Sehr ausführlich, und sehr interessant zu lesen. Ich bin aber der Meinung, dass das chinesische Modell nicht für Europa taugt. Es ist mit massiven Einschränkungen der individuellen Freiheit verbunden, was in China kaum jemanden zu stören scheint (Wohlstand steht da wohl über allem), in den meisten europäischen Ländern aber niemals akzeptiert würde.
Sehr gute Analyse. Man darf in diesem Kontext die enorme Strahlkraft des chinesischen Models auf ärmere Länder nicht unterschätzen, diesbezüglich wird China als Partner für diese Länder immer wichtiger, so dass der wirtschaftliche und politische Einfluss des Westens weiter sinken wird. Während die westliche Entwicklungszusammenarbeit oft auf symbolische Kleinprojekte konzentriert und trotz hohem finanziellen Aufwand kaum messbare Erfolge brachte, wandelt sich z.B. Äthiopien derzeit durch Kopieren des chinesischen Models in enger Zusammenarbeit mit China (und von dort mit Krediten gefördert) innerhalb von geplant 30-40 Jahren von einem der ärmsten Länder der Welt in einen Industriestaat (was übrigens auch die Behauptung widerlegt, die chinesische Unterstützung diene nur der Sicherung von Rohstoffen). Die Hälfte des Weges wurde dabei schon geschafft (trotz der schwierigen geopolitischen Lage des Landes und interner Konflikte), das Bruttoinlandsprodukt hat sich fast verzehnfacht und die Armutsrate trotz Bevölkerungswachstum von 44% (2000) auf 20% der Bevölkerung halbiert.
Ja, mit Äthiopien müsste man sich insgesamt mehr befassen: Strategisch wichtige Lage, über 100 Millionen Einwohner, regionale Militärmacht und rasante Wirtschaftsentwicklung, trotzdem bekommt man davon zumindest in Deutschland kaum etwas mit. Vermutlich liegt es auch daran, dass die Geschichte des Landes unserem genormten Weltbild in zwei Punkten widerspricht. Erstens war es nie Kolonie (außer einer kurzen Besetzung durch Italien), aber dafür im postkolonialen Afrika jahrzehntelang das ärmste Land, das widerlegt den Mythos, dass der Kolonialismus die Hauptursache für die Unterentwicklung Afrikas ist (aus dem ja die praktische moralische Schuld dahingehend konstruiert wird, dass wir schon aus historischen Gründen afrikanische Wirtschaftsflüchtlinge aufnehmen müssen). Zum anderen widersprechen die wirtschaftlichen Erfolge dem Credo, dass sich die ärmsten Staaten aufgrund der kapitalistischen Weltwirtschaftsordnung und der Globalisierung nicht aus der Armut befreien können. Das Gegenteil ist dabei wahr, ohne Integration in den Weltmarkt gibt es keine erfolgreiche Armutsbekämpfung.
Ich bin doch immer wieder darüber erstaunt, wie einfach deine Welt gestrickt zu sein scheint. Die gute wirtschaftliche Entwicklung eines Landes, beweist erstmal nur eins, die gute wirtschaftliche Entwicklung eines Landes. Damit aber auch gleich noch einen vermeintlichen Mythos und eine moralische Schuld zu widerlegen, Respekt. Grundsätzlich stimme ich deinem letzten Satz sogar zu, es sollte allerdings auf Augenhöhe stattfinden. Im Moment hat das von den sogenannten Industriestaaten eher etwas gönnerhaftes. Es reicht "uns", wenn es dem Rest der Welt nicht mehr ganz so scheiße geht.
Zitat von LFB im Beitrag #942... (aus dem ja die praktische moralische Schuld dahingehend konstruiert wird, dass wir schon aus historischen Gründen afrikanische Wirtschaftsflüchtlinge aufnehmen müssen). ....
Auch quasi eine indirekte Folge der US-Waffengesetze:
In Westminster/Colorado/USA hat gestern ein 7-jähriger die Pistole seiner Mutter gefunden und beim Spiel damit versehentlich seine 3-jährige Schwester erschossen. Die Mutter wurde festgenommen und ihr Sohn sowie ein weiteres Kind zur Obhut an das Jugendamt übergeben.
"Good taste is the worst vice ever invented" (Edith Sitwell)