Auch, daß im Nachruf auf eine Sängerin die Musik als eventuelle Inspirationsquelle überhaupt keine Rolle mehr spielt und die Musikzeitschrift, die diesen druckt, das nicht einmal zu bemerken scheint? Daß ihr eine "Freundin" ihr mit diesem Nachruf einen Bärendienst erweist, weil sie sie nur auf ihr Aussehen reduziert, was auch kaum einer zu bemerken scheint? Sogar als weißer, mittelalter Mann muß ich die zunehmende Verinfluencerung der Gesellschaft nicht kommentarlos hinnehmen, damit niemand merkt, daß ich ein weißer, mittelalter Mann bin. Und ich glaube auch, daß das Oberflächliche sogar in den gerne als solche geschmähten 1980er - Jahren noch lange nicht so ausgeprägt war wie heute, und sei es nur aus Mangel an technischen Möglichkeiten. Joh, leb wohl. Deine Musik war zwar scheiße, aber immerhin hattest du eine tolle Frisur.
We don't believe in anything we dont stand for nothing. We got no "V" for victory cause we know things are tougher.
(Iggy Pop/James Williamson: "Beyond The Law")
---------------------------------------------------------------- From the river to shut the fuck up.
Davon abgesehen geht mir der Umstand, daß man als weißer, mittelalter Mann offenbar keine Kritik an zeittypischen Phänomenen mehr üben kann, ohne automatisch in ein Querulanteneck verfrachtet zu werden, mittlerweile genauso auf den Zünder wie die "früher war alles besser" - Fraktion eben jener. Man darf ruhig zugeben, daß man nicht mehr alles versteht, was die Jugend heutzutage gut findet, ohne jede gequirlte Scheiße mit Hinweis auf das eigene Alter durchwinken zu müssen.
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Ich (mindestens mittelalter weißer Mann) sehe Unterschiede zwischen "das verstehe ich nicht" oder "das halte ich für unsinnig" und "der Zustand der heutigen Populärkultur". Das sind halt so Verallgemeinerungen, die gerade der berechtigten Kritik einen Bärendienst erweisen (und bei Elke Heidenreich oder Dave Chapelle ähnlich bräsig sind). Haben deine Eltern das für inhaltlich wertvoll erachtet, was die Stooges veranstaltet haben? Zu wie viel Prozent ging es bei Glam Rock bzw. Hair Metal um Musik und zu wie viel Prozent um Frisuren und Klamotten? Ich glaube nicht an das "heute ist alles schlimmer"-Narrativ, genau so wenig wie an das "heute ist alles besser"-Narrativ. Es ist alles ziemlich genau so toll und bescheuert wie früher und demnächst.
"Happy Holidays... is what terrorists say. Merry Christmas, from Avery and Jack."
du glaubst nicht, dass die kommerzialisierung und damit entmenschlichung der popkultur weiter zugenommen hat? das halte ich, mit verlaub, für ziemlich blauäugig.
Klar gibt es diese Entwicklung. Und gleichzeitig ist die Popkultur nie diverser oder inklusiver gewesen, selten war sie offener für politische Probleme der Gegenwart. Das nicht zu sehen, ist mit Verlaub ein Scheuklappen- und Schwarzmalereiproblem.
"Happy Holidays... is what terrorists say. Merry Christmas, from Avery and Jack."
hab ich das irgendwo negiert? es ging mir in meinem posting ausschließlich um die ökonomischen aspekte. der identitätskram ist halt die nette kosmetik, um die wahren probleme zu verschleiern.
schon mal aufgefallen: nirgendwo kommen people of colour öfter vor, als in der werbung. auf dem weg ins kino bin ich die letzten tage immer wieder an einer riesigen mcdonalds-plakatwand vorbei gelaufen. lauter fröhliche, "diverse" menschen und der spruch dazu: "118 nationen, 1 team". schöner kann man es gar nicht darstellen. das hat zwar direkt nix mit popkultur zu tun, aber das ist das system dahinter. diversität und inklusivität kommen gut an, also kann man damit genauso gut burger wie pop verkaufen. klar, gibt es auch viele künstler, die es durch selbstermächtigung geschafft haben und sich nicht von den konzernen vereinnahmen lassen, aber die instrumentalisierung schreitet da genauso voran.
Zitat von gnathonemus im Beitrag #6877schon mal aufgefallen: nirgendwo kommen people of colour öfter vor, als in der werbung. auf dem weg ins kino bin ich die letzten tage immer wieder an einer riesigen mcdonalds-plakatwand vorbei gelaufen. lauter fröhliche, "diverse" menschen und der spruch dazu: "118 nationen, 1 team". schöner kann man es gar nicht darstellen. das hat zwar direkt nix mit popkultur zu tun, aber das ist das system dahinter. diversität und inklusivität kommen gut an, also kann man damit genauso gut burger wie pop verkaufen. klar, gibt es auch viele künstler, die es durch selbstermächtigung geschafft haben und sich nicht von den konzernen vereinnahmen lassen, aber die instrumentalisierung schreitet da genauso voran.
Das ist alles richtig, aber sagt es uns? Der Kommerz war schon immer gut darin, eigentlich begrüßenswerte Entwicklungen und Bewegungen zu kommerzialisieren, siehe Existenzialismus, Sexuelle Revolution, Punk, HipHop, Techno...
Werbung greift eben auf, was für eine bestimmte, möglichst solvente Zielgruppe derzeit als modern empfunden wird. Sie folgt dabei keinem Wertesystem - Faschismus, um ein Extrembeispiel zu nennen, würde ebenso funktionieren wie eine liberal-kosmopolitische Richtung. Gesamtgesellschaftlich würde ich derzeit schon eine Überbetonung von Diversität diagnostizieren, die vielleicht hin und wieder mehr gefällig als ehrlich daherkommt. Allerdings denke ich auch, dass das Pendelbewegungen sind, also ein Gegenlenken gegen die vorherige Marginalisierung, bei der die Übertreibung durchaus seine Funktion haben kann, so lange bis Maß und Mitte gefunden wird, mit denen Diversitätsthemen unaufgeregter behandelt werden können.
☟ smog in berlin. nichts wie hin. weil du mich küsst, bin ich kein tourist.
Zitat von Berthold Heisterkamp im Beitrag #6875Klar gibt es diese Entwicklung. Und gleichzeitig ist die Popkultur nie diverser oder inklusiver gewesen, selten war sie offener für politische Probleme der Gegenwart. Das nicht zu sehen, ist mit Verlaub ein Scheuklappen- und Schwarzmalereiproblem.
Da gebe ich meinen Vorrednern recht. Ich hatte mich schon vor Jahren gewundert, wo - verallgemeinernd gesagt - Menschen mit Migrationshintergrund in der Werbung bleiben, mittlerweile sind sie extrem präsent. Da glaube ich aber auch in vielen Fällen eher an das Umwerben einer bisher ignorierten Zielgruppe als an tatsächliche politische Anliegen. Wir hatten schon in den Nullern eine ethisch recht bunte Fußballnationalelf, trotzdem fanden Menschen mit Migrationshintergrund (sofern sie noch keinen Bekanntheitsgrad hatten) in der Werbung quasi nicht statt. Und plötzlich werden sie inflationär eingesetzt? Wer hat Unternehmen denn daran gehindert, das mit gesellschaftspolitisch gutem Willen bereits vor zehn Jahren zu tun? Doch nur, weil man keinen Bock auf dieses Bushidoklientel hatte. Aber mittlerweile sind die nicht nur selbstbewußter, sondern einige von denen tauchen im Fernsehen auf oder haben richtig Geld. Wer kann das schon ignorieren, wenn es um eine Selbstneuerfindung geht, die Profit abwirft?
We don't believe in anything we dont stand for nothing. We got no "V" for victory cause we know things are tougher.
(Iggy Pop/James Williamson: "Beyond The Law")
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Wieso seid ihr plötzlich bei Werbung? Egal, ich gebe Berthold 1000% recht. Musikalisch hat es nie nie nie ansatzweise eine so vielfältige, politisch interessierte, facettenreiche Zeit gegeben, weil endlich nicht mehr die ewig gleichen Leute ganz oben stehen.
Zitat von gnathonemus im Beitrag #6880ich denke, es ist nicht nur mein eindruck ist, dass der kommerz darin immer besser wird - im sinne von effektiver. (bezieht sich auf anorak twin)
Ich bekomme schon auch Bauchschmerzen, wenn ich eine Zeitungsanzeige sehe, in der ein Arbeitgeber damit wirbt, dass man bei ihm auch Karriere machen kann, wenn man nicht die Religion oder Hautfarbe der Mehrheitsgesellschaft hat, um dann in der Fußzeile zu sehen, dass es sich um einen Satanskonzern wie Amazon handelt. Andererseits gibt es Firmen wie Barilla (zumindest noch vor ein paar Jahren), deren seniler Seniorchef sich mit der Aussage hervortut, dass ihn die vielen Schwulen in der Werbung nerven und sich sein Unternehmen an traditionelle Familien wende, die Schwulen sollen doch andere Nudeln essen. Was ist schlimmer?
Zitat von G. Freeman im Beitrag #6882Musikalisch hat es nie nie nie ansatzweise eine so vielfältige, politisch interessierte, facettenreiche Zeit gegeben,
Ach. Ja, Wahnsinn.
We don't believe in anything we dont stand for nothing. We got no "V" for victory cause we know things are tougher.
(Iggy Pop/James Williamson: "Beyond The Law")
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Zitat von G. Freeman im Beitrag #6882Wieso seid ihr plötzlich bei Werbung? Egal, ich gebe Berthold 1000% recht. Musikalisch hat es nie nie nie ansatzweise eine so vielfältige, politisch interessierte, facettenreiche Zeit gegeben, weil endlich nicht mehr die ewig gleichen Leute ganz oben stehen.
1000%? mannmannmann ... . und was meinst du mit denen denen, die "ganz oben stehen" und wo? in den charts? bei den kritikern? oder in den nischenprogrammen, die du frequentierst? in den charts kannst du ja schon mal nicht meinen, oder? vielfalt kann ich da keine erkennen. ich will hier bestimmt keinen kulturpessimismus verbreiten. es gibt ja auch tatsächlich viel interessantes zeug, aber wer von diesen leuten kann sich mit der kunst/musik ein halbwegs anständiges leben ermöglichen. ich fürchte es sind nicht viele. (und darum ging es mir in meiner kritik)