Zitat von LFB im Beitrag #4440aufgrund von vereinzelten Aktionen
Hast du die Aufnahmen von gestern gesehen? Da hat sich wie immer bei den Querdenkerdemos niemand an geltende Regeln gehalten. Kein Sicherheitsabstand, keine Masken. Das sind keine vereinzelten Aktionen, das ist bewusste Provokation von großen Teilen der Demonstrierenden. Dass die Polizei dort wegschaut, ist eine Farce. Ach, was heißt wegschauen, das wäre ja schön. Es gab auch wieder Videos zu sehen, wo ein Polizist dem berüchtigten Herrn Michael Schele fröhlich die Hand reicht. Die Polizei ist mehrheitlich auf Querdenker-Seite, ich mache mir da keine Illusionen mehr.
Letzteres kann ich mir nicht vorstellen. Ich kenne sowohl privat als auch beruflich viele Polizistinnen und Polizisten, keine(r) von denen hat auch nur ansatzweise Verständnis für diese Schwurbler und alle haben ungeduldig auf ihre Impfung gewartet. Kann natürlich eine statistische Anomalie sein, aber das halte ich für unwahrscheinlich.
Zitat von LFB im Beitrag #4440Ihr macht es euch auf dem Rücken der Polizei zu leicht, diese ist ja ausführendes Organ und wenn sich übergeordnete Stellen um Entscheidungen drücken, sollte man das nicht der Polizei anlasten ("schwarzen Peter hin und her schieben"). Wenn ein solche Demonstration erlaubt wird (und prinzipiell finde ich es durchaus richtig, dass für Verbote hohe Hürden gesetzt werden, ansonsten wäre es natürlich allzu verlockend, jede nicht opportune Demonstration erst gar nicht zu genehmigen), darf sie außerdem nicht einfach wegen des Fehlverhalten einer Minderheit der Teilnehmerinnen und Teilnehmer beendet werden, ansonsten wäre es ja wiederum für die jeweilige politische oder ideologische Gegenseite ein leichtes, einfach ein paar Provokateure einzuschleusen, die dann bereits nach wenigen Minuten für einen Abbruch sorgen. Vielsagenderweise wirft hier ja bei Demonstrationen mit ökologischer oder sozialer Agenda niemand der Polizei vor, dass sie aufgrund von vereinzelten Aktionen des schwarzen Blockes nicht direkt die ganze Demonstration aufgelöst hat. Im Gegenteil, dann wird der Polizei häufig ja basierend auf 3-sekündigen Clips überhartes Eingreifen vorgeworfen, was vermutlich jetzt gerade im Milieu der Coronaleugner auch geschieht. So schwer es fällt, man sollte sich bei der Bewertung der Polizeitaktik schon für einen stringenten Maßstab entscheiden und diesen dann ungeachtet der ideologischen Ausrichtung der Demonstration auch beibehalten. Trotzdem bin ich bei Lumich, bei der derzeitigen Pandemielage sollten alle Voraussetzungen geschaffen werden, grundsätzlich keine Demonstrationen zu genehmigen.
Von „grundsätzlich keine“ habe ich nicht gesprochen. Fridays for Future bspw. haben sehr kreative Lösungen gefunden, um ihren Protest in die Öffentlichkeit zu bringen, ohne die Hygieneregeln zu verletzen. Das ist dann auch der Knackpunkt bei der Querdenker-Demo: Man kann eine Demo nicht von vornherein verbieten, weil Ausschreitungen zu befürchten sind. Dafür genießt das Demonstrationsrecht eine zu hohe Priorität. Wohl wäre es in der aktuellen Situation sowohl möglich, ein Verbot zu erlassen, wegen einer allgemeinen Ansteckungsgefahr, die ja letztendlich nicht nur Beteiligte treffen würde, es wäre eine Höchstgrenze mitsamt Auflagen möglich, deren Überschreitung zu Abbruch führen muss. Wie gesagt: Andere Bundesländer haben es bereits vorgemacht. Und ja, ich finde auch, dass der Polizei aus Feigheit eine unnötige Bürde auferlegt wurde, da der Verlauf vorhersehbar war. Dennoch wäre es m.E. deren Pflicht gewesen, die Versammlung aufzulösen, und das schon ab dem Augenblick, wo es allein schon der Menge wegen absehbar war, dass die Einhaltung der Hygieneregeln nicht gewährleistbar war.
☟ smog in berlin. nichts wie hin. weil du mich küsst, bin ich kein tourist.
Zitat von Lumich im Beitrag #4444Und ja, ich finde auch, dass der Polizei aus Feigheit eine unnötige Bürde auferlegt wurde, da der Verlauf vorhersehbar war. Dennoch wäre es m.E. deren Pflicht gewesen, die Versammlung aufzulösen, und das schon ab dem Augenblick, wo es allein schon der Menge wegen absehbar war, dass die Einhaltung der Hygieneregeln nicht gewährleistbar war.
Nailed it. Ich bin mittlerweile nicht mehr generell Anti - Polizei, aber das alles ist schon ziemlich panne.
We don't believe in anything we dont stand for nothing. We got no "V" for victory cause we know things are tougher.
(Iggy Pop/James Williamson: "Beyond The Law")
---------------------------------------------------------------- From the river to shut the fuck up.
Die Bundesregierung hat die Niederlande als Corona-Hochinzidenzgebiet eingestuft. Neben Tschechien, Polen und Frankreich ist es das vierte Land, das in den letzten Tagen diese Einstufung erhalten hat. Ab Dienstag gelten verschärfte Regeln für Einreisen aus dem Nachbarland (u.a. Negativ-Test, der nicht älter als 48 Stunden sein darf).
"Good taste is the worst vice ever invented" (Edith Sitwell)
Leute, wenn die Polizei gegen die Coronademonstrationen in der nötigen und vertretbaren Härte auftreten würde, würde hier ratzfatz ein Bürgerkrieg entstehen. Die Dinge nicht aus dem Ruder laufen zu lassen, ist da schon ein deutliches und auch vertretbares politisches Kalkül. NOCH hat sich in der bürgerlichen Protestbewegung keine kritische Masse ausreichend radikalisiert, um ein Niederknüppeln zu rechtfertigen - sobald diese kritische Gewalt-Grenze seitens der Staatsgewalt übertreten wird, ist hier Polen offen.
Die Strategie war schon immer, die extremen Grenzen zu zerstören. Take G20/Hamburg, wo die Fronten klar verteilt waren, und die Polizei willenlos auf alles losgelassen wurde, was schwarz angezogen war. Das ist bei Corona nicht so einfach. Da werden Kinder mitgeschleppt, da läuft auch das Establishment mit, Vertreter*innen aus allen Schichten, gemäßigt oder völlig durch, Reiche und Arme, "Gebildete" und "Gesocks" gleichermaßen, TV-Stars, Hausfrauen, Veranstalter*innen, Nazis, Esos, ALLE. Das hat sich die Politik durch ihren Schlingerkurs durchaus auch selbst eingebrockt. Wenn hier jetzt irgendwo Exempel statuiert werden sollte, bricht Chaos aus. Der brüchige gesellschaftliche Zusammenhalt steht hier durchaus krass auf Messers Schneide den will niemand so kurz vor der Wahl gefährden. Also: laufen lassen, die Taktik des geringsten Widerstands wählen.
Da bin ich schon hin- und hergerissen, mittlerweile finde ich, dass in Sachen Corona schon wirklich viel verpfuscht wurde, und kann jeden, der DESWEGEN auf solche Demos geht, durchaus verstehen. Die Crux daran ist aber, dass es keine Demos gibt, die da unterscheiden: zwischen Schwurblern und solchen, die völlig zurecht den Umgang mit einer solchen Extremsituation kritisieren wollen.
Ich kann nur jedesmal erwähnen: gott sei Dank, ist COVID 19 unter dem Strich nicht so gefährlich. Was hier abgehen würde, wenn auch nur jeder fünfte an der Seuche stirbt, will ich mir gar nicht ausmalen. Das Fundament unserer Gesellschaft, wie sie aktuell existiert, ist brüchig, extrem unsolidarisch und ungerecht. COVID 19 stellt sie unter eine harte Probe, aber es wird weitesgehend so weitergehen. Passiert mal schlimmeres, wird das System untergehen.
Just a MF from hell.
Rotation:
Cindy Lee - Diamond Jubilee | Being Dead - Eels | Shellac - To All Trains
Der Polizeieinsatz bei G20 war ein völlig unverständlicher Rückschritt in die 80er-Jahre. Der Einsatzleiter war damals schon berüchtigt für seine Steinzeit-Strategien. Es gibt deutlich mehr Möglichkeiten zur Auswahl als nur Durchknüppeln mit Wasserwerfer oder gar nicht einschreiten. Es gibt längst intelligentere Strategien, wo Gewalttäter isoliert und abgeführt werden. Und aufgelöste Versammlungen hat es auch in Pandemiezeoten bereits gegeben, ohne dass wir uns im Bürgerkrieg befinden würden. Selbst wenn die Covidioten-Märsche groß erscheinen, sind sie noch immer eine kleine Minderheit, die allerdings jetzt wieder Macht demonstrieren konnte, indem sie unbehelligt alle Regeln brechen durften. Der Virentransfer wird anschließend quer durchs Land getragen.
☟ smog in berlin. nichts wie hin. weil du mich küsst, bin ich kein tourist.
Sehe ich anders. Stelle ich mir ein viral gehendes Video vor, bei dem die Polizei gegen Mitlaufende von Coronademos so hart durchgreift, wie bei G20, möchte ich eigentlich nicht wissen, wie es weitergeht. Die überwiegende Masse der Coronademos halte ich für sehr gemäßigt, aber soclh ein Vorgehen würde den extremen Kräften enormen Auftrieb geben, und die Dynamik wäre äußerst schwer zu beherrschen. Es kippt ja auch mit dem Kuschelkurs schon latent in die gewalttätige Richtung.
Just a MF from hell.
Rotation:
Cindy Lee - Diamond Jubilee | Being Dead - Eels | Shellac - To All Trains
Wie kommst Du bloß immer auf G20? Es hat seitdem zig Einsätze gegeben, die keine Ähnlichkeit damit hatten. Abgesehen davon gehe ich auch nicht davon aus, dass ein unverhältnismäßiger Übergriff seitens der Polizei die Sympathien in der breiten Bevölkerung gegenüber den Quer-Denkvermeidern spürbar erhöhen würde. Das war selbst bei G20 nicht der Fall.
☟ smog in berlin. nichts wie hin. weil du mich küsst, bin ich kein tourist.
Naja, es kommt darauf an, welche Einsätze du siehst. Seit G20 gab es viele gleich geartete Einsätze. Die richteten sich aber immer gegen klar zu definierende "Gegner", ich sag mal, Hambacher Forst.
Bei G20 lief das Mainstream-System zur Hochform auf. Anstatt eine breite Debatte darüber zu beginnen, warum sich hunderttausende versammeln, um gegen die Führung der reichsten und mächtigsten Länder zu protestieren, und über Zwanzigtausend Polizisten zum Schutz dieser Führenden um sich zu scharen, wohlgemerkt um sie vor der Wut derer zu schützen, die sie eigentlich vertreten sollten, wurde das Märchen der Extremisten, gegen die mit aller Härte des Gesetzes vorgegangen wurde, bis heute publiziert. Laut SPD-Kanzlerkandidat Scholz hat da ja kein einziger Polizist eine Straftat begangen.
Bis jetzt war es recht einfach, schwarz und weiß zu behaupten. Genau das wird mit den aktuellen Demonstrationen schwer machbar sein. Es entsteht eine ganz neue Dynamik: ein Protest, der von einer nicht so einfach einzugrenzenden Bewegung ausgeht, wird toleriert und nicht in dem Maße sanktioniert, wie er (das ist auch neu), von einem ebenso breit gefächerten Bevölkerkungssprektrum gefordert wird. Politik und Exekutive reagieren bislang darauf erwartungsgemäß überfordert und zahm. Die mögliche Eruption stellt sich allein deshalb nicht ein. Ausgang offen, bei hohem Risiko.
Die extremen Rechten haben versucht, die Proteste für sich zu gewinnen, die extreme Linke mischt da überhaupt nicht mit, allenfalls als Gegendemonstration, ist sich aber bis heute nicht sicher, ob sie dafür oder dagegen sein sollte.
Sollte die Staatsgewalt härter durchgreifen, wird sich auch die Linke regen, weil die immer und zurecht gegen Repression vorgeht, und die bereits mobilisierte Rechte wird das als gefundenes Fressen ansehen, ihre verqueren Sichtweisen noch stärker in den Mittelpunkt zu rücken.
Auf Sicht versucht die Politik, das Pulverfass zu umschiffen, was zunehmend für Missmut sorgt, bei allen Beteiligten, bei den aktiven, bei den aktiven, die sich noch zusammenreissen, bei den passiven, die da mehr und mehr bestürzt zugucken. Kein Wunder, wer bestraft wird, weil er sich mit drei Haushalten trifft, und zusehen muss, wie sich ungestraft tausende Haushalte ohne Abstand und Masken treffen, den bockt das ganze Bohei nicht mehr.
Just a MF from hell.
Rotation:
Cindy Lee - Diamond Jubilee | Being Dead - Eels | Shellac - To All Trains
Den Einsatz im Hambacher Forst kannst Du nicht mit einer einfachen Demo vergleichen. Aber selbst wenn man das tut, hat es ganz sicher nicht zu einem breiten Meinungs-Umschwung in der Bevölkerung geführt. Eine Angst vor Massensolidarisierung zugunsten der COVID-LeugnerInnen kann ich nicht nachvollziehen, und schon gar nicht als Rechtfertigung für den verkackten Einsatz in Stuttgart akzeptieren. Das haben die Behörden vom Rathaus bis zur Polizei gründlich vermasselt.
☟ smog in berlin. nichts wie hin. weil du mich küsst, bin ich kein tourist.
Du hast behauptet, Mittelaltereinsätze wie seinerzeit G20 gäbe es nicht, Hambacher Forst ist ja nur ein Beispiel dafür, dass dem absolut nicht so ist - wenn die Gemengelage das hergibt. Das steht ja sowieso nicht zur Debatte. Die Frage ist ja: was wäre, wenn die Behörden solche Einsätze wie Kassel oder Stuttgart nicht mehr "verkacken". Und stattdessen in dem Maße einschreiten würden, das mittlerweile gefordert wird - und das eben bei G20 oder im Wald auch durchgeführt wurde. Oder bei Stuttgart 21, auch nicht wirklich lange her, und ebenfalls wie heute, von einem breiten Spektrum getragen. Greift die Staatsgewalt gleichermaßen und gerecht durch? Nein. Es ist möglich, einen Auflauf von zigtausend Menschen zu verhindern, zu steuern und punktuell einzugreifen, davon können Fussballfans ein Lied singen. Es ist nicht gewollt. Es würde mehr Schaden anrichten, als gewollt. Die Bilder der Demos richten ja schon immensen Schaden an der Glaubwürdigkeit der Durchsetzung des Gewaltmonopols an, das kannst du nur hinnehmen, um größeren Schaden zu verhindern, und ein gewaltvolles Einschreiten gegen die Demonstrationen wäre einen absolute Katastrophe. Es ist paradox, auf ne Art. Es werden Bestimmungen und Gesetze erlassen, gegen die die Teilnehmer dieser Demonstrationen bewusst verstoßen. Anstatt dies zu ahnden, aufzulösen und zu verfolgen, wird das laufen gelassen. Denn würde es geahndet, verfolgt und bestraft, würde es die Spirale noch schneller anheizen.
Es ist ein bischen wie im Kindergarten, wenn ein Erzieher mit dem Countdown bis 3 droht, aber keine Konsequenzen durchzieht, und hofft, das Problem löst sich in Wohlgefallen auf. Im Moment sind wir noch im Stadium Wohlgefallen, aber das bröckelt zunehmend. Spitzt sich die Lage weiter zu, und checken alle anderen Gören, dass da nix passiert, kippt die ganze Scheiße irgendwann. Und wir reden hier - nur nochmal zur Erinnerung - von einem "harmlosen" Zwischenfall, von dem nur eine Minderheit der Bevölkerung tatsächlich direkt (krank, tot, angehörige betreffend) betroffen ist. Die Lösungsstrategien und die Durchsetzung lässt mich vermuten, dass auch nur ein doppelt so tödlicher Virus das System schon vor einem halben Jahr hätte kippen können.
Long Story Short: die Kassel/Stuttgart Demos werden laufen gelassen, um das System, in diesem Fall angefangen beim gesellschaftlichen Zusammenhalt, nicht kollabieren zu lassen. Bilder von niedergeschlagenen Corona-Demos würden einen Funken entfachen, der zu unkalkulierbaren Risiken führen kann. Das würde noch mehr Menschen mobilisieren, es würden noch mehr Parteien aufspringen, es gäbe folgerichtig potenziell eine Spirale der Gewalt, an dessen Ende die Systemfrage stehen würde. Das alles ist nicht gewollt.
Just a MF from hell.
Rotation:
Cindy Lee - Diamond Jubilee | Being Dead - Eels | Shellac - To All Trains
Für diese apokalyptischen Vorhersagen sehe ich nicht den geringsten Hinweis. Die Umfragen zeigen, dass sich mehr Menschen konsequentere Maßnahmen in der Pandemiebekämpfung wünschen als vor einigen Wochen noch. Unzufriedenheit mit der Regierung führt nicht zwangsläufig zu wachsenden Sympathien mit den COVID-LeugnerInnen. Ich sehe absolut keinen Hinweis dafür, dass wir nur einen Polizeifehler von einem Umsturz entfernt wären.
Und wenn Du Stuttgart 21 schon erwähnst: Dort wurden tatsächlich harte Wasserstrahlen auf Augenhöhe friedlicher DemonstrantInnen samt Frauen und Kindern gerichtet. Ein alter Mann verlor dabei ein Auge. Katastrophaler hätte der Einsatz kaum laufen können. Ein Jahr später scheitert das Gesetz über den Ausstieg aus dem Stuttgart-21-Vorhaben per Volksabstimmung an einer klaren Mehrheit der baden-württembergischen Bevölkerung. Nicht einmal in Stuttgart kam eine Mehrheit zustande für den Ausstieg.
Es wird hier keine LA-Riots geben, selbst wenn die Polizei unverhältnismäßige Gewalt anwenden würde, und schon gar nicht, wenn sie ihren Job richtig erledigen würden, indem sie geordnet eine Versammlung beenden.
☟ smog in berlin. nichts wie hin. weil du mich küsst, bin ich kein tourist.