meine sottise hat u.a. auch den hintergrund, dass ich in letzter zeit einige male mit wahrhaft religiösen marktgläubigen zu tun hatte, die mir u.a. erklären wollten, dass sogar das krankenversicherungssystem in den USA noch viel zu reguliert sei, und bei wirklich konsequenter liberalisierung allen nur gutes brächte. ich bin beileibe kein planwirtschaftler, sehe aber die wahrheit wie bei so vielen dingen auch hier eher zwischen den extremen liegen.
dennoch würde ich gerne noch mal das thema reddit/gamestop/hedgefonds bumpen - ich bin mir jenseits meiner ungezügelten schadenfreude noch gar nicht schlüssig, wie ich das bewerten soll, und dankbar für jede halbwegs fachkundige meinung dazu.
nach kurzem einlesen, würde ich sagen: dummerjungenstreich, der kurz erheitert, weil er halt auch mal die arschlöcher trifft. ändern wird sich nix. wie halt nach jedem börsen-crash auch.
Zum Leerverkauf ein Beispiel: in einem Plattenladen verkauft der Händler per Versand einige Tonträger zu je EUR 30, ohne diese aber überhaupt selbst zu besitzen. Er leiht sich diese Tonträger nämlich zum Verkauf von einem anderen Händler für EUR 25 pro Stück quasi aus. Nach dem Verkauf rückt dann der Tag näher, an dem er dem anderen Händler eine entsprechende Zahl Tonträger zurückgeben muss. Um dies nun machen zu können, muss sich der Händler selber entsprechende Tonträger ankaufen.
Bei alledem spekuliert der Händler natürlich von Beginn an darauf, dass der Preis für die Tonträger bis zum Erfüllungszeitpunkt gesunken ist. Er sie sich also zwecks Rückgabe an den anderen Händler viel günstiger beschaffen kann; etwa für nur EUR 20. Dadurch profitiert der Händler also bei der Transaktion insgesamt vom Preisrückgang der Tonträger.
Ist der Wert der Tonträger bis zum Zeitpunkt der Rückgabe gefallen, muss der Händler eben einen geringeren Preis als den zahlen, den er bei dem Verkauf bzw. der Ausleihe erzielt hat. Er macht somit einen Gewinn. Ist der Preis jedoch derweil gestiegen, macht der Verkäufer natürlich einen Verlust, da er sich die Tonträger nun zwecks Rückgabe zu einem höheren Preis beschaffen muss.
Nun kommt auch noch das Termingeschäft ins Spiel. Dabei muss erst zu einem späteren Zeitpunkt ein Kunde überhaupt beliefert werden. Der Händler kann damit z.B. auch die für den anderen Händler neu benötigten Tonträger schon vor dem Termin der Fälligkeit neu kaufen und bei weiter steigenden Preisen Geld sparen. Oder eben den Terminkauf schon vor dem Realverkauf durch die Rückgabe der Tonträger wieder beenden.
Folglich sind Leerverkäufe im Kern lediglich Spekulationen auf Preisänderungen - beim Leerverkauf ist dies natürlich ein Preisrückgang. Beim Hedgegeschäft wird der Terminkauf von Waren zumeist auch durch einen Leerverkauf derselben Ware abgesichert. Leerverkäufe sind daher recht bedeutend für die Preisbildung an Terminmärkten.
Der Verkäufer hat jedoch beim Leerverkauf immerzu das Risiko zu tragen, dass er die Ware nur noch zu einem erhöhten Preis oder eben gar nicht mehr liefern kann.
Kommt es also nach solchen Leerverkäufen zu Kursanstiegen, passiert folgender Ablauf: 1. alle Leerverkäufer wollen ihre Verluste möglichst begrenzen. 2. Sie kaufen daher noch möglichst viel Ware möglichst günstig an. 3. dies führt zu einem weiteren Kursanstieg und erhöht die Verluste.
Im Fall von GameStop ist durchaus etwas passiert, was meiner stark vereinfachten Darstellung ähnelt. Der Hedgefond Melvin Capital hatte viel Geld in Leerkäufe der Aktien von GameSto investiert. Auch hier hoffte man also durchaus auf weiter sinkende Kurse, um die für den Verkauf nur geliehenen Aktien später viel günstiger als angekauft zurückgeben zu können.
Es hatten sich aber Anleger im Internet abgesprochen, die von den Hedgefond-Käufen etwas mitbekommen hatten. Man kaufte massenhaft Aktien des eigentlich stark angeschlagenen Unternehmens. Damit wollten sie den Hedgefond zwingen, die Aktien zur Vermeidung weiterer Verluste überteuert von den Privatanlegern anzukaufen. Ob man dies letztlich so machte, um den Hedgefonds zu schädigen oder sich so nur die eigenen Taschen zu füllen, sei einmal dahingestellt. Allein im Januar kletterte der Kurs von GameStop an der New Yorker Börse um 1700 %. Und der Wert der eigentlich „wertlosen“ Firma stieg so auf über 24 Milliarden an. Der Hedgefond Melvin Capital hingegen benötigte eine Kaution von 3 Milliarden Dollar, um nicht sogleich Bankrott zu gehen...
Der Handel wurde ausgesetzt. Denn viele vermuteten eben eine gezielte Marktmanipulation. Ähnlich wie bei GameStop wurden auch die Aktien der angeschlagenen Kinokette AMC angekauft. Trotz der Corona-Pandemie stieg deren Aktie ebenfalls in kurzer Zeit um 840 % an. Auch hier kassierten in einer gemeinsamen Aktion Anleger ab, indem sie so gezielt das Geld von Hedgefonds abzogen.
Letztlich arbeitet man dort natürlich mit den gleichen Mitteln. Da könnte man auch den hiesigen Drogenhandel dadurch schädigen wollen, dass man selbst ganz billig Drogen herstellt und überall vermarktet, um das gängige „Geschäftsmodell“ zu zerstören. Auch Ticket-Aufkäufer wollen ja nicht den Tickethandel schädigen, sondern durch per Ankauf geschaffene Knappheit die Tickets dann überteuert an jene verkaufen, die sie brauchen und denen die Zeit für den Kauf wegrennt.
Stellen wir uns wieder den Tonträger-Handel vor. Da verkauft jemand für 10 Euro (Selbstkostenpreis) eine Scheibe, weil er darauf spekuliert, dass die Preise fallen und er etwas später nur noch 7 Euro pro Stück dafür zu zahlen hat. Davon aber bekommt unser Forum nun Wind und schon beginnen wir alle, genau diesen Tonträger wie wild anzukaufen. Mit dem Ziel, dass der böse Händler uns die Ware dann teuer abkaufen muss, weil er sonst keine Möglichkeit mehr hat, seine Kunden zu beliefern. Kann man dann sagen, der Händler ist ein kapitalistischer Unmensch? Oder wäre auch unser Forum geldgeil? Am Ende läuft es ja doch nur darauf hinaus, dass man für etwas mehr verlangt, als man selbst dafür investiert bzw. geleistet hat. Eben ein Leben/Profit auf Kosten anderer.
"Good taste is the worst vice ever invented" (Edith Sitwell)
„Plattenladen verkauft der Händler per Versand einige Tonträger zu je EUR 30, ohne diese aber überhaupt selbst zu besitzen. Er leiht sich diese Tonträger nämlich zum Verkauf von einem anderen Händler für EUR 25 pro Stück quasi aus. Nach dem Verkauf rückt dann der Tag näher, an dem er dem anderen Händler eine entsprechende Zahl Tonträger zurückgeben muss. Um dies nun machen zu können, muss sich der Händler selber entsprechende Tonträger ankaufen.“
Nein, er leiht sie sich nicht für 25 Euro pro Stück aus :-)
ok, die Leihgebühr beträgt nicht EUR 25, sondern der Wert der Scheiben zum Zeitpunkt des Verleihs... Ist halt auch schwierig, Äpfel und Birnen bzw.Platten und Aktien zu vergleichen.
"Good taste is the worst vice ever invented" (Edith Sitwell)
Ich sehe es auch mit etwas Belustigung und bin auf der Seite von @gnathonemus .
In deutlich kleinerem Stil lief am Mittwoch eine ähnliche Aktion bei Nokia. Da habe ich zum Glück noch gegen 20:20 Uhr in der Bank-Community von gelesen und konnte meine Aktien nahe dem Höchstkurs verkaufen.
Zitat von tenno im Beitrag #1077ich bin sehr gespannt, wie das ausgeht. groß ist ja das geheul der wirtschaftsnahen publikationen ("unerfahrenes jungvolk, wird schon noch sehen, was es davon hat!"); mir als gutmensch mit nur marginalen volkswirtschaftlichen kenntnissen geht natürlich erst mal das robin-hood-herz auf, wenn die bösen hedgefonds mit eigenen waffen gehauen werden. allerdings würde ich mich doch über (relativierende und/oder bestätigende) stimmen kompetenterer forumsgenossen sehr freuen, bevor meine innere stimme zu so einer art gesundem volksempfinden gerinnt.
FAZ wie auch Handelsblatt haben das Thema auf den Meinungsseiten mit einem Pro und Contra abgehandelt. Man sollte sich immer vor Klischees hüten.
Im Konflikt um die Spekulationen mit Aktien des Videospielhändlers Gamestop an der US-Börse haben sich nun dortige Justizbehörden eingeschaltet.
Im Fokus steht u.a. die Handelsplattform Robinhood.
Die Justiz will herausfinden, ob bei den Beschränkungen des Handels mit Aktien von Gamestop alles mit rechten Dingen zugegangen ist. Scheinbar hätte es Absprachen von Hedgefonds mit Handelsplattformen wie Robinhood zur Abwehr von Bedrohungen der Marktdominanz geben. Robinhood hatte ja den Handel mit den Aktien phasenweise ausgesetzt. Nun steht der Verdacht im Raum, Robinhood habe dies zum Schutz der Hedgefonds so gemacht.
Durch die Handelsrestriktionen von Robinhood fühlten sich viele Kleinanleger ausgebremst.
Gegen Robinhood haben sich inzwischen über 26.000 Anleger einer Sammelklage angeschlossen. Robinhood hat einen Unternehmenswert von über 7 Milliarden Dollar. Damit entsteht eine neue Situation, die sich nicht mehr allein gegen Hedgefonds wendet, sondern gegen die Handelsplattformen, auf denen die Anleger agierten.
"Good taste is the worst vice ever invented" (Edith Sitwell)
Gibt ja auch noch gute Nachrichten. Die AfD ist jetzt ein Verdachtsfall beim Verfassungsschutz und Fidesz gehört nicht mehr zur EVP, schöner wäre allerdings gewesen wenn die EVP da aktiver gewesen wäre und im Besonderen die CDU/CSU.
Ich weiß nicht, wieviele echte Verbesserungen man erwarten darf, durch die Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz. Bisher haben die gründlichen Untersuchungen das ergeben, was ohnehin schon jede/r wissen kann.
☟ smog in berlin. nichts wie hin. weil du mich küsst, bin ich kein tourist.
Zitat von akri im Beitrag #1083Zum Leerverkauf ein Beispiel: in einem Plattenladen verkauft der Händler per Versand einige Tonträger zu je EUR 30, ohne diese aber überhaupt selbst zu besitzen. Er leiht sich diese Tonträger nämlich zum Verkauf von einem anderen Händler für EUR 25 pro Stück quasi aus. Nach dem Verkauf rückt dann der Tag näher, an dem er dem anderen Händler eine entsprechende Zahl Tonträger zurückgeben muss. Um dies nun machen zu können, muss sich der Händler selber entsprechende Tonträger ankaufen.
Bei alledem spekuliert der Händler natürlich von Beginn an darauf, dass der Preis für die Tonträger bis zum Erfüllungszeitpunkt gesunken ist. Er sie sich also zwecks Rückgabe an den anderen Händler viel günstiger beschaffen kann; etwa für nur EUR 20. Dadurch profitiert der Händler also bei der Transaktion insgesamt vom Preisrückgang der Tonträger.
Ist der Wert der Tonträger bis zum Zeitpunkt der Rückgabe gefallen, muss der Händler eben einen geringeren Preis als den zahlen, den er bei dem Verkauf bzw. der Ausleihe erzielt hat. Er macht somit einen Gewinn. Ist der Preis jedoch derweil gestiegen, macht der Verkäufer natürlich einen Verlust, da er sich die Tonträger nun zwecks Rückgabe zu einem höheren Preis beschaffen muss.
Nun kommt auch noch das Termingeschäft ins Spiel. Dabei muss erst zu einem späteren Zeitpunkt ein Kunde überhaupt beliefert werden. Der Händler kann damit z.B. auch die für den anderen Händler neu benötigten Tonträger schon vor dem Termin der Fälligkeit neu kaufen und bei weiter steigenden Preisen Geld sparen. Oder eben den Terminkauf schon vor dem Realverkauf durch die Rückgabe der Tonträger wieder beenden.
Folglich sind Leerverkäufe im Kern lediglich Spekulationen auf Preisänderungen - beim Leerverkauf ist dies natürlich ein Preisrückgang. Beim Hedgegeschäft wird der Terminkauf von Waren zumeist auch durch einen Leerverkauf derselben Ware abgesichert. Leerverkäufe sind daher recht bedeutend für die Preisbildung an Terminmärkten.
Der Verkäufer hat jedoch beim Leerverkauf immerzu das Risiko zu tragen, dass er die Ware nur noch zu einem erhöhten Preis oder eben gar nicht mehr liefern kann.
Kommt es also nach solchen Leerverkäufen zu Kursanstiegen, passiert folgender Ablauf: 1. alle Leerverkäufer wollen ihre Verluste möglichst begrenzen. 2. Sie kaufen daher noch möglichst viel Ware möglichst günstig an. 3. dies führt zu einem weiteren Kursanstieg und erhöht die Verluste.
Im Fall von GameStop ist durchaus etwas passiert, was meiner stark vereinfachten Darstellung ähnelt. Der Hedgefond Melvin Capital hatte viel Geld in Leerkäufe der Aktien von GameSto investiert. Auch hier hoffte man also durchaus auf weiter sinkende Kurse, um die für den Verkauf nur geliehenen Aktien später viel günstiger als angekauft zurückgeben zu können.
Es hatten sich aber Anleger im Internet abgesprochen, die von den Hedgefond-Käufen etwas mitbekommen hatten. Man kaufte massenhaft Aktien des eigentlich stark angeschlagenen Unternehmens. Damit wollten sie den Hedgefond zwingen, die Aktien zur Vermeidung weiterer Verluste überteuert von den Privatanlegern anzukaufen. Ob man dies letztlich so machte, um den Hedgefonds zu schädigen oder sich so nur die eigenen Taschen zu füllen, sei einmal dahingestellt. Allein im Januar kletterte der Kurs von GameStop an der New Yorker Börse um 1700 %. Und der Wert der eigentlich „wertlosen“ Firma stieg so auf über 24 Milliarden an. Der Hedgefond Melvin Capital hingegen benötigte eine Kaution von 3 Milliarden Dollar, um nicht sogleich Bankrott zu gehen...
Der Handel wurde ausgesetzt. Denn viele vermuteten eben eine gezielte Marktmanipulation. Ähnlich wie bei GameStop wurden auch die Aktien der angeschlagenen Kinokette AMC angekauft. Trotz der Corona-Pandemie stieg deren Aktie ebenfalls in kurzer Zeit um 840 % an. Auch hier kassierten in einer gemeinsamen Aktion Anleger ab, indem sie so gezielt das Geld von Hedgefonds abzogen.
Letztlich arbeitet man dort natürlich mit den gleichen Mitteln. Da könnte man auch den hiesigen Drogenhandel dadurch schädigen wollen, dass man selbst ganz billig Drogen herstellt und überall vermarktet, um das gängige „Geschäftsmodell“ zu zerstören. Auch Ticket-Aufkäufer wollen ja nicht den Tickethandel schädigen, sondern durch per Ankauf geschaffene Knappheit die Tickets dann überteuert an jene verkaufen, die sie brauchen und denen die Zeit für den Kauf wegrennt.
Stellen wir uns wieder den Tonträger-Handel vor. Da verkauft jemand für 10 Euro (Selbstkostenpreis) eine Scheibe, weil er darauf spekuliert, dass die Preise fallen und er etwas später nur noch 7 Euro pro Stück dafür zu zahlen hat. Davon aber bekommt unser Forum nun Wind und schon beginnen wir alle, genau diesen Tonträger wie wild anzukaufen. Mit dem Ziel, dass der böse Händler uns die Ware dann teuer abkaufen muss, weil er sonst keine Möglichkeit mehr hat, seine Kunden zu beliefern. Kann man dann sagen, der Händler ist ein kapitalistischer Unmensch? Oder wäre auch unser Forum geldgeil? Am Ende läuft es ja doch nur darauf hinaus, dass man für etwas mehr verlangt, als man selbst dafür investiert bzw. geleistet hat. Eben ein Leben/Profit auf Kosten anderer.
Sorry, aber: wenn sich ein Wirtschaftssystem so eine gequirlte Kacke ausdenkt, darf es sich nicht wundern, wenn es kollabiert.
Just a MF from hell.
Rotation:
Cindy Lee - Diamond Jubilee | Being Dead - Eels | Shellac - To All Trains
Zitat von zickzack im Beitrag #1091Gibt ja auch noch gute Nachrichten. Die AfD ist jetzt ein Verdachtsfall beim Verfassungsschutz und Fidesz gehört nicht mehr zur EVP, schöner wäre allerdings gewesen wenn die EVP da aktiver gewesen wäre und im Besonderen die CDU/CSU.