Zitat von LFB im Beitrag #3Schön wäre es z.B. vernünftige Konzepte zu entwickeln und dann der Bevölkerung in Form eines Volksentscheids vorzusetzen, dadurch würde man so einer tiefgreifenden Reform der Sprache Legitimität verschaffen.
Dem Volksentscheid haben es die Schweizerinnen übrigens zu verdanken, dass sie dort so verdammt spät zu ihrem Wahlrecht gekommen sind. Just saying.
☟ smog in berlin. nichts wie hin. weil du mich küsst, bin ich kein tourist.
@Berthold: Naja, wenn das deine Idealvorstellung ist. Mit Hilfe einer Zwangsfinanzierung den Menschen eine weitreichende Reform der Sprache vorzusetzen, die diese ablehnen, das ist für mich linker Dogmatismus in Reinkultur.
Zitat von LFB im Beitrag #9@Berthold: Naja, wenn das deine Idealvorstellung ist. Mit Hilfe einer Zwangsfinanzierung den Menschen eine weitreichende Reform der Sprache vorzusetzen, die diese ablehnen, das ist für mich linker Dogmatismus in Reinkultur.
Unser öffentlich-rechtlicher Rundfunk ist nicht meine Idealvorstellung, allerdings eher, weil noch immer siebzehn Regionalsender parallel Zoodokus zeigen, Riesengeld für Fußball statt für Randsportarten rausgehauen wird, Rundfunkorchester der Wirtschaftlichkeit geopfert und gleichzeitig dämliche Soaps/Telenovelas produziert werden, die so auch von RTL angeboten werden. Für mich erbringt inklusive Sprache einen wichtigen gesellschaftlichen Beitrag und entspricht dem Bildungsauftrag des ÖRR. Dass die Mehrheit der Bevölkerung das nicht will, ist für mich kein Kriterium. Nicht alles muss per Mehrheitsentscheid beschlossen werden, auch in einer Demokratie nicht.
"Happy Holidays... is what terrorists say. Merry Christmas, from Avery and Jack."
Zitat von LFB im Beitrag #3Ich habe jetzt tatsächlich zum ersten Mal eine (öffentlich-rechtliche) Doku gesehen, bei der verbal gegendert wurde, d.h. es wurde im Grunde eben von allen Berufen etc. die feminine Form benutzt (Lehrerinnen, Ärztinnen, Taxifahrerinnen), von einer Lücke vor dem -innen war entgegen meiner Erwartung nichts zu hören.
So was finde ich aber durchaus sinnvoll, wenn Leute sich gegen das Gendern wehren und dabei argumentieren, dass die Frauen natürlich mitgedacht werden, wenn sie von Ärzten oder Lehrern reden. Wie wenig das stimmt merkt man halt erst, wenn man es umdreht.
Die treuesten Konsumenten und die Herrscher aller Konten konnten nicht verhindern, dass die Revolution aus ihren Kindern Studenten und die Zeit aus ihnen Empfänger von Renten machte. Die Türen
Niemand wird per Gesetz zum Gendern gezwungen, also wozu eine Abstimmung? Die ModeratorInnen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk nutzen die Freiheiten, die sie haben bei der Gestaltung ihrer Moderationen, also nochmal: wozu abstimmen? Wenn mir die Titelmelodie der Tagesschau zu sehr nach Richard Wagner klingt, ist das auch nichts, was dringend per Abstimmung geregelt werden müsste.
☟ smog in berlin. nichts wie hin. weil du mich küsst, bin ich kein tourist.
Ich höre mehrere Podcasts, in denen konsequent gegendert wird, und kann nur sagen: stört mich überhaupt nicht (und warum diese Bewegung entstanden ist, kann ich gut nachvollziehen).
Mich wundert ein bisschen, dass von einer Doku, in der gegendert wird, darauf geschlossen werden kann, dass die öffentlich rechtlichen Rundfunkanstalten uns "eine weitreichende Reform der Sprache vorsetzen". Mir klingt das doch eher nach einem zaghaften Versuch, das durchaus mögliche Gendern sichtbarer zu machen.
You all want the whole world to be changed so you will be different.
Für mich ist das Gendern eine sehr spannende Sache, und zwar aus ganz vielen Gründen. In der Geschichte der "Amtssprache", wurden Sprachkodexe immer von oben herab nach unten durchgereicht. Heißt, irgendjemand hat irgendwas entschieden (Rechtschreibreformen etc), und das musste dann geduldig bis "in die Gosse" gereicht werden, was oft zu Belustigung, Kopfschütteln oder bewusster Nichtbeachtung geführt hat. Das Gendern jedoch ist ein Beispiel für ein ganz neues Phänomen, es ging den umgekehrten Weg von "unten", also aus der Gesellschaft entsprungen, nach "oben". Man kann quasi in Echtzeit beobachten, wie es mehr und mehr in die Alltags- und "Amtssprache" integriert wird. Für diesen ganzen Empowerment-Gesichtspunkt bin ich dem Gendern ganz dankbar.
Auf der anderen Seite kann man ganz klar erkennen, dass hier auch eine "Revolution" der wenigen gestartet wird. Im allgemeinen Sprachgebrauch (also dann, wenn Menschen tatsächlich miteinander REDEN), ist das Gendern NICHT angekommen. Das Gendern ist also eine bislang rein schriftliche Veränderung. Das zwar mittlerweile einigermaßen konsequent, es wird in politischen Beschlüssen gegendert, in den Medien, im Internet, in öffentlichen Publikationen jeder Art. Trotzdem reden die Leute noch immer davon, dass sie jetzt zum Bäcker, zum Friseur oder zum Arzt gehen. Die gesprochene Sprache verändert sich wesentlich weniger schnell als die ausgedachte, neu eingeführte. Wenn überhaupt.
Thematisiert wird das ganze aber vornehmlich in der Awareness-Blase. Das liegt daran, dass die allermeisten echten Menschen im Umgang mit der Sprache den Unterschied zwischen den Geschlechtern überhaupt nicht mitgemacht haben. Das echte Geschlecht vom "Arzt" war auf der Straße komplett wurscht. Wenn man es präzisieren wollte, hat man eben von der Physiotherapeutin oder der Zahnärztin gesprochen, was ja schon einer eigentlich überflüssigen Detailnennung gleichkommt. Was macht es auch für einen Unterschied.
Geschrieben und gedacht ist schon immer etwas völlig anderes als gesprochen und gelebt. Das ist ja jetzt auch nix neues. Den verzweifelten Versuch, die gelebte "echte" Sprache irgendwie schriftlich widerzuspiegeln, kann man ja im lächerlichen "Jugendwort des Jahres" beobachten. Was dort landet, ist entweder schon lange out of order oder nur EIN Wort der Jugendsprache aus hunderten.
Die Sprache entwickelt sich ständig; zu glauben, man könne die gesprochene Sprache durch erzwungene Mechanismen verändern, wird immer scheitern.
Für mich persönlich ist es ein Rückschritt, durch immer speziellere Bezeichnungen zu versuchen, die UNTERSCHIEDE zwischen Menschen auszudrücken. Ein Ensemble am Theater z.B. bestand schon immer - sowohl de facto als auch in den Köpfen der Beteiligten sowie der Zuschauenden - aus gemischten Geschlechtern. Hier künstlich darauf hinzuweisen, dass sowohl Frauen als auch Männer als auch Diverse da mitwirken, ist zum einen überflüssig, aber auch komplett unnötig. Unsere Gesellschaft wird nicht dadurch zusammenwachsen, dass man ihr ständig die Unterschiede vor Augen hält. Eine Gesellschaft wächst, indem Unterschiede und Ungleichheiten verschwinden. Das ständige Aufzeigen und AUfzwingen - auch im Wort, ob geschrieben oder gesprochen - halte ich für am Ende eher kontraproduktiv.
Eine weitere, mich viel wütend machendere Facette des modernen Diskurses ist diese geschwurbelte Internet-Hybris. Ganz viel von der Debatte findet im Internet statt. Da reagieren Milliarden von Leuten gegen angebliche Ungerechtigkeiten. Im Real Life findet das nach meiner Erfahrung so gut wie überhaupt nicht statt. Jede*r Depp*in postuliert mannigfaltige Angriffe schön von Zuhause auf der Couch, aber wenn im Real Life jemand in der Straßenbahn rassistisch oder sexistisch angegriffen wird, geht immer noch keine Sau dazwischen und echauffiert sich im selben Maß. Im Büro klemmen auch alle ihren Schwanz oder ihre Vulva ein, wenn es sie direkt zu Konsequenzen führen könnte. Antisexismus, Antirassismus, Antifaschismus, das alles wird im Netz munter propagiert, aber wenn es darauf ankommt, ist Pustekuchen. Die, die das im Alltag durchziehen, sind "Extremisten".
Wer glaubt, irgendetwas würde sich allein dadurch ändern, dass man in der Tageszeitung Jobanzeigen für Stuckateur*innen lesen kann oder in seiner Radiosendung seine Hörer*innen begrüßt, irrt. Sprache allein verändert gar nix. Es kann ein Anfang sein, anders über Themen zu sprechen, gewiss. Aber dann braucht es auch Geduld, um zu schauen, wie es sich in der Gesellschaft fortsetzt.
Just a MF from hell.
Rotation:
Cindy Lee - Diamond Jubilee | Being Dead - Eels | Shellac - To All Trains
Ich für mich sehe das eher als Gewohnheitssache. Ich habe - sogar in der Pflegedokumentation - angefangen, den Ausdruck "BewohnerInnen" zu benutzen, und es tut auch gar nicht weh. Aber so ist das halt; es muß langsam anfangen, in die Gesellschaft und den Sprachgebrauch hineinzusickern, bis es alltäglich wird und niemand mehr groß darüber nachdenkt, wenn er es benutzt. Dieses moderne Kreuzrittertum, das momentan allerorten ausbricht (vor allem von Leuten, die IMHO häufig in einer komplett akademischen Blase leben und kaum Berührungspunkte mit Lebensrealitäten haben, die außerhalb dieser Blase liegen) halte ich für kontraproduktiv, da es eher trotzige Gegenreaktionen hervorruft. Letzteres ist sowieso noch einmal ein Thema für sich; finde es immer bezeichnend, wenn irgendwelche Politaktivisten im Internet den 1. Mai abfeiern, aber sich niemals in einer Kneipe zu zwei Bauarbeitern auf ein Bier an den Tisch setzen würden, weil das sogenannte Proletariat für sie zumeist Mittel zum Zweck ist und sie es insgeheim oder ganz offen verachten.
We don't believe in anything we dont stand for nothing. We got no "V" for victory cause we know things are tougher.
(Iggy Pop/James Williamson: "Beyond The Law")
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Zitat von burnedcake im Beitrag #17Awareness-Blase (...)echten Menschen
du denkst also, die awareness-blase besteht nicht aus echten menschen? strange ...
Zitat von burnedcake im Beitrag #17Für mich persönlich ist es ein Rückschritt, durch immer speziellere Bezeichnungen zu versuchen, die UNTERSCHIEDE zwischen Menschen auszudrücken. Ein Ensemble am Theater z.B. bestand schon immer - sowohl de facto als auch in den Köpfen der Beteiligten sowie der Zuschauenden - aus gemischten Geschlechtern. Hier künstlich darauf hinzuweisen, dass sowohl Frauen als auch Männer als auch Diverse da mitwirken, ist zum einen überflüssig, aber auch komplett unnötig.
wer tut das? ich habe noch keinen fall erlebt, bei dem sich jemand darüber aufgeregt hat, dass es bei dem ausdruck "ensemble" oder auch "publikum" keinen hinweis darauf gibt, dass da auch frauen dazu gehören, du etwa?
Zitat von burnedcake im Beitrag #17Wer glaubt, irgendetwas würde sich allein dadurch ändern, dass man in der Tageszeitung Jobanzeigen für Stuckateur*innen lesen kann oder in seiner Radiosendung seine Hörer*innen begrüßt, irrt. Sprache allein verändert gar nix. Es kann ein Anfang sein, anders über Themen zu sprechen, gewiss. Aber dann braucht es auch Geduld, um zu schauen, wie es sich in der Gesellschaft fortsetzt.
ach ja, du postulierst hier einfach irrglauben. wie kommst du darauf? sprache ist eine sehr elementare menschliche errungenschaft - eine der hervorstechendsten überhaupt. warum sollte die nicht zu veränderungen führen können?
Es freut mich die Auseinandersetzung von burnedcake, auch wenn ich dem Ergebnis nicht zustimme. Gerade der letzte Absatz mit den Stellenanzeigen ist durch representative Studien widerlegt. Von einer Gegenstudie, die das Gegenteil bewiesen hätte, ist mir nicht bekannt. Das hatte mich auch damals überzeugt, dass Gendern eben kein Quatsch ist. Viele Errungenschaften, die heute für uns selbstverständlich sind, haben als Projekt oder Theorie einer Elite angefangen. Vom heliozentrischen Weltbild bis zum bereits erwähnten Frauenwahlrecht, alles das hat lange gebraucht, bis es in der breiten Bevölkerung ankam. Ob das mit dem Gendern ebenso sein wird, kann heute niemand wissen, aber der Umstand, dass das nicht sofort alle verstehen und/ oder befürworten, ist für mich kein Argument dagegen.
☟ smog in berlin. nichts wie hin. weil du mich küsst, bin ich kein tourist.
Eine Sache fällt mir noch ein: Wenn jemand die Gender-Formen nicht benutzt oder benutzen will, ist mir das auch recht. Es gibt Leute, die andere dafür angreifen oder auf andere Weise darauf bestehen. Das halte ich für falsch. So überzeugt man niemanden.
☟ smog in berlin. nichts wie hin. weil du mich küsst, bin ich kein tourist.