auf der einen seite volle zustimmung ("warum macht man nicht selbst so eine studie?"), auf der anderen seite ist es natuerlich unfassbar schwierig, die risiken gegen den ausfall von unterricht abzuwaegen ("wie gross ist der schaden fuer eine ganze generation, wenn die schulbildung vernachlaessigt wird?").
wenn man davon ausgeht - und auch dafuer gibt/gab es daten - dass kinder nicht die hauptursachen von uebertragung sind, kann ich verstehen, dass schulen und kitas offenbleiben sollen.
eine gross angelegte studie aus oxford zeigt ja nun, dass schulschliessungen durchaus einen effekt hatten. die haben sich ueber 30 laender im vergleich angeschaut - wann wurden welche massnahmen ergriffen, wie sind die infektionszahlen beeinflusst worden (was natuerlich nur geht, wenn die massnahmen eben nicht ueberall zur selben zeit ergriffen wurden und auch da nicht zu hundert prozent zutreffen muss, sind immer nur modelle) und, eben, schulen schliessen schien was zu bringen.
Mich stört es, dass an der Theorie der unbedenklichen Schulen und Kitas zu lange festgehalten wurde. Es hat seine Berechtigung gehabt, Schulen und Kitas eine höhere Priorität einzuräumen, da die Schäden im Bildungswesen schwer wieder auszugleichen sein werden. Es stört mich insbesondere deshalb, weil es eine Glaubwürdigkeitskrise der Eliten gibt, die auf diese Weise wieder geschürt wird, weil sich vermuten lässt, dass gegen besseres Wissen gehandelt wurde. Es gibt Vergleichsstudien aus Belgien, wo es einmal einen langanhaltenden LehrerInnenstreik gegeben hat - allerdings nur im flämischen Teil (glaube ich zumindest, ansonsten natürlich der wallonische). Es hat sich gezeigt, dass der Vorsprung, den die eine Hälfte hatte, dadurch dass dort nicht gestreikt wurde, von der anderen nie wieder eingeholt wurde. Leider it es aber auch so, dass die Bildung nicht immer der ausschlaggebende Faktor war, zumindest weniger als die Arbeitsfähigkeit der Eltern, die durch die Betreuung ihrer Kinder beeinträchtigt wird. Kurzum zeigt es sich erneut, dass ein schnelles, entschlossenes Handeln uns einiges erspart hätte. Der harte Lockdown, vor dem man sich so lange gefürchtet hatte, wäre zur rechten Zeit in jeder Hinsicht schonender verlaufen, als das, was wir jetzt haben.
So, Predigt beendet.
☟ smog in berlin. nichts wie hin. weil du mich küsst, bin ich kein tourist.
Am Ende ist es natürlich auch die Quadrat des Kreises, wenn plötzlich von 42 Millionen Erwerbstätigen mindestens 25% bis zu ein Jahr lang ganztägig zuhause sein müssen, um die eigenen Kinder zu betreuen (darunter möglicherweise die Hälfte der Beschäftigten im Gesundheitswesen und der Pflege), das ist ja auch volkswirtschaftlich nicht endlos zu stemmen, von den Folgen dieser sozialen Isolation für die Kinder ganz abzusehen, noch dazu wären es vor allem Frauen, die davon besonders betroffen sind, auch diesen Aspekt muss man berücksichtigen. Man kann auch Pandemiebekämpfung als politisches Ziel nicht absolut setzen (wie es m.E. Lauterbach zu sehr macht), sondern muss einen Mittelweg finden. Bei einem Supervirus mit 20% Sterblichkeit sieht das dann anders aus, aber das ist Covid-19 ja glücklicherweise doch nicht, auch wenn es über die Sterblichkeit hinaus auch Folgeschäden verursachen kann.
Ich glaube, die Schäden durch den „Lauterbach-Weg“ (da gab es durchaus auch andere) wären leichter zu verkraften gewesen, als das, was wir jetzt erleben und erleben werden. Der Lockdown ist unvermeidlich und wird umso schlimmer, je länger man damit wartet. Das konnte man spätestens im November schon absehen. Was der Vernunft mal wieder im Wege stand, waren m.E. vor allem Partikularinteressen und Kurzsichtigkeit. Am Ende verlieren jetzt aber alle.
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Zitat von Lumich im Beitrag #2657Mich stört es, dass an der Theorie der unbedenklichen Schulen und Kitas zu lange festgehalten wurde. Es hat seine Berechtigung gehabt, Schulen und Kitas eine höhere Priorität einzuräumen, da die Schäden im Bildungswesen schwer wieder auszugleichen sein werden.
Das sind für mich die entscheidenden Sätze.
Die letzten Sechs in der Playlist: Honeyglaze - Real Deal || Laura Marling - Patterns In Repeat || Nieve Ella - Watch It Ache and Bleed || Dawn Richard & Spencer Zahn - Quiet In a World Full of Noise || Flip Top Head - Up Like a Weather Balloon || Haley Heyndericks - Seed of a Seed
Zitat von JackOfAllTrades im Beitrag #2655Wenn ich mir die Studien ... so anschaue, infizieren sich Kinder genauso wie Erwachsene mit Corona.
Nur als Feststellung: die Kinder meiner infizierten Arbeitskollegen sind genauso erkrankt wie die Tochter meines besten Freundes. Zum Glück keines davon bedrohlich, aber sie wurden definitiv krank.
We don't believe in anything we dont stand for nothing. We got no "V" for victory cause we know things are tougher.
(Iggy Pop/James Williamson: "Beyond The Law")
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Zitat von LFB im Beitrag #2658sondern muss einen Mittelweg finden.
Das war meiner Meinung nach und der Meinung einiger VirologInnen nach, der größte Fehler. Mittelweg war der Lockdown light, wohin der geführt hat sehen wir jetzt. In dem Punkt bin ich mittlerweile ernsthaft sauer auf die Entscheider in der Politik. Zu spät, zu zaghaft. Bis auf Frau Merkel, großes Versagen. Dass ich das noch einmal sagen würde. :-)
zustimmung. diese regionalen befindlichkeiten der länder/ministerpräsidenten halte ich schon im normalbetrieb für überbetont (z.b. in der bildung), aber in der krise kommen sie noch stärker zum vorschein. nix gegen föderalismus, aber ich finde bei uns geht der teilweise schon in eine richtung, wo die chancengleichheit schon durch den wohnort nicht gewahrt werden kann.
So wie ich das wahrgenommen habe, hat man ja nicht mal versucht, Vorteile des Föderalismus zu kommunizieren. Dass jetzt dann Wahljahr ist und sich der ein oder andere Politiker auch profilieren will, macht die ganze Situation vermutlich nicht unbedingt besser.
Zitat von gnathonemus im Beitrag #2638sie wollen unbedingt, dass du dich auch noch infizierst, oder? wie war das mit: toller arbeitgeber?
Seit heute ist es offiziell: auf der momentanen Seuchenstation wird nur noch Personal eingesetzt, das bereits erkrankt war und genesen ist. Ich bin da zum Glück erstmal aus der Nummer raus. Bei uns war es ja schon schlimm, aber auf der Station ist es gerade die komplette Hölle. Mittlerweile gibt es die ersten Todesfälle.
Man kann gar nicht so schnell tippen, wie sich alles ändert. Nachtwache an Corona erkrankt, als Nachtwachen übrig sind noch ein frisch Ausgelernter und eine Helferin. Meine Chefin zu mir: sie braucht einen Verantwortlichen mit Erfahrung, der die Schichtleitung übernehmen kann und dem sie zutraut, die Situation zu meistern. Danke für die Blumen, das heißt nun: eine komplette Woche Nachtschicht auf der momentanen Seuchenstation mit einem erneuten Todesfall heute.
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Ich werde jetzt auch hamstern gehen. Genauer gesagt, besorge ich mir noch etwas mehr frische Lebensmittel für die nächsten Tage, da ein Essen in der Kantine vorerst entfällt. Denn mein Chef hat mich angerufen und gebeten, auch nach meinem Urlaub weiter zu Hause zu bleiben. Mit der Arbeit geht es nun wohl erst ab dem 11. Januar weiter.
"Good taste is the worst vice ever invented" (Edith Sitwell)