Zitat von Olsen im Beitrag #2158Das sehe ich anders. Eine schöne Umschlaggestaltung macht mich neugierig.
Mag sein, dass ein Cover neugierig macht. Der Klappentext dagegen könnte diesen Eindruck schon wieder zerstören. Und im Endeffekt stelle ich mir ja keine Bücher in die Bude, damit die hübsch aussehen. Ich lese sie gemeinhin, entsprechend ist der Inhalt ein gutes Stück wichtiger als der Umschlag.
You all want the whole world to be changed so you will be different.
Olsen hat ja nicht geschrieben, dass der Umschlag wichtiger als der Inhalt wäre.
Heavy Rotation → ◉ Fleetwood Mac - Tango in the Night ◉ Bonobo - Black Sands ◉ The Decemberists - As It Ever Was, So It Will Be Again ◉ Interpol - Our Love to Admire ◉ Skeewiff - Something Like That?
So geht's mir auch. Irrelevant sind Cover für mich ganz und gar nicht. Ich erwarte auch, um ehrlich zu sein, dass man sich da etwas Mühe gibt. Dass es auch gute Bücher mit mieser Gestaltung gibt, stimmt natürlich trotzdem, gilt für Musik ja auch.
natürlich mache ich es nur äußerst begrenzt vom umschlag abhängig, ob ich ein buch lese, das sich eh schon in meinem besitz befindet oder zumindest auf der to-read-liste steht. aber wenn ich in einem buchladen in kaufappetenz vor mich hinwühle, wäre ein derartiges cover garantiert nicht dazu angetan, mich zu einem unverbindlichen blick ins buch zu bewegen; es sei denn, ich bin in "haha, guck mal, dieser trash!"-laune.
Wunderbar flüssig geschriebener und von mir gern gelesener zeitgenössischer Roman von Juli Zeh. Spielt zur Zeit des Corona-Lockdowns und lässt einen nebenher immer den eigenen chronologischen Verlauf nacherleben, da immer Bezug auf seinerzeit tagesaktuelle Geschehnisse genommen wird. Eine Frau zieht (mit ihrem Hund) von Berlin aufs Land, lässt ihren zum Schwurbler gewandelten Ex und ihr erfolgreiches Leben dort zurück und kauft sich ein altes Haus in einem Brandenburget Kaff. Hier sieht sie sich umzingelt von Nazis und AfD-Wählern und hat den vermeintlich schlimmsten von ihnen als direkten Nachbarn. Die beiden, und seine kleine Tochter, werden zu einer Gemeinschaft zusammenwachsen, von der sie selbst am allermeisten überrascht wird. Das Leben spielt nicht immer fair, auch in diesem Roman nicht, und um nicht zu viel zu verraten, belasse ich es dabei. Toll, wie Zeh die Gedankengänge, die innere Zerrissenheit im Umgang mit allen Reizthemen dieser Zeit, die wir ja alle erlebt haben, offen legt. Wie sie die Hauptprotagonistin zweifeln und handeln lässt, zaudern und zupacken, und jeder Moment ist nachvollziehbar. Schön und klar geschrieben, mit einem ganz eigenen Humor, herrlicher Ironie und offenem Blick auf die Welt und das Leben.
Eine vertrackte Geschichte mit mehreren Ebenen: In der Vergangenheit hat sich Krankenschwester/ Kammerzofe Hester Why (so ihr neuer Tarnname) so einiges zuschulden kommen lassen und ist darüber dem Alkohol verfallen. Da kommt ihr die neue Anstellung als Pflegerin der betagten Miss Pinecroft in deren Haus an der Küste Cornwalls nur zu gelegen. Aber die alte, von einem Schlaganfall teilweise gelähmte Frau hadert offenbar stumm mit ihrer eigenen, nicht minder tragischen Geschichte, die ihr große Trauer und eine beeindruckende Sammlung edlen, etwas unheimlichen Porzellans eingebracht hat. Und dann geschehen immer wieder seltsame Dinge in dem alten Haus. Sind es die von Haushälterin Creeda gefürchteten Feen, die hier ihr Unwesen treiben, oder verliert Hester über ihre eigenen Geheimnisse und den allgegenwärtigen Gin den Verstand?
Wieder ein spannend und überzeugend erzählter Roman der englischen Autorin, und der letzte, den es bisher auf Deutsch gibt. (In knapp zwei Wochen erscheint die gebundene Ausgabe von "Die flüsternde Muse".) Ich persönlich fand die Ausflüge in Louise Pinecrofts Vergangenheit nicht besonders interessant, aber Hesters Erlebnisse im erzählten Jetzt trösten darüber hinweg. Tolle Autorin! Ich bin froh, sie entdeckt zu haben.
You all want the whole world to be changed so you will be different.
Tracey Thorn - Ein anderer Planet Eine Jugend in Suburbia
Bild entfernt (keine Rechte)
Tracey Thorn - ihre Stimme ist Wohlklang für mich, die Musik die ich von ihr kenne, schätze ich sehr. Dies ist nicht Ihr erstes Buch, sie hat schon mehr (nicht nur Bücher) geschrieben und veröffentlicht. Es ist aber das erste Buch, das ich von ihr gekauft habe. Und ich habe es verschlungen. Sie ist drei, vier Jahre älter als ich und beschreibt ihre Jugend, ihr Heranwachsen in der Zeit, in der auch ich mich wiederfinde. Nicht nur in der Mode, der Musik, auch in den Erwartungen, den Träumen, was das Leben und den Sprung ins Erwachsenwerden angeht. Alles basiert auf ihren Tagebucheinträgen und ihren Erinnerungen, kombiniert mit mehreren Ausflügen an die Orte der Vergangenheit (Suburbia). Gepaart mit Erkenntnissen, die sie im Laufe des Lebens gewinnen konnte, die wiederum zu Einsichten führen, die das Unverstandensein und die Isolationsgefühle, das Aufbegehren und den (pubertären) Widerstand gegen das Elternhaus und die Welt der Erwachsenen heute durch Verstehen etwas klären.
Habe mich an vielen, vielen Stellen wieder gefunden, an manchen so gar nicht (es war deutlich strenger bei mir daheim), aber der Soundtrack passt allemal. Tracey schreibt interessant und fesselnd, hinterfragt und erklärt, hat einen feinen Humor und seit ihrer Jugend eine klare politische Position, die sie beibehalten hat.
Das war eine - wer hätte es ahnen können - sehr deprimierende Lektüre. Christina Clemm erzählt von acht Fällen, die Gewalt gegen Frauen zum Thema haben und stattgefundenen Taten nachempfunden sind. Anhand dieser Fälle führt Clemm dem Leser noch einmal konkret vor Augen, wie alltäglich diese Gewalt ist, was sie bei den Betroffenen auslöst, wie schwierig es ist, die Täter angemessen zu bestrafen (auch weil die daran beteiligten Institutionen nicht frei von Sexismus sind) und welche Überwindung bzw. wieviel Kraft es die Betroffenen kostet, diesen Prozess zu durchschreiten. Die Fälle sind in einer sehr klaren, flüssigen Sprache beschrieben und werden immer wieder durch Einschübe zur Rechtslage und dazugehörigen Informationen ergänzt.
Ein absolut empfehlenswertes Buch, auch wenn (oder gerade weil) das Thema ein sehr trauriges bzw. wütend machendes ist.
I'm a septic tank half full kind of guy / got a twinkle in my eye / that I've been told is just astigmatism / I've got a s-skip in my step like / the undead half risen
Vom letzten Roman seiner Frau (die auch hier kurz als Monika auftaucht) war ich leicht erzählt. Das hier hat mir fast genauso gut gefallen wie Frankie, Köhlmeier ist schon ein sehr guter Erzähler. Die Philosophenschiffe zur Ausbürgerung von Künstlern aus Russland gab es, Lenin, den eine Architektin als Kind hier trifft, war aber nicht darauf. Kann man gut lesen (das tollste Buch der beiden bleibt aber Löwenherz).
Zitat von faxefaxe im Beitrag #2171(das tollste Buch der beiden bleiben aber Löwenherz).
Habe ich kürzlich auch gelesen, fand ich richtig gut und hat bleibenden Eindruck hinterlassen. 'Die Bagage' habe ich dann schnell nachgelegt, auch gut. 'Vati' folgt definitiv noch, aber ich glaube, das war dann auch noch nicht das letzte aus dem Helfer/Köhlmeier-Kosmos. An Köhlmeier wollte ich mich eh schon länger mal versuchen.
I'm a septic tank half full kind of guy / got a twinkle in my eye / that I've been told is just astigmatism / I've got a s-skip in my step like / the undead half risen
Erich Maria Remarque: Der Himmel kennt keine Günstlinge (1959/1961)
Ich hatte null Erwartungen an diesen Roman. Remarque kreuzt als Mann über 60 noch einmal zwei beherrschende Themen seines Werks: eine aussichtslose Liebe, die fatal enden muß sowie Autorennen, die hauptsächlich sein Frühwerk beherrschten; siehe auch "Station am Horizont" und "Drei Kameraden". Seine schreiberischen Anfänge bestehen ja hauptsächlich aus journalistischen Arbeiten über Motorsport.
Was dabei herausgekommen ist, ist absolut großartig. Das Buch hat wenig Handlung und wurde deswegen von einem Teil der Kritik verrissen, auch weil er Motive aus Manns "Zauberberg" aufgreift (ein Teil der Handlung spielt in einem Sanatorium in Davos), gilt aber mittlerweile als sein philosophischstes Werk, weil er seine persönlichen Ansichten über Leben und Tod einfließen ließ, worin ich mich auch größtenteils wiedererkenne. Auch verzichtet er diesmal trotz aller Tragik auf Tränenzieherei (die ja bei ihm häufig exzellent funktioniert, deshalb erwartete ich die auch hier), dazu steht die weibliche Hauptfigur allem zu distanziert gegenüber.
Gelesen habe ich das in einem Rutsch; und im ausführlichen Anhang werden diverse Aspekte noch einmal beleuchtet. Vor allem findet man zwei Texte von ihm aus den Zwanzigern, die noch aus seiner Dandyzeit stammen und relativ großer connaisseurhafter Quatsch sind; interessanter Vergleich um zu sehen, wie er als Autor über die Zeit gereift ist.
Jetzt nur noch das Fragment gebliebene "Das gelobte Land", dann bin ich mit seinem Gesamtwerk durch.
We don't believe in anything we dont stand for nothing. We got no "V" for victory cause we know things are tougher.
(Iggy Pop/James Williamson: "Beyond The Law")
---------------------------------------------------------------- From the river to shut the fuck up.
Mal wieder was Gutes aus dem Bücherschrank. Packendes Buch, hab mich durch die 740 Seiten richtiggehend durchgefräst. Alex Haleys Ahnenforschung, die bis ins Jahr 1750 nach Gambia zurückreicht und dann der besseren Lesbarkeit wegen in Romanform erzählt wird. Hat einige nicht allzu gravierende Längen, und es gibt viel religiöses Geschwafel sowie einige Personen, deren persönliche Ansichten in der heutigen Zeit unanbietbar sind (und damit meine ich nicht die Weißen; deren Ansichten stehen eh nicht zur Diskussion). Und ja, das Wort "Nigger" kommt ca. 827mal vor und wird in erster Linie von Schwarzen benutzt (weswegen ich es hier auch ausschreibe); damit mögen manche ein Problem haben, wobei es weißen (nicht nur) mitteleuropäischen Menschen nicht zusteht, Schwarzen vorzuschreiben, wie sie sich in bezug auf sich selbst auszudrücken haben. Manche Passagen sind schwer auszuhalten, und das Buch öffnet einem auch die Augen für gewisse Zusammenhänge; da die Geschichte exemplarisch für Millionen andere steht, ist es auch nicht relevant, ob sie sich genauso zugetragen hat; irgendetwas hat sich betimmt in jedem einzelnen Sklavenschicksal exakt so zugetragen. Aber auch das Nachvollziehbarmachen, wie es ist, jemandem zu gehören, ohne daß man auch in kleinsten Dingen frei über sein Leben verfügen darf, ist Alex Haley sehr gut gelungen und macht teilweise wütend und bedrückt.
"Roots" endet bei Alex Haley selbst und der Entstehungsgeschichte dieses Buches. Es lohnt sich, bis dahin durchzuhalten.
ich bin auch schon seit einigen wochen durch und kann den eindruck nur bestätigen (außer das mit dem vielen "religiösen geschwafel" - zum einen ist das gar nicht so viel, zum anderen ist das nunmal ein nicht unwesentlicher bestandteil der geschichte). mich hat auch dieses "nachvollziehbarmachen, wie es ist, jemanden zu gehören" und welche selbstverständlichkeiten sich daraus ergeben, am meisten beschäftigt. ich fand auch die recherchebeschreibung am ende ganz interessant, auch wenn das ganze natürlich nach plagiatsvorwürfen gegen haley ein geschmäckle bekommt.
(mich würde auch mal die rezeptionsgeschichte des buchs und der serie interessieren, da ich mir gut vorstellen kann, dass auch die deutschen sich dadurch erstmals intensiver mit der amerikanischen sklaverei beschäftigt haben. die ausgabe, die ich gelesen hab, stand immer im überschaubaren bücherregal meiner großeltern. als mein opa vergangenes jahr gestorben ist, hab ich sie mitgenommen. es war sogar noch der kassenzettel drin, gekauft am 23.7. 1980 für 17,80 Mark in Dresden - kein schnäppchen. Mein Opa hat nie viel gelesen und ich kann mich auch nicht erinnern, dass er sich viel mit der amerikanischen geschichte beschäftigt hat, aber er hatte alle folgen von "fackeln im sturm" auf video.) dolly alderton: good material
etwas fluffiges für zwischendurch, das cover hat mich angesprochen. nach langjähriger beziehung endet die beziehung eines standup-comedians - seine freundin trennt sich von ihm. und er geht durch alle "phasen der trauer" plus erweiterungen im social-media-zeitalter. ich fand's sehr lustig und realistisch, locker erzählt, erinnert an den frühen hornby. alles ist aus der männlichen perspektive erzählt, die letzten 40 seiten aus der weiblichen. anfang märz ist die deutsche übersetzung erschienen, allerdings hätte ich bei diesem herausragend hässlichen cover (und dem dämlichen titel) mit sicherheit nicht zugegriffen.
Zitat von kafkaktus im Beitrag #2174 dolly alderton: good material
etwas fluffiges für zwischendurch, das cover hat mich angesprochen.
Fand das Cover auch cool und wurde deshalb vor ein paar Wochen auf das Buch aufmerksam. Dass Richard E. Grant seinen Namen für ein Lob hergegeben hat, hat dann den Kauf besiegelt. Ist auf dem Tolino und wird bald gelesen. Jetzt bin ich noch gespannter.
I'm a septic tank half full kind of guy / got a twinkle in my eye / that I've been told is just astigmatism / I've got a s-skip in my step like / the undead half risen