Der Umgang mit, sowie der Stellenwert von Identitäten ist einer der ganz zentralen Fragen unserer Zeit. Insofern kann es imho durchaus helfen, wenn ein Riese wie Amazon einen kapitalen Bock schießt, um für alle einmal aufzuzeigen, auf welches Glatteis man geraten kann. Wenn Amazon mit dieser Firmenpolitik wirklich ernst macht, wird am Ende niemand glücklich sein mit den Resultaten - da bin ich mir ziemlich sicher.
☟ smog in berlin. nichts wie hin. weil du mich küsst, bin ich kein tourist.
kann sein, kann aber auch nicht sein. wie gesagt, so eine grundfalsche herangehensweise kann auch dazu führen, dass die ressentiments gegen identitätspolitik so weit zunehmen, dass auch die guten ansätze bzw. maßnahmen diskreditiert und womöglich sogar wieder rückgängig gemacht werden. nichts davon steht in stein gemeißelt.
puh! ich habe das gefühl, dass das thema von einer völlig falschen, konservativ populistischen, perspektive aus betrachtet wird. letztlich ist das einfach eine entscheidung, die wirtschaftlich sein soll. wenn scorsese nochmal nen gescheiten millieufilm macht, wird der mafiaboss nicht genderfluid sein. und wenn der film erfolgreich sein sollte, will auch amazon daran verdienen. das wird sich sicher nicht ändern. zudem bin ich mir auch sicher, dass legolas in der herr der ringe serie nicht schwul sein wird. worum es hier vielmehr geht, sind die sorte filme und serien die amazon, netflix und co seit einiger zeit über uns ausschütten. in aller regel gefühliges einerlei, bei dem repräsentation einfach nicht schadet. weder gesellschaftlich noch, und natürlich viel wichtiger, monetär. denn als vermarktungsstudio will ich so viele käuferschichten erreichen wie möglich. und diese aus einem wirtschaftlichen kalkül heraus entstandene entscheidung hat damit zu tun, dass der zweitverwertungsmarkt zusammengebrochen ist. außerhalb eines forums wie diesem bricht der absatzmarkt für physische medien absolut ein. ich erinnere an dieses interview mit matt damon, wo er darauf hinweist, wie sehr sich der thematische und ästhetische spielraum einengt, wenn man nach der kinoverwertung keine dvds et al mehr verkauft. sein beispiel: wenn ein film 25 mios kostet, musst du an den kinokassen ca 100 mios einspielen, um auf 0 zu kommen. diese kalkulation muss aufgehen können. (edit: das argument verändert sich nicht dadurch, dass es hier um zu verkaufende abos geht.) das argument, die herangehensweise könne ressentiments schüren, finde ich persönlich insofern schwierig als ich glaube, dass es vollkommen egal ist. leute, die identitätspolitik als kampfbegriff nutzen, betreiben seit jeher identitätspolitik - nur um marginalisierte gruppen weiterhin in ihrer ecke stehen zu lassen (eine wie ich finde freundlich euphemistische umschreibung). die ressentiments sind bereits da. sie fallen durch den gesellschaftlichen gegenwind, der zunehmend aufkeimt, einfach auf. und das ist auch gut so.
was er hier macht, ist der typisch konservative honeypot. er hält die freiheit der kunst als zurecht unveräußerliches recht hoch, um seinen stets zur schau getragenen elitarismus gegen jedwede veränderung zu verteidigen.
Zitat von BadBrain im Beitrag #441was er hier macht, ist der typisch konservative honeypot. er hält die freiheit der kunst als zurecht unveräußerliches recht hoch, um seinen stets zur schau getragenen elitarismus gegen jedwede veränderung zu verteidigen.
ich glaube, da liegst du falsch. er betont doch, dass sich in den letzten jahren bereits einiges verändert hat und lässt keinen zweifel daran, dass er das auch gut heißt. ihm konservativismus, populismus und elitarismus vorzuwerfen, ist - wenn man seine rezensionen verfolgt - mMn nicht haltbar (er fand z.b. den letzten rambo gut), auch wenn er immer im feinen zwirn vor der angeber-bücherwand sitzt, sich gewählt ausdrückt und marvel hasst.
Zitat von BadBrain im Beitrag #441das argument, die herangehensweise könne ressentiments schüren, finde ich persönlich insofern schwierig als ich glaube, dass es vollkommen egal ist. leute, die identitätspolitik als kampfbegriff nutzen, betreiben seit jeher identitätspolitik - nur um marginalisierte gruppen weiterhin in ihrer ecke stehen zu lassen (eine wie ich finde freundlich euphemistische umschreibung). die ressentiments sind bereits da. sie fallen durch den gesellschaftlichen gegenwind, der zunehmend aufkeimt, einfach auf. und das ist auch gut so.
sie fallen aber eben nicht nur auf, sondern führen - nicht unbedingt bei uns - aber z.b. in osteuropa oder in republikanisch dominierten staaten der usa zum backlash, haben also direkte auswirkungen auf die menschen. ich glaube, dass identitätspolitik mit der brechstange nichts bringt, weil gesellschaftlicher wandel nun mal träge ist. das haben die entwicklungen auch hierzulande - glaube ich - gezeigt.
und eine falsche politik mit wirtschaftlichen zwängen zu begründen macht sie halt einfach nicht richtiger.
Zitat von BadBrain im Beitrag #441wenn scorsese nochmal nen gescheiten millieufilm macht, wird der mafiaboss nicht genderfluid sein. und wenn der film erfolgreich sein sollte, will auch amazon daran verdienen. das wird sich sicher nicht ändern. zudem bin ich mir auch sicher, dass legolas in der herr der ringe serie nicht schwul sein wird.
das hast du - glaube ich - missverstanden. es geht nicht darum, dass scorsese oder sonstwer, dazu verpflichtet werden sollen, ihre drehbücher divers zu gestalten. die regel heißt ja: ist der mafiaboss genderfluid, dann muss er auch durch einen genderfluiden besetzt werden, wenn legolas im drehbuch schwul ist, muss er durch einen schwulen gespielt werden. und das hat einfach mit schauspielerei nix zu tun.
Wo ich BadBrain auf jeden Fall recht geben würde ist, dass für Amazon am Ende das Geld zählt. Wenn deren Vorgaben dazu führen, dass Serien und Filme sich schlechter verkaufen, wird Amazon ganz schnell vergessen, wie wichtig ihnen die Identitätsdebatte angeblich mal war.
☟ smog in berlin. nichts wie hin. weil du mich küsst, bin ich kein tourist.
Zitat von gnathonemus im Beitrag #442 sie fallen aber eben nicht nur auf, sondern führen - nicht unbedingt bei uns - aber z.b. in osteuropa oder in republikanisch dominierten staaten der usa zum backlash, haben also direkte auswirkungen auf die menschen. ich glaube, dass identitätspolitik mit der brechstange nichts bringt, weil gesellschaftlicher wandel nun mal träge ist. das haben die entwicklungen auch hierzulande - glaube ich - gezeigt.
ja diese backlashes gibt es. das ist eine schlimme wahrheit. aber es gibt sie, und das halte ich ebenso für eine wahrheit, auch so. es gibt keinen weg, um diese ewiggestrigen arschgeigen an gesellschaftlicher transformation teilhaben zu lassen, der nicht in irgendeiner form gewaltsam ist. deshalb die füße still zu halten oder die gewalt denen vorzuwerfen, die versuchen, etwas zu ändern, kann man als eine art victim blaming auffassen. *ich möchte an der stelle dringend betonen, dass ich dir kein victim blaming vorwerfen will. das steht mir nicht zu. aber eine falsche politik mit gesellschaftlichen zwängen zu begründen macht sie halt einfach nicht richtiger.
Zitat von gnathonemus im Beitrag #443 das hast du - glaube ich - missverstanden. es geht nicht darum, dass scorsese oder sonstwer, dazu verpflichtet werden sollen, ihre drehbücher divers zu gestalten. die regel heißt ja: ist der mafiaboss genderfluid, dann muss er auch durch einen genderfluiden besetzt werden, wenn legolas im drehbuch schwul ist, muss er durch einen schwulen gespielt werden. und das hat einfach mit schauspielerei nix zu tun.
ich habe einfach aufgehört, ordentlich zuzuhöhren. das stimmt. es geht aber nicht nur um die von dir genannte gleichbesetzung. zu beginn unter punkt zwei des vorgelesenen wird die forderung gestellt, rollen diverser zu gestalten (empfehlung, figuren diverser kategorien einzuführen mit 50% frauenanteil etc). er quittiert das mit dem kommentar, dass ein film über nazis schwer diverser zu gestalten sein wird bzw er schickt diesen kommentar vorweg, um die denkrichtung von vornherein zu färben. eine technik, die er in seinen beiträgen sehr gerne anwendet. *stichwort populismus was den von dir genannten aspekt betrifft, kann ich verstehen, dass man sich um das handwerk des schauspielerns sorgt. aber ich kann auch gut verstehen, dass man versucht, nach zuvor marginalisierten schauspieler*innen zu schauen. wenn es blinde figuren zu spielen gibt, kann ich es nicht verwerflich finden, wenn man erstmal nach blinden darsteller*innen sucht (ich wähle das beispiel bewusst, da es am 1.8. einen podcast bei "nyt daily" mit genau dem thema gibt). wo ist da das problem? es geht doch einfach nur darum, leute zu beteiligen und ihnen eine chance zu geben anstatt sich im ewig gleichen zirkel die kohle zuzuschieben. es verändert sich nur, dass ein al pacino (er bringt ja das beispiel der guten schauspieler*innen, die das richtige handwerk beherrschen *stichwort elitarismus) sich nicht darauf konzentrieren muss, blind zu sein. denn die figur ist ja nicht nur blind. an der figur gibt es doch noch viel viel mehr aspekte, die es zu spielen gilt. wie eine art paradoxer intervention. man besteht darauf, blinde zu nehmen, um zu zeigen, dass sie nicht „nur“ blind sind. und das kann für die gesellschaftliche debatte sehrwohl sehr hilfreich sein, bisher marginalisierte gruppen nicht mehr nur darzustellen, sondern erkennbar zu machen. man zeigt, dass diese eben nicht nur durch dieses eine merkmal zu bestimmen sind. und hier spanne ich den bogen zu den backlashes. nur begegnung kann vorurteile überwinden. und ganz pathetisch: für mich ist das kino ein ort der begegnung. ich sehe durchaus, dass man fürchten kann, dass dann schon die besetzung einer filmcrew mit politik überfrachtet wird. und das tut es sicher auch. um ihn aus seinem video nochmal zu zitieren: das ist kunst, die tut halt auch mal weh... und grundsätzlich wäre das ein argument, dass immer dann auftaucht, wenn von rechter seite schauspielern oder sportlern, allgemein leuten mit gesellschaftlicher weichreite, der mund verboten werden soll. weil sie in unliebsamerweise in den diskurs einschreiten. und ich versteheauch , dass das problematische an dem thema, die top-down vorgabe ist. aber hey, wenn dein film und dein ensemble so gut ist, dass es wider den inclusion rider (so nannte es frances mcdormand bei ihrer forderung danach in der oscarrede zu three billboards) umsatz generiert, wird sich sicher ein anderes studio als amazon finden lassen.
und nur mal so: ich denke, weder wolfgang noch ich hätten was dagegen, blinde rollen durch blinde schauspieler zu besetzen (statt durch al pacino), noch irgendwelche anderen marginalisierten personen öfter in drehbücher einzubeziehen bzw. zu besetzen, aber halt auch in rollen, die nicht nur ihre lebenswirklichkeiten abbilden, denn - wie gesagt - das zeichnet die schauspielkunst aus. ich hab irgendwie den eindruck, dass du ihn nicht magst und ihn deshalb in eine dubiose ecke stellst, aber als einer, der seinen output schon lange und gründlich verfolgt, halte ich das für unangebracht. gerade wenn man seinen podcast (auch auf youtube) "wohlstand für alle" mit ole nymoen hernimmt, merkt man schnell, dass er weder für eliten noch für konservatismus oder populismus viel übrig hat.
ich denke, sein (und auch mein) standpunkt lässt sich so zusammenfassen: veränderung durch inklusion und förderung von emanzipationsbestrebungen immer gerne, aber nicht mit dem holzhammer und v.a. nicht auf kosten der kunstfreiheit. und was amazon da hingezimmert hat, ist eben letzteres und man fragt sich, ob die da besoffen waren oder tatsächlich so bescheuert. soviel dazu.
amazon prime und blumhouse scheinen einen deal zu haben, die hauen einen horror-b-movie nach dem anderen als amazon originals raus. meh, ausgerechnet blumhouse ... hätte es nicht a24 sein können.
triggerwarnungen auf amazon prime: so wertvoll wie ein kleiner zwerg
ob nun jemandem vor den fuß getreten wird oder gliedmaßen und gedärme tonnenweise über den bildschirm splattern, der trigger heißt "gewalt"
stattdessen erfolgt aber immer ein hinweis auf so verstörende tätigkeiten wie "rauchen", "alkoholkonsum" sowie "drogenkonsum", sollte mal jemanden einen joint rauchen. und wenn jemand beim duschen oder umziehen gefilmt wird, egal wie, geht die alarmglocke für "nacktheit" los.
Ich sagte es bereits an anderer Stelle: Wenn Triggerwarnungen jemandem helfen, dann werde ich mich nicht darüber beklagen, auch wenn ich sie nicht selbst brauche.
☟ smog in berlin. nichts wie hin. weil du mich küsst, bin ich kein tourist.