Wir hatten es ja schonmal davon, aber das finde ich gerade schräg:
"Dachte erst es wäre systemkritisch, aber dann wurde es doch rassistisch" poppte zunächst auf Twitter auf. "Dieses 'Drei Chinesen mit dem Kontrabass' jetzt anzustimmen, find ich mehr als unnötig. Es ist ein rassistisches Lied", meinte ein anderer umgehend. Zahlreiche User taten nun im Twitterland ihren Unmut kund. "Wenn berechtigte Kritik an einem unmenschlichen Regime abdriftet in rassistische Blödheit. Merkt das keiner?", legte ein weiterer nach.
Ob die Redaktion tendenziell unbedarft ist oder auf ein Skandälchen setzte? Man weiß es nicht. Wissen könnte man aber durchaus, dass dem seit Mitte des 20. Jahrhunderts hierzulande verbreiteten Kinderlied in jüngerer Zeit Rassismus vorgeworfen wird und von vielen das Einschreiten der Polizei ohne ersichtlichen Grund als Fall von Polizei-Willkür und Racial-Profiling - also ein auf Stereotypen und äußerlichen Merkmalen fußendes Agieren von etwa Polizei, Sicherheitspersonal & Co. - interpretiert werde
Ich gehe ja mit vielem mit, aber in diese eher nonsenshafte Wortspielerei "Racial Profiling" hineinzuinterpretieren, erscheint mir schon als reichlich panne.
We don't believe in anything we dont stand for nothing. We got no "V" for victory cause we know things are tougher.
(Iggy Pop/James Williamson: "Beyond The Law")
---------------------------------------------------------------- From the river to shut the fuck up.
Den Racial Profiling Ansatz finde ich schon arg an den Haaren herbeigezogen - immerhin geht die Polizei ja auf eine Ordnungswidrigkeit ein (sie sitzen nunmal auf der Strasse, und nicht im Park). Aber was ist der stereotype Subtext des Kinderliedes? Dass sich Chinesen nicht an westliche Regeln halten, und deshalb auf der Straße sitzen und sich was erzählen? Dass Chanasan lustig reden? Dass es soviele von ihnen gibt (drei)? Was ist dadurch gewonnen, dass es sich um Chinesen handelt? Können es nicht einfach Personen sein? Machen Chinesen es für Kinder lustiger? Auf dieser Ebene argumentieren Leute dahingehend, dass durch solche naiven Spielereien eben diffuse Ressentiments eingeschleust werden.
Just a MF from hell.
Rotation:
Cindy Lee - Diamond Jubilee | Being Dead - Eels | Shellac - To All Trains
Auf der anderen Seite: wie habe ich als Kind Mitte der Siebziger dieses Lied erlebt? Wir fanden es alle lustig, aber ich hatte schon ein Klischeebild vor Augen. Allerdings wurde das nicht durch dieses Lied hervorgerufen, sondern durch die damaligen Erwachsenen. Sprich: was @Berthold Heisterkamp mal meinte, als er dieses "Tsching Tschang Tschong" - Klischee erwähnte. Da reichte es schon, "Mainz bleibt Mainz" zu schauen, da gab es ethnische Stereotypen in Hülle und Fülle.
We don't believe in anything we dont stand for nothing. We got no "V" for victory cause we know things are tougher.
(Iggy Pop/James Williamson: "Beyond The Law")
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"drei personen mit dem kontrabass" ist einfach generell nicht lustig, abgesehen davon, dass man mit dem wort auch die vokalverschiebungen nicht so schön hinkriegt. es ist halt ein sprachspiel, das einen teil seiner komik schon aus der absurden kombination bezieht, die einem ein lustiges bild in den kopf pflanzt. "kaschuben", "pastoren" oder "kastraten" käme dem im zweifel näher, wenn man die chinesen schon rauslassen will. aber dann hätte man auch schon wieder grund, sich in anderem kontext über vermeintliche diskriminierung aufzuregen. komik funktioniert halt in hohem maße auch über klischees, die die lampe im kopf überhaupt erst anzünden.
„Drei Chinesen mit dem Kontrabass“ – das waren einst noch „Japanesen“. „Drei Japanesen hatten keinen Pass, saßen auf der Straße und erzählten sich was, da kam die Polizei: ja, was ist denn das?“. Als das Hitler-Regime mit Japan dann jedoch ein Bündnis geschlossen hatte, entstand im Nazi-Deutschland bald der neue Text mit den „drei Chinesen“. Das Chinesenviertel in Hamburg war bald rassistischen Anfeindungen ausgesetzt und wurde von den Nationalsozialisten aufgelöst. Bei der „Chinesenaktion“ wurden die Menschen aus dem Viertel verhaftet, einige gefoltert und getötet oder in Arbeitserziehungslager gebracht, wo weitere starben.
Sicherlich ist mit dem Lied eine Abwertung verbunden, denn die Abwandlungen vom Typ „Dri Chinesen mit die Kintribiss“ sind ja der Versuch, die chinesische (asiatische) Sprache nachzuahmen. Und sich über diese Sprache lustig zu machen. Wer die Ausage von jemanden ins Lächerliche ziehen will, sagt zudem „Dann bin ich der Kaiser von China!“. Wer sein Desinteresse an einem Thema bekundet, kommentiert mit „Und wenn in China ein Sack Reis umfällt…“. Und wenn man etwas als gar zu komplex und volksfern empfindet, ist es eben „Fachchinesisch“.
Es bleibt natürlich schwierig. Die Vergangenheit hat eben ihre Spuren in der heutigen Sprache hinterlassen. In meinem Geburtsjahr, 1962, erfand der Gastronom Sam Panopoulos in Chatham in Kanada eine Pizza, die aus Grundteig, Tomatensauce, Schinken, Ananas und Käse besteht. Bei den Italienern dürfte diese Art Pizza kaum Anklang gefunden haben. Allerdings wurde diese Variante dann weltweit – man ahnt es – als „Pizza Hawaii“ ein Erfolg. Die Gruppe Linke PoC/Migrantifa hat empfohlen, sie in „Ananas-Pizza“ umzubenennen, weil mit „Pizza Hawaii“ eine „Geschichte des Kolonialismus und der Aneignung“ verbunden sei.
Ich bin nicht immer glücklich mit derartigen Versuchen, die Sprache zu "bereinigen"...
Bedenklicher ist eher der Fall des 15-Jährigen, der im Netz rechte Kommentare von sich gab... ...und zugleich am Computer virtuell aus Legosteinen das KZ Auschwitz nachgebaut hatte... Ein Land mit unserer Historie, in dem Kinder Judenvernichtung "spielen"... das beunruhigt mich mehr als ein Toast Hawaii oder so...
"Good taste is the worst vice ever invented" (Edith Sitwell)