wirkt. Wie es dazu kam und was noch alles folgt, ist überraschend und sehr unterhaltsam.
Nachdem ich im Urlaub wider Erwarten doch zum Lesen gekommen bin, und ich mit Eugen Ruges "In Zeiten abnehmenden Lichts" (schön geschriebene DDR-Familiengeschichte über vier Generationen, durch die nicht-lineare Erzählweise, jeweils aus der Perspektive der sieben Protagonisten, wird wunderschön herausgearbeitet, wie wenig diese Menschen, die sich doch eigentlich nahestehen, teilweise auch lieben, sich verstehen - was auch daran liegen mag, dass sie sich selber eigentlich durch die Bank belügen) und Yuval Noah Hararis "Eine kurze Geschichte der Menschheit" (unglaublich informativ, dabei flüssig lesbar wie nur was (natürlich populärwissenschaftlich), einziges Haar in der Suppe ist der Blick in die Zukunft gegen Ende - den hätte er sich sparen dürfen) nicht hinkam, habe ich mir auf einem Flohmarkt Karl Mays "Der Schatz im Silbersee" gekauft - mein erster May seit fast 25 Jahren. Sofort werden die Erinnerungen wach, ich mag die umständliche Sprache, den Raum, den er sich für Beschreibungen nimmt. Das trägt maßgeblich zum stimmungsvollen Charakter des Buches bei. Die Handlung wäre potentiell spannend, wenn nicht die Guten einfach nur gut, edel, körperlich und geistig vollkommen überlegen und charakterlich über jeden Zweifel erhaben wären. Wie soll Spannung aufkommen, wenn die Helden sowieso unantastbar sind? Trotzdem natürlich eine schöne Kindheitserinnerung.
"Happy Holidays... is what terrorists say. Merry Christmas, from Avery and Jack."
Ja, ich habe Karl May vor zwei, drei Jahren dem Junior vorgelesen, das war ein ähnlicher Effekt.
Wenn Dir der Ruge gefällt (den ich ok fand, aber es blieb nicht viel hängen, an die für mich ganz guten Bücher erinnere ich mich immer länger), vielleicht doch noch mit Mittellage probieren.
ich habe gestern band zwei von "trauma und die folgen" von michaela huber fertig gelesen. das ist eingentlich literatur für psychotherapeutinnen, aber druchaus hilfreich, um zu verstehen, was trauma und PTSD eigentlich sind. falls jemand interesse an diesem thema hat: schwere empfehlung meinerseits. danach habe ich "wie man mit fundamentalisten argumentiert, ohne den verstand zu verlieren" angefangen. ich muss da sehr mitdenken und aufmerksam lesen, obwohl ich von logik und argumentation eigentlich schon auch ahnung habe.
Zitat von beth im Beitrag #748ich habe gestern band zwei von "trauma und die folgen" von michaela huber fertig gelesen. das ist eingentlich literatur für psychotherapeutinnen, aber druchaus hilfreich, um zu verstehen, was trauma und PTSD eigentlich sind. falls jemand interesse an diesem thema hat: schwere empfehlung meinerseits.
ja, sehr. vor allem band 1 ist sehr zu empfehlen. es liest sich flüssig und schnell, ist im generisches femininum geschrieben und richtet sich an betroffene und therapeutinnen. die schlimmen stellen sind kursiv. wenn triggergefahr besteht, kann man die einfach auslassen. bei band zwei handelt es sich wirklich um ein handbuch für traumatherapeutinnen und es werden vor allem verschiedene methoden der traumaintegration beschrieben.