Gestern habe ich einen Text dazu gelesen, der mir im Großen und Ganzen aus der Seele spricht.
ZitatWas mich so UNFASSBAR sauer macht ist, dass Deutschland alles hat. Wir haben Geld, wir haben gut ausgebildete, kluge Menschen, eine kritische Zivilgesellschaft und zentralen Einfluss in Europa - aber auch ständig eine zaudernde, mutlose Regierung, die uns zu Zaungästen beim Kampf um die Zukunft macht. Es ist doch der absolute Gipfel der Absurdität, wenn man sich durch seine eigenen Posts der letzten 2 Jahre liest und denkt: "Ich hab als kompletter Laie die Coronawellen und die Gefahr in Afghanistan früher gesehen als die Bundesregierung!" Beim Klimawandel will ich gar nicht erst anfangen. Und ich bin nicht stolz drauf. Denn das war keine Leistung. Ich hab da zwischendurch auch vieles geschrieben, das schlecht gealtert ist, aber trotzdem sieht eine Bundesregierung gegen meine Posts alt aus. Eine verdammte BUNDESREGIERUNG. Ich will aber darauf bestehen, dass eine Regierung klüger als ich ist. DEUTLICH klüger. Und viel VORAUSSCHAUENDER! Das ist der ganze verdammte Sinn einer parlamentarischen Demokratie. Und ich rede nicht mal von Dummheit durch Lobbyismus oder inhaltlichen Wahnsinn wie Autobahnbau inmitten der Klimakatastrophe. Ich rede von schlichter inhaltsleerer KOMPETENZ-KOMPETENZ. Ich bin soweit, ich würde sogar fast Beifall klatschen wenn CDU und co. Dinge kompetent umsetzen würden, die ich eigentlich scheiße finden. Einfach aus purer Erleichterung über ein Mindestmaß an politischen Handwerk. Aber egal ob Maut, Förderung der Autokonzerne, Digitalisierung, Wasserstoff“strategie“, Coronapolitik, Abschiebungen nach Afghanistan, Bundeswehr - es klappt einfach nichts, es ist einfach alles zu spät und nicht mal mehr die Briten beneiden uns um unsere Regierung. Vor 16 Jahren hatte ich noch den perfekten Länderslogan für Deutschland: „Germany, it works!“ Aber jetzt muss man sagen: Da geht so gut wie nichts mehr zusammen und das mit der Arbeit war bei Konservativen halt auch eher so ein Ding der 90er. Wir haben Andreas Scheuer als Verkehrsminister. Wir haben Altmaier als Wirtschaftsminister. Wir haben Klöckner als Landwirtschaftsministerin. Haben wir eine Bildungsministerin? Haben wir eine Verteidigungsministerin? Und wenn ja, wann wollten die anfangen mal wirklich was anzupacken? Denn da ist ja der größte Witz: Konservative, die es bald in Jahrzehnten noch nicht einmal schaffen eine Bundeswehr wirklich zum Laufen zu kriegen und frei von Nazis zu halten. Wir haben die Welt in zwei Weltkriegen an den Rand der Vernichtung geführt und jetzt, wo wir einmal endlich eine positive Kraft sein könnten, weigert sich unsere Regierung überhaupt eine zu sein. Wir werden nicht mit dem Möchtegernsultan Erdogan fertig, der in der Wirtschaftskrise verletzlich wie nie ist. Wir lassen sogar die Verbreiter seiner Ideologie fast komplett ungehindert in unserem Land arbeiten. Wir lecken Speichel in China. Hängen an der USA. Wir schaffen es nicht einmal Macron dabei zu unterstützen etwas in Europa nach vorne zu bringen, Viktor Orban kalt zu stellen und das Kippen in Polen zumindest zu verlangsamen. Wir. tun. einfach. nichts. Also außer natürlich Maskendeals und andere ähnlich dreckige Selbstbedienung. Das klappt immer. Denn auch wenn die Konservativen von heute nicht mal mehr die Haltung bewahren - ihre persönlichen Pfründe, dafür reichts noch. Ich bin durch ganz Europa gereist. Und ich kann mit einiger Überzeugung sagen: Deutschland ist was Besonderes. Fast nirgendwo gibt es trotz aller Probleme noch so eine aktive und kraftvolle Zivilgesellschaft. So eine kritische Öffentlichkeit, so großartige freie Medien die Skandal um Skandal aufdecken, eine Kleinkunstszene die seinesgleichen sucht, ein noch! hervorragendes Ausbildungssystem. Dieses Land HAT die Kompetenz, HAT die Menschen und HAT die zentrale Funktion in Europa, um Vorbild zu sein. Wir können, dürfen und MÜSSEN besser sein. Und wir waren mal besser. Wir waren das Land, das den Rest der Welt mit dem dynamischen Ausbau der Erneuerbaren Energien begeistert und inspiriert hat. Solarfirmen die plötzlich den Osten beleben. Windfirmen als weit enteilte Weltmarktführer. Mülltrennung und Kreislaufwirtschaft haben wir auf die Agenda gebracht und Mehrwegsysteme verteidigt. Wir hatten einen zwar langsamen aber rechtlich wasserdichten Atomausstieg. Wir hätten das Innovationszentrum der kohlenstofffreien Zukunft werden können. Wir hatten Zukunft und Begeisterung. Und was sind wir geworden? Eine verdammte Lachnummer. Solar tot, Wind so halb, aber dafür weiter wie blöde Autobahnen bauen während die bestehenen wegrotten, wolkige Wasserstoffträume und Speichellecken bei Elon Musk. 16 Jahre konservativ geführt Regierung und wir sind nichts mehr. Wir haben einen Kanzlerkandidaten der Union, der wegen so eine Petitesse wie dem Klimawandel doch nicht seine Politik ändert und selbst als Karnevalsprinz Gefahr liefe im falschen Moment zu lachen und trotzdem ERNSTHAFTE Chancen hat gewählt zu werden. Und ich weiß: Social Media macht vieles nicht besser. Weil es wie ein Brennglas aus jedem Fehler im Detail einen Online-Großbrand macht. Was diesen Wahlkampf schlicht unerträglich macht. Deshalb dies hier als Reminder: Es gibt Fehler im Großen und es gibt Fehler im Kleinen. Und NICHTS zu tun, während Europa und die Welt geradezu nach Orientierung giert ist ein RIESIGER Fehler. Die Grünen können immer noch keinen Wahlkampf, die Linke weiß selber gerade nicht so ganz wer sie ist, die SPD hat ordentlich Altlasten (und eine davon heißt halt auch Olaf Scholz) ABER immerhin haben in der SPD manche Minister tatsächlich gearbeitet. Immerhin haben die Grünen inhaltlich starke Pläne, Mut zur Veränderung und z.B. einen Habeck, der in SH ein richtig guter Minister war. Immerhin haben die Linken ein moralisches Rückgrat und den Willen für Ausgleich zu sorgen. Schaut auf die großen Fehler und den Umgang damit. Denn Fehler macht JEDE(R) von uns. Deshalb ist es so wichtig, dass wir lernen zu gewichten. Fast alle wirklich üblen Lobbyismusskandale waren bei der Union. Nichtstun: Union. Abwarten: Union. Autokraten unterstützen: Union. Handwerklicher Politikdilettantismus: Union, Union, Union. Es kann von hieraus nur besser werden und ich will einfach nur mal eine halbwegs ordentliche Regierung? Eine, die RECHTZEITIG ihren Job macht, die Katastrophen verhindert und nicht befeuert, die zu ihren Worten steht! Denn ich bin verdammt froh in Deutschland zu leben, gerade wenn ich so mit Verzweiflung tief drin nach Afghanistan schauen, und ich fänds schön wenn das so bleibt. Euer Captain Futura.
http://www.last.fm/de/user/DerWaechter ehemaliger Influencer * Downtown * Radebrecht * "Die einzige Bevölkerungsgruppe, die man risikolos beleidigen kann, sind die Dummen. Da fühlt sich nie einer angegriffen." (Ronja von Rönne) “The sex and drugs have gone and now it’s just the rock ‘n’ roll” (Shaun Ryder)
Man sollte allerdings vielleicht der Vollständigkeit halber noch erwähnen, dass auch der scheinbare Anlass dieses Posts, das Händeringen um den Umgang mit Afghanistan, was mit einem SPD-geführten Ministerium zu tun hat.
http://www.last.fm/de/user/DerWaechter ehemaliger Influencer * Downtown * Radebrecht * "Die einzige Bevölkerungsgruppe, die man risikolos beleidigen kann, sind die Dummen. Da fühlt sich nie einer angegriffen." (Ronja von Rönne) “The sex and drugs have gone and now it’s just the rock ‘n’ roll” (Shaun Ryder)
Ich teile die These, dass wir in den letzten Jahren schlecht regiert worden sind, nicht. Corona war keine Meisterleistung, aber es lief fast in jeder Hinsicht zumindest besser als in den meisten anderen Ländern. Das alles war ein Kraftakt, den man erstmal bewältigen muss. Ich weiß, was man dem entgegenhalten kann, von der Digitalisierung der Schulen über eine noch immer halbherzige Verkehrswende, den Umgang mit Flüchtlingen nach 2015 (2015 finde ich noch immer toll), die bestenfalls halbherzige Klimapolitik, etc. Deswegen werde ich vermutlich keine Regierungspartei wählen. Aber die Regierung Merkel war besser als ihr Ruf in unseren Kreisen.
Aber mit dieser These löse ich immer nur bestenfalls verständnisloses Kopfschütteln aus, egal in welcher Runde. :-)
Die bald vergangene Regierung war einigermaßen gut im Verwalten. Alles, was mit Voraussicht zu tun gehabt hat, fand schlichtweg nicht statt - in der Finanzkrise nicht, in der Flüchtlingskrise nicht und in der Corona-Krise ebenso nicht. Für die Umwelt- und Energiepolitik kann man sich einfach nur schämen, und dann noch der Scheuer…
☟ smog in berlin. nichts wie hin. weil du mich küsst, bin ich kein tourist.
Ausbau der Erneuerbaren war trotz Fehlallokationen schon eine Erfolgsgeschichte bei uns. Hat halt vor allem Kohle ersetzt und nicht auch Kohle. Nur verwalten finde ich nicht. Es gab kolossale Krisen (Fukushima, Flüchtende, Finanzkrise, Corona) in denen dann erstaunlich entschieden reagiert wurde. Bei langfristigen Problemen ohne akuten Handlungsdruck war das anders, das stimmt.
Aber in einer weltweiten Welle des Populismus war die Merkel-Regierung in ihrer Nüchternheit angenehm.
Ich verstehe was du meinst, kann dir aber nicht so wirklich zustimmen. Krisen kommen halt Mal um die Ecke. Das Längerfristige wurde halt vergeigt und das zählt für mich bei der Bewertung mehr.
Zitat von faxefaxe im Beitrag #4416„2015 darf sich nicht wiederholen“ ist in dieser Situation für mich das ekelhafteste, was ich seit langem von einem ernstzunehmenden Politiker gehört habe.
Ich habe hinter diesem Zitat ja eine AfD-Pappnase vermutet („ernstzunehmend“ habe ich überlesen), aber das kam ja von Laschet. Weiterhin sprach er noch von „Unterstützung vor Ort“ im Gegensatz zur Aufnahme von Flüchtenden… also Unterstützung in Afghanistan. Wie unterstützt man dort jemanden, der von den Taliban mit dem Tod bedroht wird? So ein Arsch.
Middelberg äußerst sich da ähnlich: »Es sendet falsche Signale, wenn die Grünen bei jedem Konflikt in der Welt sogleich die Aufnahme sämtlicher Flüchtlinge in Deutschland oder in der EU einfordern.«. Beschämend
Aber macht man es sich andererseits mit einer de fakto Forderung einer Neuauflage von 2015 nicht auch sehr einfach? Wo fängt man denn bitte an, wo hört man auf, wen nimmt man konkret auf? Unsere Helfer vor Ort und ihre Familien? D'accord. Bedrohte Intellektuelle und Künstler? Lehrerinnen? Berufstätige Frauen? Die schiitische Minderheit? Frauen und Kinder allgemein? Jeden, der jetzt aus Afghanistan weg möchte? Wir reden von einem Land mit 38 Millionen Menschen, wie viele sollen wir denn nun aufnehmen? 300.000? 3 Millionen? Und wie und wann soll man irgendeine Steuerung denn jetzt noch umsetzen? Einfach signalisieren, dass wir sie schon irgendwie aufnehmen werden, wenn sie es nur irgendwie an unsere Grenze schaffen? Welche Rolle bei der Versorgung von Flüchtlingen sollen denn diesmal die Nachbarländer spielen (ich nehme an, diese meint Laschet mit "vor Ort")? Natürlich sind die Bilder aus Afghanistan schrecklich und der überhastete Abzug war ein schlimmer Fehler. Allerdings hat der globale Dauersündenbock namens Westen in den letzten 20 Jahren eine gewaltige Summe an Geld investiert und zahlreiche Menschenleben (auch der in Deutschland so gerne ignorierten Bundeswehr) geopfert, um dadurch die Taliban 20 Jahre von der Macht fernzuhalten und Afghanistan eine reale Zukunftsoption zu bieten. Dass alles, was man dort (auch an einer staatlichen Sicherheitsarchitektur) aufgebaut hat in wenigen Tagen kollabierte, kann doch weder bedeuten, dass wir das Rad wieder auf 2001 zurückdrehen und alles von vorne beginnen lassen, noch, dass wir jetzt in der moralischen Verantwortung stehen, beträchtliche Teile der afghanischen Zivilgesellschaft zu uns aufzunehmen. Unser globale Verantwortung findet auch in der bloßen Machbarkeit ihre Grenzen und darf auch die Entwicklungen in Deutschland nicht komplett ignorieren. Dass das komplette linke Spektrum jetzt auf das hohe Ross der moralischen Überlegenheit steigt, finde ich so vorhersehbar wie nervig.
Zitat von faxefaxe im Beitrag #4435Ausbau der Erneuerbaren war trotz Fehlallokationen schon eine Erfolgsgeschichte bei uns. Hat halt vor allem Kohle ersetzt und nicht auch Kohle. Nur verwalten finde ich nicht. Es gab kolossale Krisen (Fukushima, Flüchtende, Finanzkrise, Corona) in denen dann erstaunlich entschieden reagiert wurde. Bei langfristigen Problemen ohne akuten Handlungsdruck war das anders, das stimmt.
Aber in einer weltweiten Welle des Populismus war die Merkel-Regierung in ihrer Nüchternheit angenehm.
Fukushima war der berühmte Ausstieg aus dem Ausstieg aus dem Ausstieg. Glanzleistung! Wurde um ein zigfaches teurer.
Dass die Flüchtenden sich auf den Weg Richtung Europa machen würden, war mindestens Monate zuvor vorhersehbar. Die „Lösung“ waren verbrecherische Deals mit Ländern wie der Türkei und Libyen. Auch super!
In der Corona-Krise sind letzten Winter in Deutschland über 1000 Menschen am Tag gestorben, nachdem man im Sommer zuvor praktisch nichts unternommen hat, um die zweite Welle abzubremsen. Klar lag das zum großen Teil an den Regierungen der Bundesländer, aber wofür man jetzt der Bundesregierung einen Orden verleihen soll, nur weil sie nicht komplett alles versemmelt hat, kann ich trotzdem nicht sehen.
☟ smog in berlin. nichts wie hin. weil du mich küsst, bin ich kein tourist.
Das Problem ist nicht die Überlegung, wie man mit dieser Situation in den kommenden Monaten umgeht. Natürlich muss man dann die Diskussion führen, ob man zb Nachbarländer unterstützt. Aber der Zeitpunkt der Äußerung ist verräterisch. In diesen Tagen geht es darum, soviel Menschen wie möglich da herauszuholen, deren Leben bedroht ist. Ob da in einem Flugzeug zwischen 100 Übersetzern auch 100 Nicht-Übersetzer sind, die ihr Heil in der Flucht suchen, ist völlig Wurscht. Siehe das US-Flugzeug. Aber bei uns werden dann sicherheitshalber nur sieben mitgenommen und Laschet ist es am wichtigsten, erstmal zu betonen, dass sich 2015 nicht wiederholen darf. 2015 war eine angemessene humanitäre Aktion angesichts eines Bürgerkriegs in Nähe der EU und angesichts der kaltherzigen Politik anderer Staaten. Das Land hat die Aufnahme auch sehr gut verkraftet. Für mich hat sich das im Nachhinein überhaupt nicht als etwas erwiesen, das ein fataler Fehler gewesen wäre, den man unbedingt nochmal vermeiden muss. Vermutlich würde die Aufnahme von 1,5 Millionen Afghanen auf einen Schlag die Spaltung vertiefen. Aber wir können natürlich Flüchtende bei uns aufnehmen.
Ja, bei einer Freundin aus Österreich wurde im Dezember ein sehr gut integrierter Afghane, der für die Stadt gearbeitet hat, abgeschoben. Im Mai gab es das letzte Lebenszeichen.