Die EU hat nach meiner Wahrnehmung klargestellt, dass es das mit ihr nicht geben wird. Wer hat den Eindruck erweckt, dass die USA das nicht mehr wollen?
Zitat von faxefaxe im Beitrag #1187Die EU hat nach meiner Wahrnehmung klargestellt, dass es das mit ihr nicht geben wird. Wer hat den Eindruck erweckt, dass die USA das nicht mehr wollen?
Die EU hat damit den Eindruck erweckt, dass das Thema tot ist. Meiner Meinung nach mit der Absicht, das aus der lästigen öffentlichen Diskussion zu bekommen. Da auch vorher schon Verbesserungen nur durch öffentlichen Druck erfolgt sind, und das auch erst, nachdem geheimgehaltene Informationen an die Öffentlichkeit gelangten, ist jegliches Misstrauen vollkommen begründet.
Ich will da jetzt kein großes Fass mit aufmachen, weil ich grundsätzlich vielen Kritikpunkten bei TTIP zustimme, aber die Diskussion um diese "ominösen Schiedsgerichte" verwundert mich doch. Wenn man sich mal anguckt, wie existierende Schiedsgerichte funktionieren und wie oft Deutschland in der Vergangenheit schon Investitionsvereinbarungen eingegangen ist, in denen solche Gerichte eingesetzt werden, dann wundert man sich doch ob der Vehemenz, mit der die angegriffen werden. Zufällig beschäftige ich mich mit dem Thema für meine Masterarbeit gerade sehr eingehend und wenn man sich mal die zwei größten der existierenden Schiedsgerichte anschaut, dann kann da eigentlich von "ominös" nicht die Rede sein. Ja, da ist in der Vergangenheit viel Intransparenz gelaufen, aber das ändert sich in den letzten Jahren rapide. Außerdem ist das bei weitem nicht so willkürlich, wie oft breitgetreten wird. Und es ist zwar in der Tat so, dass die USA da rein zahlenmäßig Spitzenreiter im Verklagen sind, wenn man sich aber die geballte Fallzahl europäischer Länder anguckt, sieht der Vergleich schon ganz anders aus.
Nicht, dass ich Schiedsgerichten grundsätzlich völlig vorbehaltlos gegenüberstünde, aber die Diskussion wird vielerorts, in so gut wie allen Medienberichten und Diskussionen, die ich verfolgen konnte, extrem oberflächlich und unsachlich geführt.
Die erste Investitionsvereinbarung mit Schiedsgerichtsklausel schloss übrigens einst Deutschland ab.
Ja klar, wenn man den Wortlaut genau liest, wird schon klar dass es erst mal nur ein Vorschlag ist. Vom Ton her wird aber so getan, als sei das praktisch schon Fakt. Und Sigmar Gabriel hat ins gleiche Horn geblasen:
Dann erklär bitte mal genau, warum er zurücktreten soll.
Das Zeit-Stück ist schon krude, die daraus abgeleitete Rücktrittsforderung noch viel kruder. Der Quork hatte ja schon angedeutet, warum die undifferenzierte Verteufelung der seit langem üblichen Schiedsgerichte zweifelhaft ist. Dann den Bogen von Gabriels TTIP-Position zu allen anderen Schiedsgerichtthemen zu schlagen, ist gewagt. Daraus dann wiederum eine Rücktrittsforderung abzuleiten, da fehlen mir echt die Worte. Aber so werden heutzutage Kampagnen geführt.
Nur mal kurz zu den privaten Schiedsgerichten. Privat ist für mich da das Zauberwort. Es gibt genügend Gerichte, die etwaige Streitigkeiten "richten" könnten. Das es solche Einrichtungen schon gibt, ist für mich kein Argument, warum man sie weiterführen muss/müsste.
Deine Meinung darfst Du ja haben. :-) Der Grundgedanke ist halt, dass ein staatliches Gericht bei Konflikten zwischen Staaten nicht die beste Lösung ist. Kann man teilen oder nicht. Aber da geht es nicht darum, dass die Absolventen der McDonalds Universität entscheiden sollen. Ist seit Jahrzehnten gebräuchlich und funktioniert meist. Kann man trotzdem auch mit gutem Grund dagegen sein. Aber die selben Leute nennen ja zuweilen auch die Entscheidungen von staatlichen Gerichten "absolut falsch".
Über die Schiedsgerichte wird teils völlig undifferenziert diskutiert, weil irgendwer ausgegeben hat, dass sie böse sind. Und wer das nicht teilt, soll zurücktreten. (So, wie andere dann Merkel als Rechtsbrecherin bezeichnen, die abgesetzt werden soll).
Nur zur Info zu den Schiedsgerichten, zu denen meine grundsätzliche Meinung täglich auf und ab geht (aber nicht aus den Gründen, die in den Medien meist diskutiert werden), ein paar kleine Fakten a la Akri:
Schiedsgerichte sind nicht in dem Sinne privat. Die sehr große Mehrheit aller solcher Fälle werden vor den Schiedsgerichten der Kommission der Vereinten Nationen für internationales Handelsrecht und vom Internationalen Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten der Weltbank Gruppe verhandelt. Bei diesen zwei Institutionen lässt sich nun wirklich schwer von privat sprechen.
Westeuropäische Anwälte stellen etwa 56% aller Schiedsrichter bei letzterem Schiedsgericht, Nordamerika (inkl. Kanada und Mexiko) stellen nur 20%.
Die große Mehrheit der Fälle vor Schiedsgerichten betreffen Entwicklungsländer, die sich verteidigen müssen. Deutschland ist schon jetzt fröhlich mit dabei, vor solchen Gerichten zu klagen. Ein "Nein" zu TTIP wird mit nichten die Nutzung von Schiedsgerichten verhindern, denn in anderen Investmentvereinbarungen, die Deutschland mit anderen Ländern hat, stehen die bereits drin (siehe Vattenfall).
In weniger als 40% der Fälle gewinnt ein Investor gegen einen Staat. Das heißt dann noch nicht per se, dass das eine gerechte Entscheidung ist, aber es bringt vielleicht ein bisschen Perspektive in diese "die Gerichte bevorzugen die Wirtschaft"-Idee.
Beide großen Schiedsgerichte bemühen sich seit Jahren um mehr Transparenz, lassen Beisitzer in den Verhandlungen zu und veröffentlichen in den meisten Fällen ihre Entscheidungen mitsamt Begründungen. Nur wenn die Konfliktparteien dem nicht zustimmen wird nichts veröffentlicht. Da kommt es aber auch immer darauf an, was in den individuellen Investmentvereinbarungen steht. Es gibt da nicht das "eine System Schiedsgericht" und seine klandestinen Regeln.
Die Begriffe "privat" und "geheim" (und was nicht alles) implizieren für mein Empfingen übrigens auch oft, dass da gar keine richtige Rechtsprechung passiert. Das stimmt aber so auch nicht. Die Konfliktparteien einigen sich nämlich schon bei der Abmachung einer Investorenvereinbarung in der Regel darauf, welches Handelsrecht (oft das englische) für den Konfliktfall gelten soll. Und danach wird dann entschieden. Die Entscheidungen eines Schiedsgerichts sind bindend für die nationalen Autoritäten, können aber vor dem Schiedsgericht durchaus auch angefochten werden.
Anfechten kann man die Schiedsgerichte danach noch immer, aber die eigentliche Problematik liegt für mich weniger im Geheimen oder im Illegitimen, sondern einfach darin begründet, dass Schiedsgerichte Akteuren, die keine Staaten sind, im internationalen Handelsrecht mehr Spielraum einräumt und ihnen Zugang zu Institutionen verschafft, den sie sonst nicht hätten. Da darf man sich dann aber nicht unbedingt an TTIP aufhängen, sondern muss einen weltweiten Trend kritisieren, der seit den frühen 1990ern im Gange ist und in den letzten 10 Jahren so richtig an Fahrt aufgenommen hat. Wenn man wirklich hinter dieser Kritik steht, dann ist TTIP ein Tropfen auf den heißen Stein und ein "nein" greift viel zu kurz. Ich bin mir wie gesagt meines eigenen Standpunkts dazu nie ganz sicher.
Zitat von Quork im Beitrag #1200Nur zur Info zu den Schiedsgerichten, zu denen meine grundsätzliche Meinung täglich auf und ab geht (aber nicht aus den Gründen, die in den Medien meist diskutiert werden), ein paar kleine Fakten a la Akri:
Schiedsgerichte sind nicht in dem Sinne privat. Die sehr große Mehrheit aller solcher Fälle werden vor den Schiedsgerichten der Kommission der Vereinten Nationen für internationales Handelsrecht und vom Internationalen Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten der Weltbank Gruppe verhandelt. Bei diesen zwei Institutionen lässt sich nun wirklich schwer von privat sprechen.
Westeuropäische Anwälte stellen etwa 56% aller Schiedsrichter bei letzterem Schiedsgericht, Nordamerika (inkl. Kanada und Mexiko) stellen nur 20%.
Die große Mehrheit der Fälle vor Schiedsgerichten betreffen Entwicklungsländer, die sich verteidigen müssen. Deutschland ist schon jetzt fröhlich mit dabei, vor solchen Gerichten zu klagen. Ein "Nein" zu TTIP wird mit nichten die Nutzung von Schiedsgerichten verhindern, denn in anderen Investmentvereinbarungen, die Deutschland mit anderen Ländern hat, stehen die bereits drin (siehe Vattenfall).
In weniger als 40% der Fälle gewinnt ein Investor gegen einen Staat. Das heißt dann noch nicht per se, dass das eine gerechte Entscheidung ist, aber es bringt vielleicht ein bisschen Perspektive in diese "die Gerichte bevorzugen die Wirtschaft"-Idee.
Beide großen Schiedsgerichte bemühen sich seit Jahren um mehr Transparenz, lassen Beisitzer in den Verhandlungen zu und veröffentlichen in den meisten Fällen ihre Entscheidungen mitsamt Begründungen. Nur wenn die Konfliktparteien dem nicht zustimmen wird nichts veröffentlicht. Da kommt es aber auch immer darauf an, was in den individuellen Investmentvereinbarungen steht. Es gibt da nicht das "eine System Schiedsgericht" und seine klandestinen Regeln.
Die Begriffe "privat" und "geheim" (und was nicht alles) implizieren für mein Empfingen übrigens auch oft, dass da gar keine richtige Rechtsprechung passiert. Das stimmt aber so auch nicht. Die Konfliktparteien einigen sich nämlich schon bei der Abmachung einer Investorenvereinbarung in der Regel darauf, welches Handelsrecht (oft das englische) für den Konfliktfall gelten soll. Und danach wird dann entschieden. Die Entscheidungen eines Schiedsgerichts sind bindend für die nationalen Autoritäten, können aber vor dem Schiedsgericht durchaus auch angefochten werden.
Anfechten kann man die Schiedsgerichte danach noch immer, aber die eigentliche Problematik liegt für mich weniger im Geheimen oder im Illegitimen, sondern einfach darin begründet, dass Schiedsgerichte Akteuren, die keine Staaten sind, im internationalen Handelsrecht mehr Spielraum einräumt und ihnen Zugang zu Institutionen verschafft, den sie sonst nicht hätten. Da darf man sich dann aber nicht unbedingt an TTIP aufhängen, sondern muss einen weltweiten Trend kritisieren, der seit den frühen 1990ern im Gange ist und in den letzten 10 Jahren so richtig an Fahrt aufgenommen hat. Wenn man wirklich hinter dieser Kritik steht, dann ist TTIP ein Tropfen auf den heißen Stein und ein "nein" greift viel zu kurz. Ich bin mir wie gesagt meines eigenen Standpunkts dazu nie ganz sicher.
Interessant, danke. (Edit: Beitrag auf die neue Seite geholt)