Wenn ich Englisch reden will in Berlin, rede ich Englisch in Berlin. Jens Spahn darf gerne weiter in der Amtssprache seinen Kaffee bestellen. Der Hipster hinter der Theke wird es schon verstehen. Lächerlich, irgendwem seinen Sprachgebrauch vorzuwerfen. Peinlich daran ist, wie offensichtlich sich das einem bestimmten Klientel anbiedert. Wie kommt dieser Mann dazu, mich provinziell zu finden?
das albernste an der ganzen sache ist ja, dass er irgendwie bemerkt haben will, dass die angeprangerten hipster angeblich dauernd ohne grund englisch miteinander reden. wenn "ohne grund" bedeutet, dass man sich ohne deutschkenntnisse miteinander verständigen möchte, könnte er recht haben. sonst eigentlich nicht.
"Der Nationalsozialismus hat sich vorsichtig, in kleinen Dosen, durchgesetzt – man hat immer ein bisschen gewartet, bis das Gewissen der Welt die nächste Dosis vertrug." Stefan Zweig
was mich allerdings auch ein bisschen nervt, ist, wenn die beschäftigten in berliner lokalitäten tatsächlich kein deutsch können. aber das ist marginal, und entgegen meiner anfänglichen annahme offensichtlich auch nicht das, was herr spahn meinte.
er zielt ja hier ganz klar auf eine klientel, die ganz woanders wohnt, gar nicht weiß, was hier vor sich geht, und grundsätzlich angst vor überfremdung hat. eine in meinen augen amoralische, bewusste verschärfung des stadt/land-konflikts, den es für einen politiker mit demokratischem verantwortungsgefühl eher zu entschärfen gälte!
Ich finde, Politiker sollten sich aus Bereichen des Lebens heraushalten, die rein privat sind. Dazu zählt das Duschen und wie ich mit meinen Freunden rede. Es kann doch nicht sein, dass sich eine elitäre Gruppe moralisch über den Otto-Normal-Berliner erhebt und ihm vorschreiben möchte, wie er sich zu waschen oder zu unterhalten hat. Das zeugt nicht von Konservatismus sondern von provinzieller Selbstverzwergung.
Grundsätzlich finde ich das schon auch gut, wenn Leute, die in der Gastronomie arbeiten, genug Deutsch können, um meine Bestellung aufzunehmen und abzukassieren. Da hört es aber in den meisten Einrichtungen, die ich aufsuche, auch auf. Und dass tatsächlich mal Bedienungen absolut gar kein Deutsch können, ist mir in vier Jahren Berlin vielleicht drei Mal passiert. Ich finde aber, dass auch das keine Sache ist, in die ein Politiker hineinquatschen sollte. Wenn eine Bedienung kein Deutsch kann und deshalb die Kunden ausbleiben, wird sie schon in relativ kurzer Zeit genug Deutsch lernen, um "Einen Kaffee bitte" zu verstehen. Wenn die Kunden trotz fehlender Deutschkenntnisse wiederkommen, sind diese Kenntnisse im Berlin von heute offenbar für diese Arbeit nicht mehr notwendig. Also wen kümmerts. Oder um es mit Jens Spahn zu sagen: Who cares? Dass es in Berlin Elitenbildung gibt und der Otto-Normal-Mensch dabei manchmal auf der Strecke bleibt, stimmt schon. Aber daran ist nicht das Englisch schuld, sondern das ist ein gesamtgesellschaftlicher Trend, zu dessen Ende die CDU nun gerade nicht unbedingt beitragen wird.
Dass die Bewahrung der eigenen Sprache für spätere Generationen dank staatlicher Maßnahmen und Vorgaben möglich ist (mit entsprechenden Auswirkungen auf den Gebrauch im Alltag), beweist ja u.a. Frankreich seit Jahrzehnten. Das kann man albern oder sinnvoll finden, aber es widerlegt zumindest die Behauptung, derlei sei grundsätzlich kein Betätigungsfeld für die Politik. Vier Wochen vor der Wahl ist das aber natürlich eine durchschaubare Aktion.
Ich empfinde das bei meinen Amsterdam-Besuchen sehr angenehm, dass da die am häufigsten genutzte Sprache englisch ist. Ich könnte mich da sicher auch auf niederländisch oder auf deutsch verständigen, aber so hatte ich da noch nie das Gefühl "anders" oder "ein Fremder" zu sein. Amsterdam spricht englisch, ganz egal, ob der Sprechende da geboren wurde oder erst vor einem halben Jahr zugezogen ist. So was nimmt mir auch die Hemmungen, andere Leute anzusprechen. Das bedeutet aber nicht gleich, dass in den Niederlanden in 50 Jahren keiner mehr niederländisch spricht.
Wenn das hier ein Kulturkreis ist, bin ich wohl ein Quadrat.
der arme jens wollte wahrscheinlich nur mitreden und hat nix verstanden, weil er halt nicht so gut in englisch ist. und das mit den badehosen ist doch auch klar: der jens will in der dusche was zum gucken haben.
Ich weiß jetzt nicht was Herr Spahn genau gesagt hat und bin gerade nicht interessiert genug um es nachzugugeln. Vielleicht meinte er weniger die englisch-Muttersprachler als die Deutschsprachler, die jeden auf englisch anreden, egal woher er kommt . Ich könnte mir jedenfalls vorstellen, dass er seine Freude hätte an den Tabak-Traffikantinnen von Palma de Mallorca, die, wenn man auf spanisch ein Päckchen Zigaretten ordert, einem den Preis grundsätzlich auf mallorkinisch nennen. Oder an den Leuten in Bilbao, die unter den in spanisch geschrieben Zettel „der Laden bleibt im August geschlossen“ eine Beschwerdenotiz anheften, dass der Hinweis auf baskisch fehlt. Übrigens hatte ich es in London schon oft mit Kaffeehauspersonal ohne Englischkenntnisse zu tun. Oh Gott, ich klinge schon wie ein Brexit-Unterstützer...
Zurück zum Thema: Vor ein paar Tagen bekam ich auch die Wahlbenachrichtigung, mit dem Hinweis „Bitte beachten Sie: Neue Wahllokale!“ ... „Die Wahllokale mussten aufgrund der demographischen Entwicklung anders geordnet werden. Zudem wurde die Neuordnung genutzt, um der gestiegenen Anzahl von Briefwählern gerecht zu werden“. Bisher waren mein ganzes Erwachsenenleben lang meine Wahllokale nie mehr als 10 Minuten Fußweg von meiner Wohnung entfernt, jetzt ist es das Asam-Gymnasium in der Schlierseestraße, keine Ahnung wo das ist, aber ich nehme mal an, mindestens drei U-Bahn-Stationen entfernt. Ich werde es noch rausfinden und werde auch sicher kein ernsthaftes Problem haben hinzukommen, aber wenn Wahllokale aus Kostengründen wegrationalisert werden, sollen sie das halt auch so sagen. Wenn heutzutage alle per Briefwahl wählen oder zu alt sind um zu wählen, frage ich mich, warum ich in meinem letzen Wahllokal immer schlangestehen musste.
Der Jensi wollte vor allem eins: Viel Aufmerksamkeit. Die hat er gekriegt. Dass er es mit einem nichtexistierenden Thema bekommen hat, ist nun mal so heutzutage. Und so einer wird mal Kanzler sein. Weia.
Wer lässt eigentlich mal die Parallelgesellschaft Politikerblase platzen?
"Der Nationalsozialismus hat sich vorsichtig, in kleinen Dosen, durchgesetzt – man hat immer ein bisschen gewartet, bis das Gewissen der Welt die nächste Dosis vertrug." Stefan Zweig
vor ein paar jahren hat sich doch der thierse in die nesseln gesetzt, als er beklagte, dass es in seinem kiez nur noch schwäbische bäcker gebe, die nur noch "wecken", anstatt berlinisch korrekt "schrippen", verstehen würden. es ist dabei nützlich zu wissen, dass herr thierse ursprünglich aus breslau kommt und in thüringen aufgewachsen ist.
bin schon gespannt auf die nächste sprachdebatte.
☟ smog in berlin. nichts wie hin. weil du mich küsst, bin ich kein tourist.
kleiner politquiz: nach der bundestagswahl bekommt dobrindt einen gut dotierten posten bei
a) flughafen münchen gmbh b) privatem autobahn betreiber c) lufthansa d) einer anderen firma
"Der Nationalsozialismus hat sich vorsichtig, in kleinen Dosen, durchgesetzt – man hat immer ein bisschen gewartet, bis das Gewissen der Welt die nächste Dosis vertrug." Stefan Zweig