Wegen der großen Nachfrage wurde das zweite Konzert dieser Tour verlegt vom Schuhkarton Stereo Wonderland in den bisher selten (nie?) genutzten Club Subway (ein hübscher, gar nicht mal ranziger Kellerschuppen), der ca 200 Leute fasst und gut gefüllt war. Lohn für "Pop & Tod I + II", der mit großem Abstand bisher besten Platte, auf der die Band ihr Repertoir ja um Mehrfachgesang und schöne Harmonien erweitert hat. Auch live wird die Chefin, Sängerin und Songwriterin Stella Sommer flankiert von Orgel und Bass und zauberhaftem Gesang. Was nach wie vor fehlt, ist etwas mehr Variation bei Gitarrenspiel und vor allem Schlagzeug, das immer etwas dumpf vor sich hin poltert und die Musik so einfach immer noch im deutschen Indie-Korsett, der Vergleiche mit Tocotronic und ihren Epigonen einfach nicht vermeiden lässt, gefangen hält. Das ist wegen dieser Instrumentierung und vor allem der elegischen Grundstimmung der Songs natürlich selten wirklich packend, aber es war trotzdem ein gelungenes Konzert (mit Ausnahme des allerletzten Stücks "The End", das Sonja Deffner am Synthesizer mehrfach verpatzte, was dann auch die Band beim Harmoniegesang aus dem Konzept brachte). Vielleicht finden im Subway jetzt öfter Konzerte statt; das kann ich nur befürworten, da der für mich nur 10 Minuten Fußweg von zuhause entfernt ist.
“Troubled times, kids, we got no time for comedy.” (Phife Dawg)
Lollapalooza, Tag 2 (11.09.2016), Berlin, Treptower Park
nach 25 jahren, die ich jetzt konzerte besuche, war es für mich das erste festival dieser grösse, mit etwa 70.000 besuchern pro tag. schön, wenn man im reifen alter noch was neues erleben darf *hüstel*. über einen knappen kilometer, von einem ende zum anderen, gab es 2 hauptbühnen, 1 alternative-bühne und 1 perry-stage… zu letzterem muss ich sagen, wenn die auswahl der acts auf dieser bühne tatsächlich von perry farell vorgenommen wurde, muss dieser den musikgeschmack eines 13jährigen mädchens haben. das festival, in seiner ausgestaltung und organisation ist wirklich hervorragend, seine auswahl der acts zu 90% unterirdisch, zumindest für einen alten sack wie mich, der sich als schöngeist wähnt. ich hatte ich mit meinen 8 stunden festival mit 3 ausgewählten acts 3x wirklich viel spass und bereuhe, trotz nachträglicher schmerzen, vor allem in beinen und füssen, nichts.
bilderbuch, um 14.15 uhr war mein einstieg. besser hätte ich mir diesen kaum wünschen können. ich hab sie jetzt zum 5. mal gesehen und es macht immer wieder spass. gespielt wurde das gesamte letzte album - nicht mehr und nicht weniger. wie zuvor war nicht jede albernheit als solche beabsichtigt (die von sänger maurice ernst schon, die dusseligen rockposen des gitarristen michael krammer wohl eher nicht… aber okay - er ist ja noch jung), spielerisch gab es aber nichts zu meckern. ohnehin weiss ich show-qualitäten von bands zu schätzen.
danach hatte ich fast 2 stunden zeit, über das gelände zu streifen. die kulinarischen angebote waren geradezu endlos (natürlich zu festival-preisen), dazwischen schausteller, jahrmarktstbuden im vintage-stil und andere orte zum entspannen und verweilen an diesem heissen spätsommertag. am ganz anderen ende des festivals hatte ich dann die gelegenheit róisín murphy zu sehen. die hatte ich zuletzt im vergangenen winter gesehen und war damals eher wenig begeistert. diesmal gab es allerdings ein besseres album zu präsentieren und die spielzeit war mit 1 stunde begrenzt, womit keine übermässigen längen entstanden. róisín murphy präsentierte sich wieder als top-performerin (daran gab es auch beim letzten mal zuvor nichts auszusetzen). mit schrillen masken und kostümen liess sie eine lady gaga sehr bemüht aussehen - easy-does-it ist einfach cooler. moloko-songs, sowie songs aus dem overpowered-album wurden neu bearbeitet und klangen wunderbar frisch.
zu guter letzt hiess es: durchhalten. den langen marsch zurück zur hauptbühne, wo james blake (muss man wohl mögen, um nicht dabei einzuschlafen…) gerade sein set beendete, um für radiohead platz zu machen, nahm offenbar nicht nur ich auf mich. überhaupt verliessen deutlichwenig leute aus dem blake-publikum ihren platz als neue hinzukamen. das machte es einigermassen schwierig, noch einen akzeptablen stehplatz zu ergattern, von dem aus ich mich fast 2 stunden weder vor, noch zurückbewegen konnte, die es dauerte, bis ich knapp über 2 stunden lang das radiohead-konzert (mein insgesamt 8. in 19 jahren) bestaunen durfte. vergleiche über so viele jahre sind schwierig, aber ich würde diesen auftritt schon zu den besten zählen, die ich von denen gesehen habe. zumindest kann ich mit sicherheit sagen, dass ich diesmal die beste live-version von everything in its right place gesehen habe, ein stück von dem ich zuvor immer fand, dass es live nicht gut funktioniert. die neuen stücke funktionierten live ganz vortrefflich. insgesamt gab es stücke aus allen alben, bis auf amnesiac, mit schwerpunkt auf dem aktuellen album, gefolgt von in rainbows und ok computer. das line-up wurde, wie beim letzten mal, durch den portishead-drummer clive deamer erweitert. bei den älteren stücken verschwand der allerdings hinter der bühne. auf mehreren video-leinwänden gab es stilvoll überblendete einzelaufnahmen der musiker, was die show ein bisschen weniger statisch gestaltete, als es ohne diese der fall gewesen wäre. hier haben wir es doch mit einer band zu tun, die steht und spielt. ach, was soll ich da noch lange texten… wer die möglichkeit hat, radiohead auf dieser tour noch zu erwischen (die tour soll ja 2017 fortgesetzt werden), sollte die chance ergreifen, selbst wenn man dafür ein festival besuchen muss, dass einen sonst nicht aus dem haus gelockt hätte.
☟ smog in berlin. nichts wie hin. weil du mich küsst, bin ich kein tourist.
schöner neuer club. in einem neubau, sieht aber aus als gäb's den schon seit 50 jahren. und das keineswegs per shabby chic, sondern einfach mit ganz bodenständiger einrichtung ... und sympathischem personal.
die heiterkeit: enorm dazugewonnen seit ich sie das erste mal gesehen habe. sehr viel lockerer, nicht mehr ganz so todernst, aber nach wie vor so konzentriert, wie es die musik erfordert. am anfang haperte es duchaus noch am zusammenspiel und v.a. am harmoniegesang - ich dachte mir noch: kinder, könnt ihr nicht üben - aber schon beim ersten höhepunkt - überraschenderweise "weiße elster" - passte alles. und das ging so durch. auch bei "the end" als letzte zugabe: kein ausfall. begeisterung allorten.
Tourauftakt puenktlich zum neuen album, vorher zwei schlechte vorbands, deren namen ich mir nicht gemerkt hab, eine war zu langweilig, eine zu laut. Zumindest erstere fand bei warpaint-bassistin jenny lee anklang, die sich das ganze aus dem publikum anschaute.der club fuellte sich natuerlich erst zum hauptact. Vom grunge frueherer jahre war hier nicht viel zu spueren, die showbox ist eher chic, mit erhoehtem logenbereich und ueberkandidelter bar. Ich hab mit 8 dollar das teuerste bier meines lebens getrunken, war aber ein sehr gutes ipa.warpaint schliesslich waren sehr gut aufgelegt und auch aufgeregt, so richtig glatt lief nicht alles. Dem eskalationsfreudigen publikum - u.a. viele exaltierte taenzerinnen - machte das aber nichts aus. Gespielt wurden hauptsächlich neue songs, spaeter auch sachen vom selbstbetitelten album (love is to die, disco/very) sowie von der debut-ep (elephant, starz). Puenktlich nach 90 minuten war schluss.
AHHHHH!!! (Man lese einen lauten Schrei mit fröhlicher bis total euphorischer Färbung. Gerne ein bisschen hysterischer und höher, als ich normalerweise klinge.)
Das Konzert am Samstag war einfach wahnsinnig gut. Die Pitchies hatten Bock, das hat man deutlich gemerkt, das Set war abwechslungsreich & laut, der neue Song läßt Großes von der kommenden Platte erwarten. Einzig das ausverkaufte "Bett" war mal wieder ärgerlich -- man sollte meines Erachtens 50 Karten weniger verkaufen, dann hat das Publikum eine bessere Überlebenschance. Atmen fiel mit zunehmender Spielzeit immer schwerer und es ist nicht schön, wenn man allzu arg an die Rückwand des Ladens oder die hinter einem Stehenden gepresst wird. Nach erfolgreicher Befreiung aus der Masse konnte ich aber immerhin während zwei ausgiebiger Zugaben vom Bühnenrand aus Scheubi anschmachten; ein klarer Vorteil winzig kleiner Clubs!
Jetzt komme ich wohl mal wieder ein paar Tage nicht runter - was soll's: Nach 25 Jahren Bandgeschichte gibt es genug Musik der Band, mit der ich mich beschäftigen kann, bis ich Geld für das neue Album hab. (Oder bis endlich Scheubis Solo-CD hier ankommt. *schmacht*)
Madness + The Frits 04.10.16, Bochum, Ruhrcongress
Da meine Tagespläne ins Wasser gefallen waren, ich aber trotzdem rauswollte, kam es wie gerufen, dass ich nachmittags noch zufällig von diesem Konzert las. Also flugs ein Kärtlein gekauft, ausgedruckt und wenige Stunden später nach Bochum gefahren. Wer immer auf die Idee gekommen ist, Madness in diese überdimensionierte Halle zu buchen (5000 Menschen passen wohl rein), hat sich grob verkalkuliert. Halb voll war's maximal. Das hatte aber den Vorteil, dass wir alten Menschen und ein paar verstreute Vertreter der Jugend entspannt locker rumstehen konnten. Wer wollte, konnte noch während des Konzerts in eine der ersten Reihen flanieren.
Madness waren sehr gut. Altersgemäß kann man keine wilden Verrenkungen auf der Bühne mehr erwarten, aber da kommt immer noch eine Menge Freude beim Publikum an. Sound war ziemlich gut für diesen großen, halbleeren Raum, das Set bestand aus einem erwartbaren Best Of und ein paar verstreuten neueren Nummern, auch von der aktuellen Platte. Klingt gar nicht übel, muss ich mal antesten. Sehr befremdlich fand ich, dass zwischendurch der Gitarrist eine Karaoke-Version von "Highway To Hell" auf der Bühne darbot. Sollte vermutlich lustig sein. Spaßiger fand ich die Ansagen: "This next one is from our debut album which came out a long time ago. In 1953."
Im Vorprogramm spielten die Frits, eine deutsche Ska-Legende, die sich kürzlich reformiert hat. Waren mir vom Namen her ein Begriff. Guter Auftritt, klassischer Ska, fertig.
Die Jungs gaben vom ersten Ton an Vollgas. Balkanskapoppunk, oder so. Der Kula war voll und die ein Hälfte auch textsicher. Mein Bosnisch ist eher nicht vorhanden. Natürlich klingt das alles ähnlich, aber für zwei Stunden Party, tanzen und schwitzen, sind sie sehr gut geeignet.
03.10.2016 Okta Logue Kula Konstanz
Im Werbeflyer war von Pink Floyd die Rede. Da hat der Werbefuzzy, meiner Meinung nach, ein wenig hoch gegriffen. Ein paar gute Ideen, die aber selten ein Stück prägten, sondern eher in einem Soundbrei verschwanden. Ich müsste das nicht noch einmal haben. Wäre ich doch zu den Steaming Satellites in der Alten Schachtel gegangen...
06.10.2016 Isolation Berlin Kula Konstanz
Mein persönliches Highlight und zwar mit Abstand. Natürlich muss man die teils depressiven Texte mögen und Entertainer vor dem Herrn werden sie sicher auch nicht mehr. Ein Danke oder Merci zwischen den Stücken muss schon reichen. Ich hätte mit mehr Publikum gerechnet, aber mehr als 100-150 Leute waren es dann doch nicht.
supa war's. dass sie jetzt bei einigen stücken die orgel (oder auch "das trumm") einsetzen, finde ich ganz hervorragend. das setzt ein paar neuartige psychedelische akzente. überhaupt gehören viele der neuen songs zu den besten in ihrem repertoire. irgendwie gereifter, aber ohne den witz des alten materials zu verlieren, gerne auch mal schön albern wie beim "annoraaq" oder "venedig" und auch wieder ein paar schön hypnotische grooves wie beim "birnbam" oder beim "baaz". und cobra, den lambada hab ich nirgendwo rausgehört.
tja, zu spät. hattest du ein t-shirt mit "kultur in unterbrunn" an? wenn ja, dann sind wir uns mal kurz über den weg gelaufen. ich hatte ein monaco franze-shirt an.
Zitat von gnathonemus im Beitrag #359tja, zu spät. hattest du ein t-shirt mit "kultur in unterbrunn" an? wenn ja, dann sind wir uns mal kurz über den weg gelaufen. ich hatte ein monaco franze-shirt an.
Alles was gnathonemus dazu gesagt hat, kann man bedenkenlos unterschreiben. Lambada habe ich auch nicht rausgehört, aber an "Batucada" fühlte ich mich mal erinnert, vielleicht hat cobra das verwechselt.
Ergänzen könnte man noch, dass Kofelgschroa in den nächsten Monaten auf große DE-(+AT-)Tour gehen, da müsste eigentlich für jeden etwas in der Nähe dabei sein. Und auch unsere nichtbayerischen Mitbürger sollten trotz des schwer auszusprechenden Namens keine Angst haben, dass das alpenländische Volksmusik wäre.
Konzeptionell und dramaturgisch nah an der Perfektion ist das, was PJ Harvey und ihre unfassbar coole Band (die bekannten Verdächtigen: John Parish, Mick Harvey, Terry Edwards, James Johnston + fünf weitere an Schlagzeugen, Gitarren und Saxofonen) da mittlerweile bietet. Ich hatte sie bisher nur zur "Let England Shake"-Tour in Frankfurt gesehen, damals ganz in Weiß (die Band in alten Soldatenklamotten) und eher theaterhaft inszeniert - jetzt ist das große, düstere Oper (alle Personen in Schwarz): Harvey als griechische Hexe, die einem den Weltuntergang beschreibt (oder so ähnlich). Mir war es stellenweise fast schon ZU bedrückend - die Welt draußen ist schon deprimierend genug, und dann wird man noch von diesen Texten und der Darbietung fast zerquetscht. Das Programm bestand zu drei Vierteln aus Songs der letzten beiden, songtechnisch ja sehr ähnlichen Alben - einer stärker als der andere, wobei die Songs von "Let England Shake" einfach einen Tick besser sind und auch live noch mehr geflasht haben ("Written On The Forehead" und "This Glorious Land" ganz besonders). Im letzten Viertel präsentierte die Band dann mit hochgedrehtem Volume und daher noch dickerem Sound auch einige Klassiker: "50ft Queenie", "Down By The Water", "To Bring You My Love". Mit dem umwerfenden "River Anacostia" (die komplette Band zum Ende hin am Bühnenrand versammelt und "Wade In The Water singend, was mir echt die nicht vorhandenen Haare zu Berge stehen ließ) war nach 80 Minuten erstmal Schluss. Als Zugabe gab's noch "Highway '61 Revisited" und "Is This Desire?" Fazit: grandios.
“Troubled times, kids, we got no time for comedy.” (Phife Dawg)
Wild Beasts + Douglas Dare, La Laiterie (Strasbourg)
Ganz ganz toller Konzertabend. Der Gig fand im Club der Laiterie statt, wo schätzungsweise 300 Leute maximal reinpassen. Ungefähr 200 waren da, deshalb hatte das Ganze von vorneherein den Charakter eines Exklusiv-Konzerts. Man stand ja auch problemlos unmittelbar vor den Bands. Douglas Dare war schon ein perfekter Support. Klingt durch Unterstützung von echten Drums und einer zweiten Sängerin jetzt wesentlich reifer und professioneller. Hat hauptsächlich Songs seines neuen Albums ("A Forger") gespielt, muss ich unbedingt noch anhören. Die Wild Beasts danach dann aber eine echte Offenbarung. Die waren extrem gut gelaunt, haben viel kommuniziert, waren auch immer wieder im Publikum drin. Die Setlist hätte auch kaum besser und ausgewogener sein können:
3 Songs aus "Two Dancers": "We Got The Taste...", "Hooting & Howling", "All The King's Men" 2 Songs aus "Smother": "Lion's Share", "Bed Of Nails" 4 Songs aus "Present Tense": "Wanderlust", "Mecca", "A Simple Beautiful Truth", "Daughters" 6 Songs aus "Boy King": "Big Cat", "Alpha Female", "Celestial Creatures", "2BU", "He The Colossus", "Ponytail"
Das absolute Highlight war aber wieder mal der Sound. Ich weiß nicht, wie die das in der Laiterie machen, aber ich habe dort noch nie ein Konzert ohne grandiosen Sound erlebt. Egal ob Electro, Metal, Indie, Hip Hop... Freu mich schon auf das Preoccupations Konzert im November in der gleichen Location.