Echtzeitalter habe ich auch gerade gelesen. Die Figur des tyrannischen Lehrers (Dolinar) fand ich faszinierend, vielleicht weil er Erinnerungen an selbst durchlittene Schulstunden weckte. Gab schon einige merkwürdige Gestalten, die einen in der Schule etwas beibringen sollten. Glücklicherweise gab es auch viele tolle Lehrer.
Unterm Strich ein kurzweiliger Coming-of-Age-Roman, der es schafft sich selbst nicht zu ernst zu nehmen und doch eine ernsthafte Geschichte zu erzählen.
I'm a septic tank half full kind of guy / got a twinkle in my eye / that I've been told is just astigmatism / I've got a s-skip in my step like / the undead half risen
Stanislaw Lem - Solaris (1961) Seit dem Literaturstudium eins meiner Lieblingsbücher: Ein Science-Fiction-Meisterwerk um einen seit hundert Jahren erforschten Planeten, der dennoch seine Geheimnisse nicht preisgeben will - nicht einmal, ob der einzige "Bewohner", ein den ganzen Planeten umspannender Ozean, überhaupt ein Lebewesen ist oder nicht. Anhand der Geschichte des Solaris-Forschers Kris Kelvin, der auf einer Forschungsstation des Planeten nicht nur auf psychisch völlig fertige Forscher, sondern auch scheinbare Eindringlinge trifft, wirft Lem allerhand Fragen über Leben, (Selbst-)Bewusstsein, die Grenzen der Forschung, Verdrängung und nicht zuletzt Schuld und den Umgang damit auf. Ein bisschen geht es auch um Zwischenmenschliches, um Liebe und wie sie bei der Verdrängung hilft, aber ich glaube, das sollte man nicht allzu sehr in den Mittelpunkt rücken, sonst landet man bei der grausigen Soderbergh-Verfilmung. Für mich am interessantesten ist der Gedanke, dass sich Solaris als potenzielles Lebewesen dermaßen von allem Menschlichen unterscheidet, dass wir überhaupt keine Chance haben, den Ozean überhaupt als Lebewesen zu verstehen. Daher auch die hundert Jahre nahezu fruchtloser Forschung und zahllosen Bände Solaris-Literatur, die immer wieder zitiert werden. Wie erkennen wir Bewusstsein im Fremden? Was ist Bewusstsein überhaupt? Und woher wollen wir wissen, wer und was wir sind, ob wir real sind? Das Buch lohnt sich eindeutig; unbedingte Leseempfehlung!
You all want the whole world to be changed so you will be different.
Saublöder deutscher Titel (Original: East Is East), aber ein recht grandios konstruierter, detailreicher Roman über den Kulturclash, als ein japanischer Seemann von seinem Schiff flieht und auf einer Insel in den US - Südstaaten landet. Eine Frau aus einer Künstlerkolonie versteckt ihn (nicht ganz uneigennützig), gerät aber in den Strudel der Ereignisse, als Hiro Tanaka (der Name des Unglücklichen) unter falschen Anschuldigungen von der Einwanderungsbehörde gejagt wird. Dieses Buch hat eine sehr große Bandbreite aufzuweisen: eine Riesenpalette von Figuren und Figürchen, die ausreichend geschildert werden (und von denen keine richtig sympathisch ist), eine tragikomische Handlung, liebenswerter bis bösartiger Humor, eine ausgefeilte Handlung, die auf verschiedenen Zeitebenen erzählt und trotzdem nie verwirrend wird. Man könnte ihm natürlich zum Vorwurf machen, daß er über Umwege rassistische Stereotype bedient (da vieles aus Hiros Sicht geschildert wird, taucht auch recht oft das N - Wort auf), aber letztendlich bekommen weiße Hinterwäldler und prätentiöse KünstlerInnen genauso eingeschenkt wie schwarze Hinterwäldler. Interessant auch, daß die weibliche Hauptfigur des Buches (die IMHO grottenschlechte Schriftstellerin Ruth Dershovitz) eine literarische Konkurrentin namens Jane Shine hat, die vielleicht als negativer Gegenpol gedacht war ... mit dem Ergebnis, daß ich gerade sie stilvoll und erhaben fand und am Schluß klar Team Jane Shine war. Auch wenn ich nicht glaube, daß Boyles Intention dermaßen simpel war. Auf jeden Fall ein gutes Buch, in dem es trotz dem lugubren Ende und den Qualen des Protagonisten auch einiges zu lachen gibt; habe ein paarmal herausgeprustet.
Definitiv eine Empfehlung!
We don't believe in anything we dont stand for nothing. We got no "V" for victory cause we know things are tougher.
(Iggy Pop/James Williamson: "Beyond The Law")
---------------------------------------------------------------- From the river to shut the fuck up.
#DRCL, ein lose auf Stoker basierender Manga in mehreren Teilen. Der erste Band ist schon mal gut: Schön gezeichnet, nachvollziehbar erzählt, unheimlich und spannend. Nachteil: Es ist bisher wirklich nur Ouvertüre zu dem, was im zweiten Band hoffentlich folgt. Ich werde auf jeden Fall weiterlesen.
You all want the whole world to be changed so you will be different.
Heute ist Comic-Tag im Hause Mory! Nailbiter, ein explizites, blutiges Werk aus der Feder von Joshua Williamson. Es geht um das Serienkiller-Nest Buckaroo in Oregon. Serienkiller-Nest? O ja, denn 16 der abscheulichsten Vertreter dieser "Zunft" stammen von dort. Wurden die alle böse geboren, oder wird man in Buckaroo zum Serienmörder gemacht? Das fragt sich auch Polizist Carroll und begibt sich nach Oregon, um Nachforschungen anzustellen - bis er plötzlich verschwindet. "Befragungs-Experte" Nick Finch will seinen Freund finden und reist selbst nach Buckaroo. Was er findet, sind unzählige Rätsel.
Ich bin angefixt, aber so richtig. Eine gut gezeichnete (Mike Henderson) und spannend erzählte Kriminalgeschichte der härteren Art. Band 2 ist zum Glück bereits zu haben; der wird dann wohl nach dem Asientrip eingekauft.
EDIT: Hab doch schon zugegriffen und Teil 2 auch schon mit Begeisterung gelesen. Jetzt muss ich auf Band 3 warten, denn unglücklicherweise weiß ich immer noch nicht, was in Buckaroo vor sich geht. ARGH, die Spannung!!
You all want the whole world to be changed so you will be different.
Erstaunlich konkurrenzfähiger und unpeinlicher Agententhriller aus Deutschland. Spielt Anfang der 80er-Jahre in München, Berlin und Moskau. Kann man gut lesen mal zwischendurch.
Mal wieder den Nachttischstapel verkleinert, an diesem Geburtstagsgeschenk meiner Nachbarn habe ich auch zwei Jahre herumgelesen. Ein obskures Hobby: gedruckte Notenblätter mehr oder weniger populärer Songs zu sammeln und 700 davon in ein Buch großformatiges Buch drucken zu lassen. Kann die Begeisterung des Autors bezüglich der Covers nicht nachvollziehen, denn die sind häufig unspektakulär, häßlich oder schäbig; die Begleitinformationen zu den aufgeführten Songs sind allerdings sehr informativ, auch wenn der Autor es trotz aller Bemühungen nicht hinbekommt, wirklich komische Texte zu schreiben. Aber gelesen hab ich es gern; immer mal wieder zwei - vier Seiten am Tag (mehr geht echt kaum), aber die letzten hundert hab ich dann in den letzten sechs Wochen doch durchgedroschen, um mal zu einem Ende zu kommen.
We don't believe in anything we dont stand for nothing. We got no "V" for victory cause we know things are tougher.
(Iggy Pop/James Williamson: "Beyond The Law")
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Gianfranco Calligarich: Der letzte Sommer in der Stadt Italienischer „Kultroman“, ursprünglich 1973, erstmals auf Deutsch 2022 erschienen. Ein 30-jähriger Journalist irrlichtert am Rande der Existenz durch die Kneipen und die Bohème eines sommerlichen Roms, arbeitet hier und da als Schreiber und verliebt sich unglücklich in eine Art italienische Holly Golightly. Melancholischer, atmosphärischer Taumel durch die Ewige Stadt in sepia. Schön.
T. J. Forrester: Kings of Nowhere Drei gescheiterte Existenzen wandern auf dem Appalachian Trail und erhoffen sich Läuterung. Klang eigentlich recht vielversprechend, kommt aber ziemlich steril daher. Die Figuren bleiben merkwürdig blass und short-story-artige Episoden, die zugegebenermaßen ganz geschickt eingearbeitet sind, verhindern einen roten Faden. Enttäuschend.
Patricia Highsmith: Schreie der Liebe Schmales Bändchen mit fünf Short Stories (aus verschiedenen Sammlungen), das ich zufällig im Regal gefunden habe, als ich nach „Perfect Days“ aus dem Kino kam, in dem Highsmith-Geschichten auch eine Rolle spielen. Wie der Titel andeutet, geht es in fast allen Texten um erkaltete Paarbeziehungen. Fein beobachtet, psychologisch sezierend. Motiviert mich, endlich mal den Ripley zu lesen.
Doireann Ní Ghríofa: Ein Geist in der Kehle Jetzt schon ein Highlight im noch jungen Lesejahr. Zum Glück kein Roman: Die irische Lyrikerin Ní Ghríofa erzählt äußerst nahbar von ihrer Begeisterung und Besessenheit vom wohl schönsten irischen Gedicht des 18. Jahrhunderts – das Klagelied der irischen Dichterin Eibhlín Dubh Ní Chonaill um ihren ermordeten Mann. Zum einen versucht die Autorin das Gedicht ins Englische zu übersetzen und ringt dabei mit jedem Wort – eine gälische, englische und deutsche Übersetzung sind am Ende des Buchs zu finden. Zum anderen begibt sie sich in Archiven und an Schauplätzen auf Spurensuche, um alles über die Dichterin, ihre Familie und die Mordumstände herauszufinden. Dabei muss sich sich durch jede Menge männliche Lebensgeschichten wühlen, um Informationen über die Frauen der Geschichte herauszudestillieren. Die Recherchen verwebt sie mit ihrer Biographie, mit ihrem Alltag als Mutter und Ehefrau, und sie beschreibt wie sie auf diesem Weg ein Stück weit zu sich findet – klingt kitschig, ist es aber nicht. „Das ist ein weiblicher Text“, betont sie immer wieder. Was vielleicht etwas verwirrend klingt, ist sehr geradlinig und eindringlich in einer kraftvollen Sprache erzählt, beispielsweise wenn sie die problematische Geburt ihrer Tochter und die folgende Zeit auf der Frühchen-Station schildert. Das Buch hat mich aufgesaugt und umgehauen. Ein Ereignis – dicke Empfehlung!
Zum Abschluss der großen Remarque-Edition: seine frühen Romane. Die Geburt eines großen Erzählers! Gam ist jung und schön, aber rastlos. Auf der Suche nach sich selbst durchstreift sie vier Kontinente und reiht Affäre an Affäre, doch erst als ihr Liebhaber Lavalette stirbt, erkennt sie, dass sie sich nur allein finden kann. »Gam« ist der einzige Roman Remarques mit einer weiblichen Hauptfigur. Erst 1998 aus dem Nachlass publiziert, liegt er zum ersten Mal als Einzelausgabe vor.
Aber wenn man die Gesamtausgabe hat, quält man sich auch einmal durch solch veritablen Scheiß und findet trotzdem noch die ein oder andere Erkenntnis.
Nee, echt nicht, da bist du härter im Nehmen als ich. Nach 20 (!) Seiten habe ich entnervt aufgegeben. Was für ein unübersichtliches, überhebliches Gebrabbel. Wirklich richtig schlimm.
I'm a septic tank half full kind of guy / got a twinkle in my eye / that I've been told is just astigmatism / I've got a s-skip in my step like / the undead half risen
Durch einen Podcast aufgrund der nahenden Netflix-Serie auf die Bücher aufmerksam gemacht, habe ich den ersten Band der Trilogie ziemlich verschlungen (und heute Teil zwei und drei gekauft). Es dauert eine ganze Weile, bis der Science-Fiction-Part der Geschichte Fahrt aufnimmt, aber auch die bis dahin dominierende Schilderung des Chinas der Kulturrevolution ist faszinierend. Was mir gut gefällt: Es gibt einige gut ausgearbeitete Figuren, selbst Kurzcharakterisierungen machen viel auf, die Schilderung der Wissenschaft ist griffig, (mit Ausnahme der letzten Seiten) laienverständlich und glaubwürdig, das Buch wirft interessante, wenn auch nicht vollkommen neue ethische Fragestellungen auf. Ich freue mich auf den nächsten Teil!
"Happy Holidays... is what terrorists say. Merry Christmas, from Avery and Jack."