Zitat von Nilslofgren im Beitrag #299Es ist doch total irre, was du beim Rezipienten voraussetzt, um das Schmähgedicht zu "verstehen." Da impliziert eine halbe Doktorarbeit: erst muss man den gesamten Kontext parat haben, dann die Vorgeschichte, dann muss man eine Distanzierung erkennen können und dieselbe auch selbst vornehmen und schließlich, Psychologen die alle sind, auch noch Böhmermanns Psyche und Absichten kennen, um das alles richtig einzuordnen.
wie kommst du da drauf? hab ich doch auch nicht gemacht.
☟ smog in berlin. nichts wie hin. weil du mich küsst, bin ich kein tourist.
Was die sich davon versprochen haben, einen Anwalt zu den Beweggründen seines Mandanten zu befragen, den er aller Wahrscheinlichkeit nach nie persönlich gesprochen hat, ist mir ein Rätsel. Der sagt ja am laufenden Band gar nichts.
Habe einen Vorschlag zur Befriedung des Ganzen, mit dem sicher alle (bis auf einen) gut leben könnten: Die Bundesregierung lässt J. Böhmermann freisprechen von allen Vorwürfen und erwirkt im Gegenzug eine Klage gegen D. Hallervorden mit dem Ziel eines Berufsverbits.
“Troubled times, kids, we got no time for comedy.” (Phife Dawg)
hallervorden ist 80 jahre alt. da kann ohnehin jedes lied sein letztes sein. man muss ihm immerhin zugute halten, dass er in seinem fortgeschrittenen alter weniger honig als til schweiger im kopf hat.
☟ smog in berlin. nichts wie hin. weil du mich küsst, bin ich kein tourist.
Da ich aus dem Rheinland komme, sei mir ein Hinweis auf den Karneval erlaubt. Da ist es auch üblich, in Büttenreden etwa über Politiker herzuziehen, sie öffentlich zu verspotten. Wenn sich dann einer darüber aufregen würde, kann so ein Redner aber auch nicht bei einem nachfolgendem Auftritt sagen: lieber Herr X, ich zeige ihnen jetzt einmal, was man wirklich nicht in der Bütt über sie sagen darf. Er dann legt er los: : „Der X kommt heim aus dem Bordell, und fickt noch seine Kinder schnell. Und seine Ehenutte Tina, die Mama von der Schlampe Gina, ja, die schafft an das Geld, für seine heile Wahlkampfwelt“ etc. etc. … Warum kann er es wohl dort so nicht sagen? Nun, weil es persönlich beleidigend wäre! Auch das Umfeld einer Karnevalssitzung und der Hinweis auf den rechtswidrigen Inhalt macht eine solche Rede nicht irgendwie legaler…
Der Punkt ist doch, dass Böhmermann in seiner Sendung selbst darauf hingewiesen hat, einen in Deutschland strafbaren Text - ein Schmähgedicht - vortragen zu wollen. Und dass er dies dann auch getan hat. Und zwar an eine Person persönlich adressiert. Er hat es auch nicht etwa bei nur einem Beispiel belassen, sondern gleich eine ganze Breitseite mit Beleidigungen aufgefahren. Damit hat er ja bewusst auch ein mögliches Strafverfahren gegen sich selbst provoziert; vermutlich, um sich mit der Aktion m TV-Business zu profilieren. Aufmerksamkeit, Skandal, etc. Vermutlich auch, weil eine schlimmstenfalls zu zahlende Geldstrafe nichts ist gegen den finanziellen Nutzen, den Böhmermann für sich aus der ganzen Publicity nun für sich ziehen kann.
Aber sind Texte über pädophile Ziegenficker jetzt die ganz große neue Kunst im Land der Dichter und Denker? Wird demnächst eine Fernsehmoderatorin als dumme Hure bezeichnet und vor laufender Kamera gefickt, weil jemand ein Kunsthappening darin sieht, dass einen Denkanstoß über den Umgang mit Frauen in der Gesellschaft geben will? Es gibt in Deutschland für Satiriker keine eigenen Gesetze. Auch sie müssen sich mit an bestehende halten. Satire darf sticheln und spotten, aber nicht persönlich beleidigen oder entwürdigen. Dies weiß aber auch ein Jan Böhmermann.
"Good taste is the worst vice ever invented" (Edith Sitwell)
Zitat von akri im Beitrag #310Da ich aus dem Rheinland komme, sei mir ein Hinweis auf den Karneval erlaubt. Da ist es auch üblich, in Büttenreden etwa über Politiker herzuziehen, sie öffentlich zu verspotten. Wenn sich dann einer darüber aufregen würde, kann so ein Redner aber auch nicht bei einem nachfolgendem Auftritt sagen: lieber Herr X, ich zeige ihnen jetzt einmal, was man wirklich nicht in der Bütt über sie sagen darf. Er dann legt er los: : „Der X kommt heim aus dem Bordell, und fickt noch seine Kinder schnell. Und seine Ehenutte Tina, die Mama von der Schlampe Gina, ja, die schafft an das Geld, für seine heile Wahlkampfwelt“ etc. etc. … Warum kann er es wohl dort so nicht sagen? Nun, weil es persönlich beleidigend wäre! Auch das Umfeld einer Karnevalssitzung und der Hinweis auf den rechtswidrigen Inhalt macht eine solche Rede nicht irgendwie legaler…
Der Punkt ist doch, dass Böhmermann in seiner Sendung selbst darauf hingewiesen hat, einen in Deutschland strafbaren Text - ein Schmähgedicht - vortragen zu wollen. Und dass er dies dann auch getan hat. Und zwar an eine Person persönlich adressiert. Er hat es auch nicht etwa bei nur einem Beispiel belassen, sondern gleich eine ganze Breitseite mit Beleidigungen aufgefahren. Damit hat er ja bewusst auch ein mögliches Strafverfahren gegen sich selbst provoziert; vermutlich, um sich mit der Aktion m TV-Business zu profilieren. Aufmerksamkeit, Skandal, etc. Vermutlich auch, weil eine schlimmstenfalls zu zahlende Geldstrafe nichts ist gegen den finanziellen Nutzen, den Böhmermann für sich aus der ganzen Publicity nun für sich ziehen kann.
Aber sind Texte über pädophile Ziegenficker jetzt die ganz große neue Kunst im Land der Dichter und Denker? Wird demnächst eine Fernsehmoderatorin als dumme Hure bezeichnet und vor laufender Kamera gefickt, weil jemand ein Kunsthappening darin sieht, dass einen Denkanstoß über den Umgang mit Frauen in der Gesellschaft geben will? Es gibt in Deutschland für Satiriker keine eigenen Gesetze. Auch sie müssen sich mit an bestehende halten. Satire darf sticheln und spotten, aber nicht persönlich beleidigen oder entwürdigen. Dies weiß aber auch ein Jan Böhmermann.
Zitat von faxefaxe im Beitrag #289Dass sie zulässig ist, weil er einen Disclaimer voranstellt und das ganze auf eine andere Ebene zieht, ist nur eine These. Es gibt ja den Unterschied zwischen Satire und Schmähkritik. Böhmermann verletzt nun bewusst die Grenze, indem er sagt: "meine Schmähkritik ist aber Satire und ich will ja nur zeigen, was möglich gewesen wäre." Ob damit eine Schmähkritik dann juristisch zulässig ist, ist meiner Meinung nach völlig offen. Da gibt es weder klare juristische Grundlagen, noch Präzefenzfälle.
nun, den punkt hatten wir bereits merhfach. niemand hat behauptet, dass ein disclaimer alleine reicht. der gesamte kontext muss betrachtet werden. dazu muss eben auch betrachtet werden, welche hinweise für eine inhaltliche distanzierung von den vorgetragenen schmähungen sprechen. das sind nicht nur die mehrfachen hinweise, sondern auch die völlig absurde und willkürliche art der unterstellung, die man leicht als nicht ernsthaft identifizieren kann. wie die richter letzendlich entscheiden werden, ist natürlich offen, aber zu denken, dass das urteil dann ein für alle mal über die grenzen der satire entscheiden würde, ist völlig überhöht. es wird auch dann über jeden fall einzeln entschieden werden müssen.
wenn renommiersucht das einzige ansinnen von böhmernann (so langsam brauche ich eine eigene taste für diesen namen) wäre, würde ich diesem vorwurf beipflichten. die art und weise, wie dieses thema täglich diskutiert wird, zeigt doch aber, dass er einen punkt getroffen hat, bei dem einiger redebedarf vorhanden ist. es hat, soweit ich mich erinnere, auch niemand etwas dagegen gesagt, dass gerichte darüber entscheiden, ob der beleidigungsvorwurf gerechtfertigt ist oder nicht. ganz im gegenteil wäre ich sehr dafür, wenn die bundesregierung nicht lange rumeiern würde und umgehend die gerichte ermächtigen würde, ein verfahren zu eröffnen. die politik hat sich in dieser frage m.e. nicht einzumischen.
☟ smog in berlin. nichts wie hin. weil du mich küsst, bin ich kein tourist.
Niemand bezeichnet doch Böhmermanns Nummer als große neue Kunst weil er eine Reihe von Beleidigungen aneinandergereiht hat. Als intelligent inszenierte Satire verstehen das viele Menschen doch, weil durch die Art des Vortrags und durch den Überbau eine gesellschaftliche Debatte über den Wert der Kunstfreiheit und über die Tatsache angestoßen wurde, dass eben in diesem Land, in dem alle so laut Pressefreiheit und Meinungsfreiheit rufen, auch nicht alles erlaubt ist. Die Tatsache, dass Böhmermann jetzt keine Unterlassungserklärung abgeben will sondern es auf einen Prozess ankommen lässt, macht das doch nur noch deutlicher. Aber diese Ebene der Schmähkritik, die eben nicht als eine reine solche zu verstehen ist, wurde hier ja nun auch schon zig mal erklärt – nur dass eben mancher nicht auf diese Ebene eingehen mag, sondern darauf beharrt, dass das Gedicht halt inhaltlich unter aller Sau war. Sollte es ja auch sein. Aber eben nicht zum Selbstzweck. Das kann man dann finden, wie man will, aber man sollte Böhmermann schon so viel Intelligenz zugestehen, dass man die Nummer eben nicht nur auf die Liste mit Beleidigungen reduziert.
Unabhängig davon bleibt für mich die Tatsache, dass es unendlich viele Beleidigungen unter der Gürtellinie gibt, die man für eine solche Nummer hätte benutzen können. Dass Böhmermann in der Sache so viele gängige Türkenklischees benutzt hat, damit eine neue Front aufmacht und im Vorbeigehen viele Menschen, die sein Austeilen nicht verdient haben, beleidigt, finde ich nach wie vor blöd und am Ziel der Nummer vorbei. Natürlich hat Böhmermann dabei die größtmögliche Provokation im Blick gehabt – denn das ist ja schließlich Kernstück der ganzen Geschichte. Dass zu größtmöglicher Provokation aber rassistische Töne angeschlagen werden müssen, finde ich eben gerade in der derzeitigen Situation fehl am Platze. Nicht, dass ich ihm unterstelle, das alles so gemeint zu haben, aber es war eben der falsche Ton.
Dass damit nicht der Untergang des karnevalistischen Abendlandes anbricht, sollte allerdings auch klar sein.
Edit: Und ja, ich stimme lumich zu, sollen eben Gerichte entscheiden. Darauf legt es Böhmermann ja offenbar auch an. Die Tatsache, dass sich Merkel per Seibert mit ihrer Äußerung fast schon vorverurteilend eingemischt hat, spielt ihm bei dem Stück ja quasi nur in die Hände.
Mir ist noch immer nicht klar, trotz dieser tollen Angebote einiger Forumsteilnehmer, was an dem Gedicht satirisch sein soll. Immer wieder taucht der Begriff ja auch, neben Schmähgedicht. Trotzdem finde ich keine Analogie zu dem Namen Böhmermann.
Danke Quork! Du hast gerade schön mein Unwohlsein bei der ganzen Nummer auf den Punkt gebracht:
Zitat von Quork im Beitrag #312 Unabhängig davon bleibt für mich die Tatsache, dass es unendlich viele Beleidigungen unter der Gürtellinie gibt, die man für eine solche Nummer hätte benutzen können. Dass Böhmermann in der Sache so viele gängige Türkenklischees benutzt hat, damit eine neue Front aufmacht und im Vorbeigehen viele Menschen, die sein Austeilen nicht verdient haben, beleidigt, finde ich nach wie vor blöd und am Ziel der Nummer vorbei. Natürlich hat Böhmermann dabei die größtmögliche Provokation im Blick gehabt – denn das ist ja schließlich Kernstück der ganzen Geschichte. Dass zu größtmöglicher Provokation aber rassistische Töne angeschlagen werden müssen, finde ich eben gerade in der derzeitigen Situation fehl am Platze. Nicht, dass ich ihm unterstelle, das alles so gemeint zu haben, aber es war eben der falsche Ton.