Spiral - The Ring 2 (1995) Kōji Suzuki hat nicht nur "The Ring" geschrieben, sondern gleich mal eine Trilogie draus gemacht. Teil 2 erschien vier Jahre nach "The Ring" und führt die dort erzählte Geschichte in sehr viel größerem Maßstab weiter. Zur Erinnerung: "The Ring" erzählt von einem mysteriösen Videoband, das sein Publikum nach sieben Tagen tötet. Besagtes Videoband wurde offenbar von der mit starken PSI-Kräften ausgestatteten Sadako Yamamoto nach ihrem gewaltsamen Tod "bespielt" und infiziert die Zuschauenden mit einer Art Virus, das dem Pockenvirus nicht unähnlich ist. Das Ziel? Weitestmögliche Verbreitung natürlich! Teil 2 taucht nun tiefer in die Virus-PSI-Manipulationsecke: Pathologe Ando fällt bei der Autopsie seines früheren Studienkollegen Ryuji (der in Teil 1 an dem Video starb) etwas Seltsames auf. Nun ist es an ihm, weitere Nachforschungen anzustellen - und eventuell das Ende der Menschheit selbst abzuwenden. Viele Kritiken bemängeln die Richtung, die die Geschichte nimmt. Ja, das ist alles ausgesprochen absurd und vielleicht auch etwas zu kompliziert, aber es ist innerhalb des Roman-Kosmos nicht unlogisch und somit konnte ich mich darauf einlassen und den Roman genießen. Suzuki ist ein guter Erzähler mit interessanten Ideen. Nicht zuletzt die vermutlich authentische Darstellung des Lebens in Tokio, die bei einem Tokioter Autoren naturgemäß mit einfließt, hat mich sehr fasziniert.
You all want the whole world to be changed so you will be different.
Zitat von Mory im Beitrag #2181Stephen King - Blutige Nachrichten (If it Bleeds; 2020)
Vier Novellen vom Meister, allesamt überzeugend. Es beginnt mit Mr. Harrigans Telefon, der Geschichte über die Freundschaft eines Jungen zu einem alten Mann, die vielleicht sogar über den Tod hinaus Bestand hat. Ein bisschen gruselig, sehr berührend. Wurde meines Wissens bereits verfilmt. Dann folgt die fabelhafte Geschichte um Chucks Leben, der so gern getanzt hat und dessen Abgang mehr als nur die Welt seiner Familie erschüttert. Das war seit Langem mal wieder eine Erzählung, bei der ich erst völlig versunken war, dann angenehm gegruselt, dann sehr melancholisch. Danke, Chuck! Blutige Nachrichten ist die längste der Novellen. Es geht um Holly Gibney, die wir bereits aus Mr. Mercedes (toller Roman!) und Der Outsider (gut, aber nicht herausragend) kennen. Nach einem Bombenanschlag auf eine Schule bekommt Holly plötzlich so ein Gefühl, als stimmte da etwas nicht. Mittlerweile ist sie Privatdetektivin, was liegt also näher, als die ganze Sache zu untersuchen? Ich weiß nicht, wie King das macht, aber manchmal genieße ich besonders seine wenig spannenden, vorhersehbaren Geschichten. Vielleicht, weil seine Figuren so sorgfältig entwickelt sind und wahnsinnig gut funktionieren? Blutige Nachrichten ist nicht besonders toll, aber es macht viel Spaß, Zeit mit Holly zu verbringen. (Was vermutlich bedeutet, dass ich mir demnächst Holly besorgen muss. Ich warte mal aufs Taschenbuch.) Den Abschluss macht Ratte, eine kürzere Erzählung um einen Schriftsteller, den man mit Fug und Recht erfolglos nennen kann, hat er doch bis auf einige wenige Kurzgeschichten nichts veröffentlicht. Nach dem Desaster, in dem sein letzter Versuch, einen Roman zu schreiben, endete, will er das auch eigentlich dabei belassen. Dann kommt ihm jedoch eine Idee. Eine gute! Trotz der Einwände seiner Frau zieht er sich in die Waldhütte der Familie zurück und begibt sich an die Arbeit. Und dann wird's wild. Diese Geschichte hab ich gestern Abend gelesen und konnte einfach nicht aufhören. Fesselnd von Anfang an. King sinniert oft über das Schreiben, wie es geht, wie es sich anfühlt, was es mit einem macht. Jedes einzelne Mal lese ich diese Beschreibungen mit Faszination und gleiche sie mit meinen Erfahrungen ab - so auch hier. Diesmal kam ich - wie eigentlich oft bei Kings Schriftsteller-Figuren - zu dem Schluss: Gott sei Dank bin ich nicht annähernd so neurotisch!
Diese Novellensammlung wird jedem King-Fan viel Spaß machen, da bin ich sicher. Sie ist leidlich harmlos und damit auch für zarter besaitete Gruselfans geeignet.
So, bin durch und froh, der Empfehlung Folge geleistet zu haben. Alle Geschichten haben mir gefallen!
Zitat von Larry Iutbally im Beitrag Stephen King Mr. Harrigan's Phone fand ich richtig schön rund und toll erzählt, die Figur Mr. Harrigan in ihrer Klarheit sehr angenehm. The Life Of Chuck fängt sehr sehr gut an, leider ließ bei mir das Lesevergnügen ein wenig nach, als Chuck dann ins Spiel kam. War immer noch eine gute Geschichte, aber ich hätte mir gewünscht, länger im ersten Teil der Geschichte zu verweilen.
If It Bleeds war quasi ein Kurzkrimi mit offensichtlichem Ende, aber trotzdem spannend zu lesen. Das Verhältnis Holly/Charlotte in der Nebenhandlung fand ich auch interessant beschrieben.
Rat war mein Highlight. Abgelegener, einsamer Schauplatz, extremes Wetter, psychischer Ausnahmezustand, interessante Thematik. Da passt eigentlich alles. Mich würde ja interessieren, wie das übersetzt wurde, da dann gegen Ende auch Wortspiele/-ähnlichkeiten eine gewisse Rolle spielen.
The Life Of Chuck war insgesamt für mich die Geschichte, die mir am wenigsten zugesagt hat. Hätte bei mir aber trotzdem mindestens 6 von 10 Punkten erhalten. Hohes Niveau also.
I'm a septic tank half full kind of guy / got a twinkle in my eye / that I've been told is just astigmatism / I've got a s-skip in my step like / the undead half risen
Benedict Wells: Hard Land Dieser Roman ist eine einzige Dienstleistung. Zugegebenermaßen hab ich ihn nur gelesen, um meine Vorurteile gegenüber Benedict Wells bestätigt zu sehen. Jetzt bin ich davon überzeugt, dass er eine KI ist.
teils biographisch, teils fabuliert, teils ein sachbuch, und so aktuell, das prigoshin gerade noch lebt (wenn auch bereits in belarus). wer einigermaßen im thema ist, erfährt auf der politischen oder gesellschaftlichen ebene wenig neues, mehr aber über die "innenansichten" des systems und die schilderung der umbruchzeit nach 1991, das leben als kritischer schriftsteller, die schlinge, die sich immer enger zieht. lese"spaß" hat sich bei mir kaum eingestellt, dazu schreibt mir jerofejew zu sperrig, zu hölzern, es gibt kapitel, die mich umgehauen haben, aber auch solche, durch die ich mich quälen musste. und, sonderkritik: ich möchte mal wieder ein buch lesen, in dem nicht gevögelt wird, außer, es ist der geschichte dienlich. hier scheint es das nicht. ob es lesenswert ist? komischerweise sage ich: ja. wie die "kinder der gewalt" von julian hans beschreibt "der große gopnik" das innenleben einer zutiefst verrotteten gesellschaft, er hilft, ein russland zu verstehen, an das wir viel zu oft mit westlichen oder demokratischen maßstäben herangehen.
Zitat von kafkaktus im Beitrag #2193Benedict Wells: Hard Land Dieser Roman ist eine einzige Dienstleistung. Zugegebenermaßen hab ich ihn nur gelesen, um meine Vorurteile gegenüber Benedict Wells bestätigt zu sehen. Jetzt bin ich davon überzeugt, dass er eine KI ist.
Ich kann auch gar nix mit ihm anfangen. Habe allerdings nur ein Buch gelesen, fand es furchtbar kitschig.
Eine sehr seltsame Leseerfahrung. Die erste Hälfte des Romans ist fantastisch, zieht einen voll rein und dröselt nach und nach in langen Rückblicken die Hintergründe einiger Figuren und gleichzeitig die Geschichte der Juden in Europa auf. Tja, und dann geht's nach Israel und das Ganze fällt irgendwie auseinander. Weibliche Figuren eifersüchteln untereinander herum, das letzte Drittel besteht gefühlt nur aus ermüdenden Schlachtbeschreibungen und über allem wabert ein deutlicher Anti-Arabismus (der sich vor allem in den gewählten Formulierungen niederschlägt). Schade, bis zur Hälfte war ich so begeistert wie damals, als ich den Roman zum ersten Mal las.
am bahnhof gesehen, mitgenommen und gelesen. aus diesem buch spricht vor allem die maßlose enttäuschung über die ausbleibende, öffentlich sichtbare, solidarität der deutschen gesellschaft nach dem 07. oktober. und wenn friedmanns fazit ist, dass man als jude beginnen muss, zu überlegen, das land zu verlassen, ist der knoten im magen unendlich. dieses kleine buch tut weh.
Ein Roman, der eigentlich zwei Inhalte transportiert. Zum einen erzählt der von einer Familie italienischer Eismacher in Rotterdam über vier Generationen hinweg, zum Teil in schmonzettiger Historie, zum Teil mit herzerwärmender oder bedrückender Emotion. Das im Buch beschriebene Tal der Eismacher in den Dolomiten gibt es wirklich, die Betreiber der zwei Eiscafes in unserem Nachbarviertel kommen von dort, und gerade bei den emotionalen Sachen musste ich oft an diese Leute denken. Allein schon deswegen lesenswert. Zum anderen bringt einem das Buch Lyrik näher. Der ich-Erzähler des Buches (nicht der Autor) ist als Verleger und Kurator tief in der weltweiten Lyrik-Szene verwurzelt, statt Eismacher geworden zu sein, und er beschreibt immer wieder Aspekte aus der Geschichte seiner Familie mit Zitaten aus Gedichten. Und dieses Nebeneinanderstellen von "realen" Situationen und Lyrik, die solche Situationen beschreibt, habe ich so bisher nicht gelesen - und das hat mir die Sache mit der Lyrik wirklich näher gebracht.
Von daher, vielleicht nicht das beste Buch des Jahres, aber sicher eines der lesenswerten Bücher.
Zitat von King Bronkowitz im Beitrag BuchgeplauderBin grad sehr beeindruckt und lasse deshalb mal eine Empfehlung los:
Die Autobiographie von Billie Holiday; ein komplett hartes und teilweise verkorkstes Leben zwischen Gewalt, Mißbrauch, Heroinsucht und Rassismus, jedoch in einem harten, sarkastischen Ton und grimmigem Humor geschildert. Stilistisch grandios; ich bewundere diese Frau sowieso, aber sie wäre auch eine tolle Schriftstellerin geworden.
Ist von 1956 und endet mit einem hoffnungsvollen und optimistischen Ausblick auf ihr weiteres Leben. Drei Jahre später war sie tot, elendig gestorben: Anfang 1959 diagnostizierte ihr Arzt eine Leberzirrhose und verbot Holiday das Trinken; sie blieb jedoch nur kurzzeitig abstinent vom Alkohol. Im Mai hatte sie zehn Kilogramm Gewicht verloren. Am 31. Mai wurde sie ins Metropolitan Hospital eingeliefert, wo sie unter entwürdigenden Umständen starb; Polizisten standen um das Krankenbett herum, um sie wegen Drogenbesitzes zu verhaften.
Als sie im Juli 1959 im Alter von 44 Jahren starb, hatte sie 0,70 US-Dollar auf dem Konto und ein Zeitschriftenhonorar von 750 Dollar in bar bei sich.
Was für eine großartige Künstlerin. Und was für eine tragische Existenz.
We don't believe in anything we dont stand for nothing. We got no "V" for victory cause we know things are tougher.
(Iggy Pop/James Williamson: "Beyond The Law")
---------------------------------------------------------------- From the river to shut the fuck up.
Literatur, die mir als Teenager gefallen hat, läuft mir heute meist nicht mehr so gut rein. Man hat sich ein bisschen weiterentwickelt, ein kleines bisschen jedenfalls. Wie dem auch sei: dieser Roman ist immer noch große Klasse. Ich hatte derart Freunde und Faszination beim Lesen, wie lange nicht mehr. Es geht um ein kleines Cro-Magnon-Mädchen, das nach dem Verlust seiner Eltern nach einem Erdbeben von einem Neanderthaler-Stamm gefunden und aufgezogen wird. Jean M. Auel hat sich für ihre Geschichte eine Menge Fachwissen angeeignet und man kann viel darüber lernen, wie diese Stämme gelebt haben könnten. Ein Teil davon ist sicherlich auch ihre Erfindung, bleibt aber stets glaubwürdig. Ganz toll, ich bin wirklich begeistert. Und das beste: es gibt noch fünf Bände. (Insgesamt vier habe ich in den 90ern schon gelesen.)
Die ersten 20-30 Seiten habe ich bissl damit gefremdelt (und dachte, dass ich damit wie mit Underground Railroad nicht zurecht komme), das gab sich dann aber sehr schnell. Der Perspektivwechsel - Mark Twain aus der Sicht des Sklaven Jim - funktioniert für mich gut. Und so ist es, wie das Original, sowohl ein aufrüttelndes Buch, als auch ein Abenteuerroman. Nicht ganz mit der erzählerischen Kraft Twains, aber insgesamt fand ich es schon toll.
Ich habe jetzt endlich "MTViva liebt dich" von Markus Kavka und Elmar Giglinger durch. Es ist einerseits schon spannend, das zu sehen. Aber ich merke auch, wie ich am Ende ein wenig das Interesse verloren habe, weil mich die späte Zeit des Musikfernsehens kaum noch erreicht hatte. Mit Musik war da ja nicht mehr viel...
Dummerweise sehe ich da schon Parallelen zu meinem Arbeitgeber, wo redaktionelle Entscheidungen längst nicht mehr das Gewicht haben wie finanzielle und die Sparer regieren, nicht die Macher.
Die letzten Sechs in der Playlist: Honeyglaze - Real Deal || Laura Marling - Patterns In Repeat || Nieve Ella - Watch It Ache and Bleed || Dawn Richard & Spencer Zahn - Quiet In a World Full of Noise || Flip Top Head - Up Like a Weather Balloon || Haley Heyndericks - Seed of a Seed
ZitatIn einen gefallenen Engel, einen Herointoten auf den Straßen von San Blas, verliebt sich die Erzählerin dieses Romans zum ersten Mal. Sie, die im Körper eines Jungen aufwächst, und nur hinter verschlossenen Türen kurze Momente gestohlenen Glücks mit Rouge und Lippenstift ihrer Mutter hat, zeichnet ihren Weg nach: Beginnend in einem Arbeiterviertel Madrids, das nicht weiter entfernt sein könnte von der schillernden Hauptstadt Spaniens, deren Nachtleben in den Achtzigern ein Zentrum der queeren Szene wird. Während sie aufwächst, diskutieren Familien unironisch, ob ein drogensüchtiger oder ein homosexueller Sohn das schwerere Schicksal sei, und so sind es die Außenseiter:innen – triumphale Nymphen und wilde Chimären –, die ihr zu Wegbegleiter:innen werden. Zwischen Armut und Gewalt, politischer Klassenunterdrückung und Momenten heimlicher Solidarität wird sie langsam, quälend langsam, zu der, die sie immer schon war.
ZitatDie schlechte Gewohnheit ist eine umgekehrte Heldenreise, verfasst in gleißend schöner Sprache, in der schillernde Außenseiter sich zu einer Gemeinschaf formen, die das Überleben möglich macht. Erzählt mit dem Klassenbewusstsein von Annie Ernaux, dem rohen Realismus von Shuggie Bain, der Lust am Grenzensprengen von Virginie Despentes und dem Sinn für Außenseiterfiguren von Pedro Almodóvar, ist der Roman gleichermaßen erschütternd wie heilsam.
Ich finde, die Lobhudelei ist durchaus berechtigt. Für mich ein sehr schönes Buch, das mich berührt und auch ein bisschen wütend gemacht hat, auch wenn das Ende versöhnlich ist.
http://www.last.fm/de/user/DerWaechter ehemaliger Influencer * Downtown * Radebrecht * "Die einzige Bevölkerungsgruppe, die man risikolos beleidigen kann, sind die Dummen. Da fühlt sich nie einer angegriffen." (Ronja von Rönne) “The sex and drugs have gone and now it’s just the rock ‘n’ roll” (Shaun Ryder)