Mir ist schon klar, dass jetzt das Argument kommt, von dem du gesagt hast, dass du es nicht gelten lässt. Aber ich empfinde es dennoch als korrekt: Ich lasse mir seit etwa einem Jahr regelmäßig die Bibel vorlesen und von einer Theologieprofessorin auslegen )“Unter Pfarrerstöchtern). Da kann man ganz schön viel Menschenverachtendes herauslesen. Ich weiß, da kommt schon noch irgendwann die Bergpredigt und so, aber Grundlage der Religion ist doch das ganze Buch, oder? Ich weiß schon, dass für viele gläubige Muslime das geschriebene Wort im Koran wörtlich zu verstehen ist, was in der heutigen Interpretation des Christentums weniger der Fall ist. Aber ich verstehe nicht, warum du den Gläubigen einer Religion zusprichst, sich von den unschönen Teilen ihrer Textgrundlage zu emanzipieren und umzuinterpretieren, während du das einer anderen Religion grundsätzlich absprichst.
Am Ende kommt es für mich weniger darauf an, was ein Mensch glaubt, als darauf, wie er sich verhält. Wer aus seinem Glauben heraus andere Menschen angreift, ist für mich ein Problem. Das gleiche gilt aber auch für andere Weltbilder. Wer aus seinem Kapitalismus heraus Menschen ausbeutet, ist ein Problem. Wer aus seinem Kapitalismus heraus eine gesunde Firma aufbaut, in der sich um die Angestellten gut gekümmert und ein vernünftiges Gehalt gezahlt wird, ist es in meinen Augen nicht. Wer aus seinem Christentum heraus Freiwilligenarbeit in der Flüchtlingshilfe leistet, ist ein guter Mensch, wer aus seinem Christentum heraus Frauen notwendige medizinische Behandlung versagt, ist ein Problem. Usw.
Ein Problem sind sicher vor allem radikale Islamisten. In Paris etwa sind sie dabei, ganze Stadtviertel unter ihre Kontrolle zu bringen.
Der Pariser Islamwissenschaftler Bernard Rougier hat Feldstudien erstellt, die vier Jahre lang gedauert haben. Einige seiner Studenten wurden in besonders betroffene Viertel geschickt, um dort am Leben teilzunehmen. Sie hörten sich Predigten und Koranunterweisungen an, waren in Cafés und in islamischen Bibliotheken, auf Fußballfeldern, in Social-Media-Gruppen, etc.
Bernard Rougier kommt zu dem Schluss, dass sich das Bild einer Gegengesellschaft ergibt. Es geht um den Konflikt zwischen zwei ganz gegensätzlichen Weltbildern. Einerseits dem der Emanzipation und der Aufklärung Und andererseits ein salafistisches Verständnis von einem Gott, der die ungeteilte Aufmerksamkeit und das Engagement des Gläubigen einfordert.
Salafistische Prediger würden dabei Enklaven innerhalb der Gesellschaft schaffen. Eine sehr aktive Minderheit schaffe es, das religiöse Leben in den Gemeinden zu dominieren.
Idealisiert würde etwa die Anfangszeit des Islam: der triumphale Kampf gegen die Ungläubigen. Salafisten reden Gemeindemitgliedern ein, diesen Kampf heute fortzusetzen. Man gibt allen in der Gemeinde das Gefühl, zu einer Elite zu gehören.
Dies komme gut an bei sozial benachteiligten Schichten in den Vorstädten von Metropolen. Dort wo die Arbeitslosigkeit fast 40 % erreicht, wo Familienstrukturen kaputt sind und der Drogenhandel allgegenwärtig ist.
Die Prediger erklären Dinge für unrein und verboten: etwa bestimmte Sachen zu essen. Oder Frauen die Hand zu geben, Juden oder Christen als Freunde zu haben, seinen Körper zu zeigen.
Auch das Tragen des Schleiers sei in bestimmten Gegenden mittlerweile Standard. Frauen, die dies nicht tun, laufen gar Gefahr, geschlagen und vergewaltigt zu werden. Der Schleier ist ein Schutz gegen Überfälle, denn Kriminelle lassen verschleierte Frauen in Ruhe.
Auch seien Kriminelle bei den Salafisten. Denn es ist gottgefällig, etwa Drogen an die Ungläubigen zu verkaufen, weil die damit zugrunde gerichtet werden. Also wird Dealern letztlich verziehen.
Fremde werden in manchen Vierteln nicht mehr geduldet. Wer nicht dazu gehört, wird unter Androhung von Gewalt zum Gehen aufgefordert.
Kinder sollen öffentliche Schulen meiden, weil diese islamfeindlich seien. Kinder werden in islamischen Einrichtungen, Koranschulen oder per Internet unterrichtet.
Die Islamisten bringen so das gesellschaftliche Leben in den Gemeinden unter ihre Kontrolle. Sie können als Wortführer der Gemeinde auftreten. Und von den Behörden etwa Dinge einfordern. Der französische Staat sehe alledem weitgehend hilflos zu.
Abgeordnete fürchten, als islamfeindlich dazustehen. Daher umwerben sie islamische Organisationen, weil diese viele (Wähler)Stimmen kontrollieren. Teils gäbe es Deals vom Typ: ich bringe Dir x Stimmen, wenn Du mir dafür das und das gibst. Etwa einen Posten in der Stadtverwaltung, Zuständigkeit für Wohnungen, für Beschäftigung, für Sport- und Kulturvereine, für die Jugend.
Die Lokalpolitikwird so durch religiöse Netzwerke zersetzt. Der Staat sei auf dem Rückzug, lautet die Diagnose von Bernard Rougier.
Die Islamisten setzen auch die Keule der Islamophobie ein. Sie stellen Moslems pauschal als Opfer dar, fordern Solidarität. Islamisten wollen so jede Kritik an ihrer Auslegung des Islams unterbinden und die Mehrheit der Moslems hinter sich bringen.
Auch an den Universitäten werde eine linksislamische Bewegung immer stärker. Wer sich kritisch mit dem Islamismus auseinandersetze, würde beschimpft und Vorlesungen würden gestört.
Islamisten und die französische extreme Rechte ergänzen sich dabei: die Islamisten brauchen die Rechtsextremen, um zu behaupten, die französische Gesellschaft sei rassistisch. Die extreme Rechte braucht hingegen die Islamisten, um die Gefahren durch den Islam aufzubauschen. (Quelle: Deutschlandfunk)
"Good taste is the worst vice ever invented" (Edith Sitwell)
Und zum hundertsten Mal: Das Fundament des Islams ist das Alte Testament. Sogar Jesus ist im Islam ein bedeutender Prophet. Genauso wie Christen jahrhundertelang verdrängt haben, dass ihr Religionsstifter Jude war, so wollen heute Islamophobiker nicht wahrhaben, dass ihre Ausgrenzung auf keinem vernünftigen Fundament steht. Gewalt gegen Homosexuelle gibt es weltweit, ausgeübt von Menschen jeden Glaubens oder auch ohne einen solchen. Man schaue sich beispielsweise mal an, was im Namen des christlichen Gottes in Jamaika abgeht.
☟ smog in berlin. nichts wie hin. weil du mich küsst, bin ich kein tourist.
Und zum hundersten Mal: Du ignorierst fundamentale theologische Unterschiede zwischen Christentum und Islam. Der Aufruf, den eigenen Glauben auch mit Gewalt verbreiten zu dürfen ist dem Christentum theologisch fremd (es wurde historisch trotzdem immer wieder gemacht), im Islam allerdings eine zentrale Botschaft, die wiederkehrend betont wird. Gott ist im Christentum an eine für uns greifbare Vernunft gebunden, im Islam steht er in seiner Allmacht über dieser. Das theologische Selbstverständnis der Christen ist es, Kinder bzw. Nachkommen Gottes zu sein, im Islam verstehen sich die Gläubigen hingegen als Diener Gottes, die sich ihm täglich im Gebet unterwerfen. Das Christentum besteht auf einer Trennung von kirchlicher/religiöser und weltlicher Macht, im Islam ist die Einheit von Religion und Gemeinwesen verankert. Die Liste lässt sich weiter fortsetzen.
Zitat von LFB im Beitrag #8134Und zum hundersten Mal: Du ignorierst fundamentale theologische Unterschiede zwischen Christentum und Islam. Der Aufruf, den eigenen Glauben auch mit Gewalt verbreiten zu dürfen ist dem Christentum theologisch fremd (es wurde historisch trotzdem immer wieder gemacht), im Islam allerdings eine zentrale Botschaft, die wiederkehrend betont wird. Gott ist im Christentum an eine für uns greifbare Vernunft gebunden, im Islam steht er in seiner Allmacht über dieser. Das theologische Selbstverständnis der Christen ist es, Kinder bzw. Nachkommen Gottes zu sein, im Islam verstehen sich die Gläubigen hingegen als Diener Gottes, die sich ihm täglich im Gebet unterwerfen. Das Christentum besteht auf einer Trennung von kirchlicher/religiöser und weltlicher Macht, im Islam ist die Einheit von Religion und Gemeinwesen verankert. Die Liste lässt sich weiter fortsetzen.
Der Bekehrungsanspruch ist dem Islam fremd. Dieser ist historisch deutlich mehr mit dem Christentum verankert. Den Aufruf zur Gewalt findest du im Alten Testament noch und nöcher, gleichzeitig das Gebot zum Verzicht auf jegliche Gewalt in allen abrahamischen Religionen gleichermaßen. Man kann den theologischen Quatsch aber getrost beiseite lassen, da die wenigsten Gläubigen wirklich eine Ahnung davon haben. Es würde mich nicht überraschen, wenn der Herr aus Oslo ebenfalls frommer tut als er ist, und wenig Ahnung von seiner Religion hat.
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Zitat von Quork im Beitrag #8125Seit gut 20 Jahren sehen sich moderate Muslim:innen in Deutschland dem Druck ausgesetzt, sich für die Taten von irgendwelchen Fanatikern vom anderen Ende der Welt zu rechtfertigen, mit denen sie gar nichts am Hut haben.
Damit sind sie hier nicht allein. Juden werden hier - vor allem von Muslimen - in Sippenhaft genommen, wenn der Staat Israel irgendeine Aktion durchführt, obwohl sie noch nie in Israel waren. Wenn hier irgendein rechtsradikales Arschloch einen Anschlag durchführt, zeigen auch Deutsche ihre Solidarität mit den Opfern, ohne rechts zu sein. Solidarität zeigen: etwas das selbstverständlich ist und sein sollte. Käme mal jemand von selbst auf die Idee, gäbe es diesen Druck auch nicht. Stattdessen neigen manche dazu, bei islamistischen Anschlägen selbst in die Opferrolle zu schlüpfen ("jetzt werden wir wieder diskriminiert"), und das ist alles nicht gerade sehr förderlich.
We don't believe in anything we dont stand for nothing. We got no "V" for victory cause we know things are tougher.
(Iggy Pop/James Williamson: "Beyond The Law")
---------------------------------------------------------------- From the river to shut the fuck up.
Eben. Sicherlich ist Social Media für keine Bevölkerungsgruppe repräsentativ, aber ein Großteil der Beiträge unserer nach ihrem Internetprofil arabisch- oder türkischstämmigen Mitmenschen sind diesbezüglich sehr ernüchternd. Gegenvorwürfe, Whatabout-ismen und vor allem ein bunter Reigen von Verschwörungstheorien prägen das Bild. Dass das auch für Impfgegner und Classic Rock Hörer gilt, ändert nichts an dieser Feststellung.
Was mich gerade und immer wieder nervt: Leute, die offenbar ein bestimmtes Thema im Kopf haben und dann out of the blue eine zusammenhanglose Frage stellen, ohne dass man weiß, von welchem Thema sie reden.
Dass auch Juden unfairerweise in Sippenhaft genommen werden, ist für mich kein guter Grund, diesen Druck auch auf andere auszuweiten.
Dass Solidaritätsbekundungen schön sind, ist klar - und wenn es um Attacken gegen ohnehin marginalisierte Gruppen aus der Mehrheitsgesellschaft heraus geht, dann sind sie wahrscheinlich sogar sehr wichtig. Ich habe aber als Mitglied der Mehrheitsgesellschaft auch nicht bei jedem Anschlag öffentlich meine Solidarität bekundet. Manchmal war ich auf Demos, manchmal nicht. Das hing auch davon ab, wie sehr ich das Gefühl hatte, dass es wichtig wäre, zu signalisieren: Die Mehrheit ist anders. Von Mitgliedern marginalisierter Gruppen, die möglicherweise seit Jahrzehnten darum kämpfen, nicht als uniforme Masse verstanden zu werden, jetzt zu verlangen, dass sie sich als Teil der Gruppe, die gerade angefeindet wird, hinstellen und sagen „Ja, ist wirklich doof, was die machen“ finde ich einfach nicht angebracht.
Zitat von LFB im Beitrag #8138Eben. Sicherlich ist Social Media für keine Bevölkerungsgruppe repräsentativ, aber ein Großteil der Beiträge unserer nach ihrem Internetprofil arabisch- oder türkischstämmigen Mitmenschen sind diesbezüglich sehr ernüchternd. Gegenvorwürfe, Whatabout-ismen und vor allem ein bunter Reigen von Verschwörungstheorien prägen das Bild. Dass das auch für Impfgegner und Classic Rock Hörer gilt, ändert nichts an dieser Feststellung.
Letztere Anmerkung lässt allerdings schon die Frage aufkommen, was an deiner Feststellung relevant ist.
Zitat von Quork im Beitrag #8140dass sie sich als Teil der Gruppe, die gerade angefeindet wird, hinstellen und sagen „Ja, ist wirklich doof, was die machen“ finde ich einfach nicht angebracht.
Das meinte ich mit "Druck rausnehmen". Ob das angebracht ist oder nicht: die Leute leben hier, und das sollte ein gegenseitiges Aufeinanderzugehen sein. Man sieht ja bereits am Fußball, daß das funktioniert: ich sehe bei öffentlichen Übertragungen soviele Leute mit Migrationshintergrund die Nationalelf abfeiern, ohne daß es irgendwo Streß gibt (außer komischerweise von linker Seite, aber das ist ein anderes Thema). Wenn man sich bei freudigen Anlässen vereinen kann, warum dann nicht bei traurigen? Das funktionierte vielleicht in Hanau, weil die Opfer alle Migrationshintergrund hatten; aber wenn es homophobe Anschläge gibt, und keiner sagt irgendwas, kann man schon mutmaßen, daß das nichts mit Marginalisierung zu tun hat. Womit wir wieder am Anfang wären. Es bräuchte da endlich mal jemanden (selbst, wenn es der unsägliche Ayman Manzyek wäre), der die Klappe aufmacht. Integration funktioniert nicht nur einseitig, es müssen beide Seiten zusammenarbeiten.
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Hat man denn nicht auch als Christ, Agnostiker oder Pudelbesitzer das Recht zu sagen: „Was hat das jetzt mit mir zu tun?“, wenn irgendjemand, der derselben Gruppe zugerechnet wird (zu Recht oder zu Unrecht sei mal dahingestellt) etwas verbrochen hat?
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Mir fallen da nur extrem makabre Sachen ein. Sagen wir mal so: würde ein Angehöriger einer Ethnie oder Gruppe, der ich mich zugehörig fühle, irgendwo ein Massaker anrichten, wäre es mir wichtig, mich von dieser Tat und Person zu distanzieren und den Opfern mein Mitgefühl auszusprechen, auch wenn ich mich mit diesen Opfern vielleicht nicht identifizieren kann und diese nicht gerade aus Ku - Klux Klan - Mitgliedern oder den Teilnehmern an einem IS - Ausbildungscamp bestehen (übertreiben muß man es mit der Empathie ja nicht). Ich bin halt so gestrickt.
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Sowas passiert übrigens manchmal auch (vielleicht nicht oft und laut genug, um öffentlich wahrgenommen zu werden), es gab zum Beispiel nach dem Attentat in Wien ein Solidaritätsbekenntnis und eine Verurteilung von Terror durch einen islamischen Dachverband. Es ist nicht so, als gäbe es sowas nicht. Ob das jetzt jeder x-beliebige Gläubige auf seine Facebook-Wall posten muss, damit es Gültigkeit bekommt, würde ich gerne hinterfragen.