Man muss aber sagen, dass es juristisch teils schwierig ist, jemanden tatsächlich wegen “so etwas“ auch zu verurteilen.
Als Beispiel nenne ich hier einmal den (einstimmigen) Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes vom 09. November 2011 (1 BvR 461/08)
Es ging um die strafgerichtliche Verurteilung wegen Volksverhetzung nach § 130 Abs. 2 Nr. 1a, Abs. 3, Abs. 5 StGB durch das Verbreiten von Schriften. Nennen wir die verklagte Person einmal X…
X übergab einem Gastwirt persönliches Informationsmaterial. Dabei ging es u.a. um Trauermärsche anlässlich der Bombardierung Magdeburgs und Würzburgs. Zudem gab es Kopien von Aufsätze des „Kampfbundes gegen Unterdrückung der Wahrheit in Deutschland“, u.a. zur „Geschichtslüge des angeblichen Überfalls auf Polen im Jahre 1939“. Im Zusammenhang mit dem Holocaust wurde darin behauptet, es sei wissenschaftlich erwiesen, dass es keine Gaskammern für Menschen gegeben habe. Ebenso wurde der Holocaust an den Juden als „Zwecklüge“ bezeichnet.
Der Gastwirt übergab die Unterlagen an die Polizei und X wurde vom Amtsgericht Sondershausen wegen Volksverhetzung in zwei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 100 Tagessätzen zu je 40,00 EUR verurteilt. Nach einer Berufung verurteilte das Landgericht X wegen Volksverhetzung in einem Fall zu einer Geldstrafe in Höhe von 60 Tagessätzen zu je 35,00 EUR. Das Oberlandesgericht verwarf die daraufhin erhobene Anhörungsrüge und Gegenvorstellung des Beschwerdeführers X.
X reichte einer Verfassungsbeschwerde ein wegen Verletzung seiner Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG. Das Bundesverfassungsgericht urteilte, dass die Urteile des Landgerichts und der Beschluss des Oberlandesgerichts den Beschwerdeführer in seiner durch Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleisteten Meinungsfreiheit verletzen.
DENN: Gegenstand des Schutzbereiches des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG sind Meinungen. Dies sind durch das Element der Stellungnahme und des Dafürhaltens geprägte Äußerungen. Sie fallen stets in den Schutzbereich von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG, ohne dass es darauf ankäme, ob sie sich als wahr oder unwahr erweisen, ob sie begründet oder grundlos, emotional oder rational sind, als wertvoll oder wertlos, gefährlich oder harmlos eingeschätzt werden (vgl. BVerfGE 90, 241 <247>; 124, 300 <320>).
Folglich fällt auch die Verbreitung nationalsozialistischen Gedankenguts als radikale Infragestellung der geltenden Ordnung nicht von vornherein aus dem Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG heraus (vgl. BVerfGE 124, 300 <320 f.>).
Nicht in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG fallen bewusst oder erwiesen unwahre Tatsachenbehauptungen, da sie zu der verfassungsrechtlich gewährleisteten Meinungsbildung nichts beitragen können (vgl. BVerfGE 61, 1 <8>; 90, 241 <247>).
ALLERDINGS: die Anforderungen an die Wahrheitspflicht dürfen nicht so bemessen werden, dass darunter die Funktion der Meinungsfreiheit leidet. Im Einzelfall ist eine Trennung der tatsächlichen und der wertenden Bestandteile nur zulässig, wenn dadurch der Sinn der Äußerung nicht verfälscht wird. Wo dies nicht möglich ist, muss die Äußerung im Interesse eines wirksamen Grundrechtsschutzes insgesamt immer als Meinungsäußerung angesehen werden. Andernfalls drohe eine wesentliche Verkürzung des Grundrechtsschutzes (vgl. BVerfGE 61, 1 <9>; 90, 241 <248>).
Bei Auslegung und Anwendung der die Meinungsfreiheit einschränkenden Vorschriften haben die Gerichte im Einzelfall dem eingeschränkten Grundrecht Rechnung zu tragen, damit dessen wertsetzende Bedeutung, die in der freiheitlichen Demokratie zu einer grundsätzlichen Vermutung für die Freiheit der Rede in allen Bereichen führen muss, auch auf der Rechtsanwendungsebene gewahrt bleibt.
Allein die Wertlosigkeit oder auch Gefährlichkeit von Meinungen als solche ist kein Grund, diese zu beschränken. Verboten werden darf mithin nicht der Inhalt einer Meinung als solcher, sondern nur die Art und Weise der Kommunikation, die bereits den Übergang zur Rechtsgutsverletzung greifbar in sich trägt und damit die Schwelle zu einer sich abzeichnenden Rechtsgutsverletzung überschreitet (vgl. BVerfGE 124, 300 <342>).
Das Bundesverfassungsgericht äußerte daher im Wortlaut so: „Die Äußerungen, die der Verurteilung zugrunde gelegt wurden, unterfallen noch dem Schutzbereich der Meinungsfreiheit. Zwar leugnen sie - wie von den angegriffenen gerichtlichen Entscheidungen zutreffend erkannt - das historische Gesamtgeschehen des Holocaust. Dieses insbesondere gegen die jüdische Bevölkerung gerichtete Massenvernichtungsunrecht ist aber eine geschichtlich erwiesene Tatsache, deren Leugnen folglich als erwiesen unwahr allein für sich betrachtet nicht dem Schutzbereich der Meinungsfreiheit unterfällt (vgl. BVerfGE 90, 241 <249>). Im Gesamtkontext der jeweiligen Aufsätze betrachtet sind die den Holocaust leugnenden Äußerungen vorliegend jedoch untrennbar mit Meinungsäußerungen verbunden. Der Aufsatz „Die Geschichtslüge des angeblichen Überfalls auf Polen im Jahre 1939“ bestreitet primär die Schuld Deutschlands am Ausbruch des Zweiten Weltkriegs und stellt insofern die Behauptung auf, dass dies eine Lüge der Nachkriegsgeneration, insbesondere der „BRD-Politiker“ sei. Die erste, den Holocaust leugnende Äußerung benutzt der Beschwerdeführer aber lediglich als Teil eines einleitenden Begründungsversuchs, warum die Nachkriegsgeneration Deutschland die alleinige Kriegsschuld zusprach. Auch die zweite, den Holocaust leugnende Äußerung der Aufsätze, steht zu den Grundthesen der fehlenden Kriegsschuld Deutschlands und der diesbezüglichen „Lügen der Nachkriegsgeneration“ in unmittelbarem Kontext. Diese Thesen sind ihrerseits aber als wertende Äußerungen vom Schutzbereich der Meinungsfreiheit umfasst (vgl. BVerfGE 90, 1 <15 f.>; 241 <249>).
Die Urteile des Landgerichts und der Beschluss des Oberlandesgerichts wurden gemäß § 93c Abs. 2 in Verbindung mit § 95 Abs. 2 BVerfGG aufgehoben. X erhielt eine Aufwandsentschädigung in Höhe von 8000 Euro zugesprochen.
An diesem Beispiel sieht man, dass "eine rechtsgerichtete Meinung" äußern oder den Holocaust leugnen nicht zwangsweise auch ein Straftatbestand sein muss... oft geht es um den genauen Kontext und den Grad der Verbreitung...
"Good taste is the worst vice ever invented" (Edith Sitwell)
Die letzten Sechs in der Playlist: Honeyglaze - Real Deal || Laura Marling - Patterns In Repeat || Nieve Ella - Watch It Ache and Bleed || Dawn Richard & Spencer Zahn - Quiet In a World Full of Noise || Flip Top Head - Up Like a Weather Balloon || Haley Heyndericks - Seed of a Seed
Ja. Aber ist doch Hauptstadt und damit repräsentativ. Bestimmt!
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Mit Überhangmandaten würde das so ganz knapp für Schwarz-Grün reichen. Für andere Konstellationen sähe es schlecht aus. Sollte der künftige CDU-Vorsitzende Merz heißen (bzw. Fo***n-Fritz), wären das bestimmt spannende Koalitionsverhandlungen.
☟ smog in berlin. nichts wie hin. weil du mich küsst, bin ich kein tourist.
Ich hoffe wirklich schwer, dass sich Merz durchsetzt. Mit Laschet geht das Gewürge doch weiter. Guter Mann, aber das Feindbild Merkel bleibt, und auch der Mythos, dass Merz es besser kann, dass er das Land und die Partei einen und die AFD pulverisieren kann.
Das sehe ich zwar ähnlich, allerdings wird weder mit Laschet, noch mit Spahn eine Regierungsbildung so schwierig wie mit Merz. Der passt eigentlich nur mit der FDP zusammen. Man kann zwar nicht ausschliessen, dass die SPD dumm genug wär, sich zu einer Dreier-Koalition zusammenzuschliessen, man kann ebensowenig ausschliessen, dass die Grünen zum zweiten mal beweisen wollen, wie schön es sich ohne Rückgrat lebt, aber mit dem parteilinken Laschet oder dem gänzlich prinzipienlosen Spahn liesse sich wesentlich einfacher eine Koalition herstellen. Aber wer weiß, vielleicht möchte es Julia Klöckner doch nochmal wissen…
☟ smog in berlin. nichts wie hin. weil du mich küsst, bin ich kein tourist.
Es ist doch nunmal so, dass jede(r) deren/dessen Herz links schlägt mit Linkspartei, Grünen und SPD drei Parteien zur Auswahl hat und nicht auch noch eine Fortsetzung der Merkel-CDU braucht, deren größte Fans übrigens fast ausnahmslos Grünenwähler/-innen sind. Wie gesagt, mit einer modernen konservativen CDU ist das Parteienspektrum wieder im Lot und das Dilemma gelöst, dass sich 30 bis 40% der Bevölkerung politisch nicht mehr wirklich vertreten fühlen und teilweise als vermeintlich geringstes Übel die AfD wählen.
Wer Möchtegernnazis der AFD wählt, bekommt Möchtegernnazis...so einfach ist das. Ein jeder kann inzwischen verfolgen, wie ein demokratischer Staat totalitär untergraben wird. Da braucht man nur über den großen Teich zu sehen. Da gibt's für mich kein Blatt Papier mehr zwischendrin. Wer AFD wählt, bereitet Nazis den Weg.
Das ändert nichts am Dilemma, dass ein Parteienspektrum mit vier mehr oder weniger linken Parteien (sowie der farblosen FDP) die berechtigten Interessen und legitimen Ansichten eines beträchtlichen Teils der Bevölkerung nicht mehr vertritt und auf Dauer ein massives Akzeptanzproblem bekommt. Ausgrenzung und Wählerbeschimpfung ist ein Teil der Ursache und nicht die Lösung der derzeitigen Probleme.
Ich frage mich, warum ich Threads wie diesen hier überhaupt noch öffne? Wann lerne ich endlich dazu?
Heavy Rotation → ◉ Fleetwood Mac - Tango in the Night ◉ Bonobo - Black Sands ◉ The Decemberists - As It Ever Was, So It Will Be Again ◉ Interpol - Our Love to Admire ◉ Skeewiff - Something Like That?
Zitat von LFB im Beitrag #911Das ändert nichts am Dilemma, dass ein Parteienspektrum mit vier mehr oder weniger linken Parteien (sowie der farblosen FDP) die berechtigten Interessen und legitimen Ansichten eines beträchtlichen Teils der Bevölkerung nicht mehr vertritt und auf Dauer ein massives Akzeptanzproblem bekommt. Ausgrenzung und Wählerbeschimpfung ist ein Teil der Ursache und nicht die Lösung der derzeitigen Probleme.
Wenn schon 5 Parteien, davon 4 bürgerliche nicht mehr ausreichen den Wählerwillen zu erfüllen, dann liegt das an der Tendenz von manchen Bevölkerungsanteilen den nächsten Führer zu wollen. Weder Politik noch das Leben ist ein Wunschkonzert. Wer AFD wählt, wählt Nazis...da hab ich inzwischen gar keinen Bock mehr zu diskutieren, weil die Anzeichen dafür klar und deutlich sind. Soll keiner am Ende sagen können, man hätte ihn/sie nicht gewarnt. Die Austritte aus der AFD waren ja nur der Anfang. Bei aller Kritik an den demokratischen Parteien: man kann ihnenen den Hang mancher Vollidioten zum Totalitarismus nicht in die Schuhe schieben.
Zitat von Krautathaus im Beitrag #913Bei aller Kritik an den demokratischen Parteien: man kann ihnenen den Hang mancher Vollidioten zum Totalitarismus nicht in die Schuhe schieben.
Naja, die Vollidioten mit Hang zum Totalitarismus haben sich bisher in anderen Parteien noch recht heimisch gefühlt, wo sie weit weniger aufgefallen sind. Auch wenn ich die AfD und ihre Ziele zutiefst ablehne, halte ich es doch für demokratischer, dass diese Kräfte in der Demokratie überhaupt sichtbar sind. CDU, SPD und Grüne sind doch weitgehend zu Gemischtwarenhändlern verkommen. Wenn ich CDU wähle, weiß ich nicht, ob am Ende mehr Laschet oder mehr Werteunion dabei rauskommt. Bei den Grünen stellt sich die Frage, ob es mehr Habeck oder mehr Kretschmann oder gar Palmer wird, und bei der SPD reicht die Spanne von Kühnert bis Sarrazin (oder meinetwegen Scholz, wenn's nicht ganz so schrill sein soll). Das wurde lange Zeit immer ganz toll gefunden, wie integrativ diese Parteien wirken, dabei sorgte es im Ergebnis dazu, dass immer weniger WählerInnen sich von den immer ähnlicher werdenden, stets den kleinsten gemeinsamen Nenner suchenden Parteien repräsentiert fühlen.
☟ smog in berlin. nichts wie hin. weil du mich küsst, bin ich kein tourist.