Ich mochte die Videoprojektion der Sängerin auch nicht. Das wirkte irgendwie albern und wurde dem sehr schönen Lied nicht gerecht. Hat nicht in der guten alten Zeit™ Blixa die weiblichen Parts übernommen? Das hätte man doch mit einem beliebigen anderen Bandmitglied wieder aufleben lassen können. Oder einfach diesen Song weglassen und dafür "Rings of Saturn" spielen. Das hat mir nämlich schmerzlich gefehlt.
Die Fans auf der Bühne fand ich ganz cool, war aber auch froh, dass ich für so einen Kram zu weit hinten stand.
Die Fans auf die Bühne zu holen war mir natürlich sowieso schon zu hippiesk, deren Selbstverwirklichungstänze fand ich dann ganz schlimm.
Die Einspielung der Sängerin auf der Leinwand fand ich eigentlich unvermeidlich, der Song ist immerhin das Herzstück des Albums und dieser Gesangspart sollte nun wirklich nicht drei Oktaven tiefer gesungen werden. Andererseits kann er für diese zwei Minuten pro Abend schlecht die besagte Sängerin auf Tour mitnehmen.
so, nachdem ich jetzt 5 konzerte nacheinander in 5 tagen besucht habe, kann ich ja ein paar worte dazu plaudern:
montag: shabazz palaces (support: christina wheeler), gretchen
das vorprogramm gestaltete sich recht zäh. zum einen war das set von christina wheeler eindeutlg zu lang. dass die stücke ohne pausen ineinander übergehen hat den eindruck noch verstärkt. eigentlich war es schade, weil ich ihren eigensinn durchaus respektabel fand und auch einige ansätze recht gelungen. nur wollte einfach nichts zueinander passen. die sounds, inklusive des an sich sehr gekonnten gesangs, wollten sich einfach nicht zusammenfügen. ihre eindrucksvoll kauziges instrumentarium kam durch ihren misslungenen einsatz nicht so zur geltung, wie es potenziell möglich gewesen wäre. schade auch.
ein gewinn dagegen war das 2-stündige set von shabazz palaces. ich gehe äusserst selten auf hip-hop-konzerte, weil ein mc vorne am bühnenrand und ein dj hinter den decks für mich kein rechtes live-erlebnis sind. shabazz palaces sind tatsächlich zu zweit auf der bühne. der eine mit reichlich percussion-instrumenten und mikrofon, der andere bedient beim rappen eine reihe von samplern und effektperipherie. der sound war bombig, die stimmung auch.
dienstag: the breeders (support: pins), heimathafen neukölln, ausverkauft
die pins sind ein all-girl-quintett aus manchester mit einem retro-sound, der einerseits an proto-punkbands aus den früheren 70ern und andererseits an 80er-wave-bands erinnert. war recht kurzweilig, wenn auch nicht so herausragend, dass es mich gleich an den merch-stand getrieben hätte.
die title tk-tour war das letzte mal, dass die breeders berlin besuchten, nachdem der gig zu mountain battles kurzfristig gecancelt wurde. so war es schon 16 jahre her, dass ich die breeders zuletzt sehen durfte, und der gig ist bis heute unvergessen. dieses mal spielten sie in der gleichen formation wie zu zeiten von last splash, also mit josephine wiggs am bass und jim mcpherson an den drums. logisch, dass von diesem album besonders viele stücke gespielt wurden. dass mad lucas und roi nicht dabei waren, ist nicht weiter verwunderlich, aber trotzdem ein bisschen schade. schade auch, dass title tk nur mit einem song bedacht wurde, aber der war immerhin "off you". dafür gab es drei neue stücke (darunter ein cover von amon düül 2), ein paar stücke aus dem amps-album (ein album, dass kim deal eigentlich mit den breeders aufnehmen wollte, es dann aber allein tat, nachdem diese sich auflösten), ein pixies-cover ("gigantic") und ein paar stücke aus "pod" (leider nicht "iris").
es ist ein bisschen schwierig, diesem konzert wirklich gerecht zu werden. ich merke, wie sehr ich ins nörgeln komme, dabei war der gig ein riesen spass, und die deal-schwestern gehören immer noch zu den sympathischsten erscheinungen, die sich auf rock-bühnen finden lassen. als jemand in der ersten reihe rief, dass er den gesang nicht hören kann, liess kim einfach die monitorboxen herumdrehen. jemand rief "german studies" in richtung bühne, und kelly fragt: "do you germans hate us for that?" das einzige problem bei diesem konzert: der gig vor 16 jahren war einfach besser. klar, weil last splash legendär ist, ist es die besetzung natürlich auch. jedoch war jose medeles der weit bessere drummer und mando lopez ein deutlich besserer bassist. das konzert war nochmal unglaublicher als das vergangen dienstag. wir sprechen hier aber von einem vergleich auf ganz hohem niveau, von einem mountain-battle, sozusagen.
mittwoch: aldous harding (support: h. hawkline), musik und frieden, ausverkauft
ich wusste zuerst nicht, ob ich da wirklich hingehen sollte, oder doch lieber mein ticket vor der tür verkaufen soll, was ohne schwierigkeiten möglich gewesen wäre. ich hatte befürchtungen, dass ich gegen ende der woche zu sehr durchhängen würde, schliesslich muss ich jeden morgen früh raus. ich hatte beide alben von aldous harding nur einmal gehört, und war mehr interessiert als begeistert. nun, ich war da und bin auch froh drum.
h. hawkline ist ein walisischer singer-songwriter und zeitweiliger weggefährte von cate le bon. er bestritt seine 40 min. allein mit gitarre und ein stück am mellotron-piano (ein modernes, kein mechanisches), später stiess er für einige songs auch zu aldous harding und ihrem keyboarder, um den bass beizusteuern. sein set war durchaus angenehm, aber vor allem war er grundsympathisch.
aldous harding ist eine echte erscheinung. es ist eine sache, ob man sich auf photos und in videos gut zu inszenieren weiss (das ist für sich schon was). eine andere andere sache ist, ob man diese persönlichkeit auch auf der bühne repräsentieren kann. und sie kann. zeitweise kam sie mir fast entrückt vor, wie eine hildegard von bingen, wenn sie ihre visionen hatte (zugegeben, da war ich nicht wirklich dabei). sie sass einigermassen krumm auf einem barhocker, komplett in weiss gekleidet mit weisslackierter halbakustik-gitarre. als das mikrofon etwas tiefer verrutschte, sass sie zeitweise noch krummer, grimassierend, in einer weise, dass ich mich fragte, ob es ihr eigenlich bewusst ist. sie hatte aber durchaus humor, also sag ich mal ja. von den alben war ich nach einem mal hören nicht völlig überzeugt, aber live waren die stücke sehr intensiv umgesetzt.
das publikum gibt oft anlass zur meckerei, aber diesmal war es wirklich traumhaft. leise stücke scheinen menschen oft zu ungehemmten gequatsche zu animieren, aber diesmal war es wunderbar still im publikum. chapeau! ich mecker aber trotzdem: diesmal wegen dem club, der offenbar nur einmal im jahr gelüftet wird und sauerstoffarm bis zur schmerzgrenze war. aber immerhin war es bullig warm… ächz.
donnerstag: st. vincent, huxley's
zuerst muss ich gestehen: ja, ich bin einer dieser trottel, die 100 eur für ein vip-ticket ausgegeben haben. um genau zu sein, einer von 16, davon 12 weiblich. letzteres erwähne ich nur, um den eindruck zu relativieren, dass nur alte sabberne säcke sich so etwas leisten, um möglichst nah an eine attraktive frau zu kommen. was ich dafür bekam: einlass vor dem einlass, ein signiertes tourposter, photoshoot mit der signature-gitarre von st. vincent, zwei stücke exklusiv mit akustik-gitarre (laughing with a mouth of blood und prince johnny - allein das war für mich das geld wert), ein meet & greet und zugang zum merch, bevor die anderen kommen. besonders wichtig war mir allerdings, dass ich in die erste reihe komme. ohne vip-ticket wäre das schwierig geworden - da lag ich mit meiner einschätzung ganz richtig.
nach den beiden stücken setzte sich st. vincent (annie clark) an den bühnenrand und unterhielt sich mit uns gästen. einer fragte nach ihren literarischen einflüssen, eine junge frau erkundigte sich nach ihren liebsten bowie-songs, ein weiterer wollte wissen, welche medien sie für den musikgenuss bevorzugt (natürlich ging es darum, dass er vinyl bevorzugt. meine theorie: vinylliebhaber sind die veganer unter den musikfreunden.), eine erwähnte die breeders, und dass kim deal auch ein grosser fan ist, worüber st. vincent sehr glücklich war, ich fragte sie über beck, mit dem sie vor vielen jahren eine session gespielt hatte (so lernte ich ihre musik kennen).
anstatt einer vorband gab es einen vorfilm. "the birthday party" ist ein saukomischer kurzfilm von annie clark, mit übertriebenen horror-soundeffekten und -einstellungen. das konzert war dann zweigeteilt: 45 min. alte stücke, chronologisch angeordnet, die zweite hälfte spielte sie das komplette neue album (setlist, siehe hier). nun will ich nicht so tun, als ob die fehlende band, die durch einspielungen ersetzt wurde, ein vorteil wären. allerdings waren die alten stücke immerhin neu arrangiert, und alles, was sie auf der bühne performte war einfach grossartig. ausserdem hat sie "the strangers" gespielt, was ich die vergangen male vermisst hatte.
spass gemacht hat es allemal, nur nächstes mal würde ich sie gerne wieder mit band sehen. übrigens war das huxley's sehr gut gefüllt, obwohl es an der abendkasse wohl noch massig karten gab.
freitag: millionaire, badehaus szimpla
dass millionaire nach 12 jahren ein drittes album herausbringen, gehörte zu den überraschungen des jahres für mich. das erste album "outside the simian flock" bleibt allerdings bis heute unübertroffen. nachdem die band mit dem zweiten album "paradisiac" einen radikalen stilwechsel vollzog, schien das dritte album "sciencing" das fehlende bindeglied zwischen den beiden nachzuliefern. jetzt waren meine erwartungen an das neue album wohl höher als es realistisch war, aber ein paar wirklich tolle stücke sind schon dabei.
das konzert war alles in allem super. nicht jeder song war herausragend, aber einige dafür umso mehr setlist hier). tim vanhamel war bestens gelaunt und sprang mit seiner gitarre auf und ab über die bühne. das badehaus war gut genug gefüllt, dass es keine unangenehmen lücken gab.
für mich ging damit eine anstrengende, aber sehr lohnende konzertwoche zu ende, die ich letztendlich besser überstanden habe, als vorher befürchtet.
☟ smog in berlin. nichts wie hin. weil du mich küsst, bin ich kein tourist.
Zu den Breeders wollte ich auch, aber als ich davon erfahren habe, war schon ausverkauft...
"Der Nationalsozialismus hat sich vorsichtig, in kleinen Dosen, durchgesetzt – man hat immer ein bisschen gewartet, bis das Gewissen der Welt die nächste Dosis vertrug." Stefan Zweig
Gisbert zu Knyphausen (und neue Band) - 29.10. Übel und Gefährlich -Hamburg
So, nach der Album VÖ am Freitag gestern dann das Hamburger Konzert. Ich war derbe demotiviert, weil mich das Album zumindest zur Häflte schwer enttäuscht, jedenfalls bislang. Von 12 Songs also wirklich sehr exakt 6 Songs, die ich okay bis teilweis gut finde, insbesondere "Etwas Besseres als den Tod finden wir überall" - den eins Nils Koppruch noch begonnen hatte - der auch endlich etwas nach vorn geht.
Dann also ab in den 4. Stock im Bunker, wie erwartet extrem viele Hipster und nette, sehr sehr biedere Pärchen. Wobei ich da nicht meckern darf, auch ich war mit meiner Liebsten dort und seien wir ehrlich, auf ein Gisbert Konzert passt eben der Partner auch am ehesten als Begleitperson. Mit Kumpels wäre desöfteren fremdschämen angesagt, die Texte sind halt intim und sehr melancholisch.
Dann um 20.30 kamen sie ohne Vorband auf die (übrigens sehr schön in Anlehnung ans Album Cover gestaltete) Bühne. Gleich los mit "niemand" und "unter dem hellblauen himmel." Es folgten knapp über 2 Stunden tolles Konzert, wobei mir der Anteil an den neuen Songs, von denen beinah alle gebracht wurden, zu hoch war. Aber für 26 Euro finde ich die Spiel-Laune der Band unübertroffen gut - ich hasse es ja, wenn Indie Bands nach 70 Minuten Tschöööös sagen und noch für einen Song rauskommen.
Die beiden größten Momente für mich: Besagte Live Version von "Etwas Besseres als den Tod", den Gisbert auch mit der Erklärung zu Nils und dessen Tod einleitete, wodurch der Schmiss und das nach vorn gehende des Songs noch mehr verstärkt wurde. Es war irgendwie einfach im positiven Sinne eine bestmögliche Reaktion auf den Tod eines Künstlers, der so plötzlich und früh gehen musste. Als ob die Band da vorn zusammen mit ihm dem Tod einen fröhlichen Stinkefinger entgegen hielt. Kann es nicht besser erklären.
Und dann bei "So seltsam durch die Nacht", als Gisbert sich gleich in der ersten Strophe verstottert, den Text vergisst. Alle lachen, er lacht mit und setzt passend neu an zu singen: "Jetzt fängt das alles wieder von vorne an..."
Von den älteren Songs gab es Neues Jahr Erwischt Der Blick in deinen Augen So seltsam durch die Nacht Kräne Melancholie Dreh dich nicht um Seltsames Licht
und von Kid Kopphausen Mörderballade (!) Hier bin ich Das Leichteste der Welt Haus voller Lerchen (als letzte Zugabe)
Alles in allem ein schöner Abend und eine Versöhnung gegenüber der für mich durchschnittlichen neuen Platte.
Hm, St. Vincent sollte ich beim nächsten Mal nicht verpassen. Erinnere mich noch an einen glühenden Konzertbericht an dieser Stelle, glaube von tenno war der. Respekt, Lumich! Bei mir waren's letzte Woche auch 5 Gigs, mit zwei freien Tagen zwar, aber ich war dann doch froh, als endlich Samstag war, daher trifft dein Schlusssatz bei mir voll ins Schwarze.
ich hatte ja auch lange überlegt, ob ich zu st vincent gehen soll, das letzte konzert fand ich ja wirklich toll. aber die VIP-karten-nummer und die aussicht auf ohne band mit playback haben mich dann doch abgetörnt. abgesehen davon machen mich ja schon zwei konzerte pro woche völlig fertig, insofern ist dem herrn lumich meine bewunderung gewiss.
Manchester Orchestra + Slothrust 30.10.17, Köln, Gebäude 9
Wenn es jemals einen besseren Grund gegen Vorbands gegeben haben sollte als Slothrust, man nenne ihn mir. Furchtbar, einfach nur furchtbar. Ich bin hart im Nehmen, aber diese Schlabberpulli-Trulla mit ihrer Leckt-mich-alle-am-Arsch-Ausstrahlung und ihrem schrammeligem Gitarrengequietsche war das mieseste, was ich seit langer Zeit ertragen musste. Zwei andere Schmungus gehören auch noch zu dieser Band, aber Schwamm drüber.
Manchester Orchestra wurden ihrem Ruf als exzellente Liveband dann mehr als gerecht. Ein feines Konzert mit abwechslungsreichem Programm, von sehr sanft bis sehr krachig war alles dabei. Der Schwerpunkt lag auf dem aktuellen Album sowie "Means Everything To Nothing", mit einigen Songs der anderen Alben dazwischen. Andy Hull singt live genauso gut wie auf Platte, was vor allem in den ruhigen Momenten sehr gut zum Ausdruck kam. Man konnte teilweise eine Stecknadel fallen hören, so ruhig wurde das Publikum in diesen Augenblicken. Ein kleiner Wermutstropfen war für mich die brutale Kommunikationsverweigerung der gesamten Band. Fünf Leute, alle sensationell selbstabsorbiert, keine Ansagen. Über die Länge kann man sich auch unterhalten. Eine Stunde, 15 Minuten Zugabe, Schluss. Sehr professionell abgemessen. Aber schön war's.
nick cave & the bad seeds (2.11.17, zenith, münchen)
ich stimme in sämtliche jubelarien ein, die hier gepostet wurden und stelle fest, dass nicht mal das zenith ein nick cave-konzert zerstören kann. selbst der sound war heute mehr als o.k.. und auch wenn sich mal wieder alle 1,90er-menschen mit lockenmähne verabredet hatten, sich vor mich zu postieren, ab dem unglaublichen tryptichon higgs boson blues/ from her to eternity/tupelo waren alle widrigkeiten wie weggeblasen und es war nur noch geil, geil, geil. ein highlight jagte das nächste: jubilee street, red right hand, the ship song, mercy seat, into your arms, stagger lee, push the sky away (der rausschmeißer, non stop gänsehaut erzeugend) und natürlich die stücke von skeleton tree (besonders girl in amber) - da blieben keine wünsche offen. und als er dann während der zugabe ins publikum ein- und auf dem podest 2 m vor meiner nase auftauchte, und den weeping song performte, war ich auch damit versöhnt, dass ich ihn zuvor allenfalls mal kurz zwischen den hinterköpfen habe auftauchen sehen. ohne zweifel eins meiner top five konzerte aller zeiten.