ich glaub, das ist schlicht und einfach das internet. ich bin auch früher schon oft schäumend aus dem kino gekommen und hab mich über die unglaublich flache und unsensible darstellung bestimmter sachverhalte nicht mehr eingekriegt. leidtragende waren aber damals nur mein direktes umfeld, ich konnte halt nicht direkt auf twitter die halbe welt anblöken.
Zitat von Lumich im Beitrag #1960Ist es denn so schwer auszuhalten, dass auch andere Menschen sich hin und wieder beschweren?
Heutzutage musst du als Künstler (egal welcher Ausrichtung) so dermaßen vorsichtig sein, dass du nicht einen Shitstorm aus irgendeiner Richtung heraufbeschwörst, ich finde das sehr schwierig.
Und warum sollte man Künstler aus der Verantwortung entlassen, was die von ihnen produzierten Werke angeht? Ich sehe da keinen Grund für. Und wer es nicht aushält für seine produzierten Werke kritisiert zu werden, der muss sich wohl einen neuen Job suchen.
Schwierig finde ich eher, Kritik an Künstlern und ihren Werken als Shitstorm zu verumglipfen und Kritik (unterschwellig?) daran verbieten zu wollen.
"Der Nationalsozialismus hat sich vorsichtig, in kleinen Dosen, durchgesetzt – man hat immer ein bisschen gewartet, bis das Gewissen der Welt die nächste Dosis vertrug." Stefan Zweig
Ach, Mirabello. Du bist so eine unsympathische Wurst, die ständig Leuten das Wort im Mund verdrehen möchte. Hab ich echt keinen Bock drauf, deshalb diskutiere ich das nicht weiter.
Ben Wheatley ist mir irgendwie unsympathisch, als Teenager hing er wohl jedem ständig in den Ohren, wie genial doch Reservoir Dogs ist. Spätestens seit der "High Rise"-Enttäuschung ist er in der Bringschuld, aber auf "Free Fire" hatte ich wirklich Lust und wenn es nur wegen der ewig tollen Brie Larson war. Und man muss es ihm lassen: Solche Filme dürfen nur die wenigsten drehen. Keine 90 Minuten, fast nur shooting and shouting, idiotische Kerle, die sich alle für viel zu geil halten, keine großen Schnörkel, maximal ein Winz-Twist ab und zu. Die Existenz des Films ist in der heutigen Zeit eine erhobene Augenbraue wert, für zwichendurch okay, aber mehr auch nicht.
Kill List und A Field in England fand ich toll, Sightseers eher medium und High-Rise mochte ich auch. Find jetzt auch den Dreh zu Reservoir Dogs nicht ganz, oder meinst du die etwas bemühte coolness von Sightseers?
Das Free Fire nun an Tarantino erinnert ist klar, aber seine Filme vorher empfand ich als recht eigenständig.
Zitat von tenno im Beitrag #1966ich glaub, das ist schlicht und einfach das internet. ich bin auch früher schon oft schäumend aus dem kino gekommen und hab mich über die unglaublich flache und unsensible darstellung bestimmter sachverhalte nicht mehr eingekriegt. leidtragende waren aber damals nur mein direktes umfeld, ich konnte halt nicht direkt auf twitter die halbe welt anblöken.
Vielleicht finde ich das nur nicht so schlimm, weil ich mich außerhalb von Facebook und Twitter bewege. Shitstorms bekomme ich also nur mit, wenn andere darüber schreiben. So oder so halte ich Pluralität für einen Gewinn, auch wenn sie naturgemäß sehr anstrengend sein kann.
☟ smog in berlin. nichts wie hin. weil du mich küsst, bin ich kein tourist.
das wollte ich damit auch gar nicht infrage stellen. schimpfen und wüten ist ja okay, solange es nur eine seite des mögliche spektrums an reaktionen darstellt. kritisch wird es, wenn heutzutage die wüterei eine derartige wucht bekommt, dass alle einknicken. so kommen irgendwann diejenigen, die das anders sehen, nicht mehr zu ihrem recht.
Im Falle von "Split" handelte es sich um eine einzelne Traumatherapeutin, die sich in irgendeinem Zeitungsinterview darüber ärgerte, meine ich mich zu erinnern. Ich kam da auch nur drauf, weil ich den Trailer sah und sofort ein mulmiges Gefühl bekam, weil das eben oft eigentlich Opfer schwerer Gewalt sind, die da als Gruselfigur verwendet werden. Ich habe dann mal gegoogelt, ob es anderen Menschen beim Anblick des Trailers ähnlich ging. Von einem Shitstorm also weit und breit nichts in Sicht. Was Freeman aber über den Film schreibt, lässt mich vermuten, dass das schon gerechtfertigt war, was die Frau schrieb.
Grundsätzlich kann ich das Gefühl schon verstehen, dass "man ja nichts mehr sagen darf" - unweigerlich die Kehrseite gewachsener gesellschaftlicher Empathie Klein- und Randgruppen gegenüber. Ich glaube aber tatsächlich, dass es Teil von Kunst und Kultur ist, dass man was sagt, was andere Leute auch ärgern kann, und dass diese Leute das dann auch äußern. Ich würde weder James McAvoy noch M. Night Shyamalan deshalb jetzt boykottieren. Aber einen Film - auch öffentlich - doof zu finden, bleibt ja jedem unbenommen. Sollte man halt ebenfalls nicht zu hoch hängen.
eben. vieles sind ja äußerungen derjenigen, die glauben, sich zu allem äußern zu müssen.
(kurzer abstecher: auf amazon wird eine frage zu einem produkt gestellt, und jemand schreibt "kann ich dir nicht beantworten, ich habe das produkt nicht". wenn so jemand empfindlich ist, weint er auch, ohne im kino gewesen zu sein.)
Zitat von Lumich im Beitrag #1960Ist es denn so schwer auszuhalten, dass auch andere Menschen sich hin und wieder beschweren?
Heutzutage musst du als Künstler (egal welcher Ausrichtung) so dermaßen vorsichtig sein, dass du nicht einen Shitstorm aus irgendeiner Richtung heraufbeschwörst, ich finde das sehr schwierig.
Und warum sollte man Künstler aus der Verantwortung entlassen, was die von ihnen produzierten Werke angeht? Ich sehe da keinen Grund für. Und wer es nicht aushält für seine produzierten Werke kritisiert zu werden, der muss sich wohl einen neuen Job suchen.
Schwierig finde ich eher, Kritik an Künstlern und ihren Werken als Shitstorm zu verumglipfen und Kritik (unterschwellig?) daran verbieten zu wollen.
In erster Linie fühlt sich Drehbuchauthor und Regisseur seinem Film verpflichtet. Sprich er muß seine Vision erfüllen. Klar können ihn Experten kritisieren, aber die Experten sind auch keine Experten für Drehbücher.
William Goldman hatte das mal am Beispiel von "Der Brücke von Arnheim" aufgeführt, dass ein hochrangiger Militär (Major/Lieutenant?) in Realität sehr jung war, er aber sich für einen älteren Darsteller entschieden hat, weil das Publikum ihm das jugendliche Alter nicht abgekauft hätte.
Oder man schaue sich mal die tatsächliche Geschichte von John Nash ( A Beautiful Mind) an. Da wäre Russel Crowe nicht mehr ganz so sympathisch rüber gekommen und die Mädels vielleicht nicht in Scharen ins Kino gerennt.
Ich glaube, das Problem heutzutage liegt eher darin, dass die Öffentlichkeit sehr schnell darin ist, Positionen, die ihr nicht passen, oder auch echte Fehltritte mit großen gesellschaftlichen Fragen und gleichzeitig mit Personalien zu verbinden. Wenn mir Film X aus Gründen der Repräsentation oder politischen Botschaft nicht gefällt, ist oft der kreative Kopf dahinter ganz schnell ein Dämon. Aus berechtigter Kritik an einem Werk wird eine öffentliche Hetze von Einzelpersonen, die mit ihrem Namen für das Werk stehen. Was für einen Sog so ein Mahlstrom der öffentlichen Aufregung hat und wie vorsichtig man da sein muss, lässt sich ja gut an der #metoo-Debatte beobachten. Wenn man während so einer Welle der öffentlichen Erregung nicht glaubhaft versichern kann, dass man trotz allem ein toller Mensch ist, geht es ganz schnell nach hinten los. Jahrelang war die Arbeit mit Woody Allen kein Problem, aber in dem Moment, in dem die Welle schwappt, müssen alle Schauspieler, denen an ihrer Karriere etwas liegt, sich von dem Mann lossagen. Nicht, dass ich Woody Allen verteidigen wollen würde, aber diese durchchoreografierten PR-Aktionen sind eben auch auf einem gewissen Level schädlich für die maßvolle Unterhaltung über Menschen und ihre Handlungen.
Zitat von Krautathaus im Beitrag #1974In erster Linie fühlt sich Drehbuchauthor und Regisseur seinem Film verpflichtet. Sprich er muß seine Vision erfüllen. Klar können ihn Experten kritisieren, aber die Experten sind auch keine Experten für Drehbücher.
Das ist mir auch zu einfach. Ich hab mich oft geärgert über Schlampereien in Filmdarstellungen, wo ich mich gefragt hatte, warum die sich nicht informiert haben. Ein Thema zu wählen, mit dem man sich offensichtlich nicht befasst hat, ist für sich schon angreifbar, egal wie gut man sich mit Drehbüchern und deren Entstehen auskennt.
☟ smog in berlin. nichts wie hin. weil du mich küsst, bin ich kein tourist.
Zitat von Quork im Beitrag #1975Ich glaube, das Problem heutzutage liegt eher darin, dass die Öffentlichkeit sehr schnell darin ist, Positionen, die ihr nicht passen, oder auch echte Fehltritte mit großen gesellschaftlichen Fragen und gleichzeitig mit Personalien zu verbinden. Wenn mir Film X aus Gründen der Repräsentation oder politischen Botschaft nicht gefällt, ist oft der kreative Kopf dahinter ganz schnell ein Dämon. Aus berechtigter Kritik an einem Werk wird eine öffentliche Hetze von Einzelpersonen, die mit ihrem Namen für das Werk stehen. Was für einen Sog so ein Mahlstrom der öffentlichen Aufregung hat und wie vorsichtig man da sein muss, lässt sich ja gut an der #metoo-Debatte beobachten. Wenn man während so einer Welle der öffentlichen Erregung nicht glaubhaft versichern kann, dass man trotz allem ein toller Mensch ist, geht es ganz schnell nach hinten los. Jahrelang war die Arbeit mit Woody Allen kein Problem, aber in dem Moment, in dem die Welle schwappt, müssen alle Schauspieler, denen an ihrer Karriere etwas liegt, sich von dem Mann lossagen. Nicht, dass ich Woody Allen verteidigen wollen würde, aber diese durchchoreografierten PR-Aktionen sind eben auch auf einem gewissen Level schädlich für die maßvolle Unterhaltung über Menschen und ihre Handlungen.
Ich weiß nur von ein paar Schauspielern, die sich von Allen distanziert haben. Ebenso haben sich andere hinter ihn gestellt. Tatsächlich finde ich die Debatten rund um #metoo in der Mehrzahl differenzierter als oft behauptet.
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Ich habe nicht gezählt. Mein Eindruck war nur, dass eine ganze Reihe Schauspielerinnen sich auf einmal distanzierten. Ich wollte auch gar nicht #metoo kritisieren, denn die Debatte hat in meinen Augen viele Levels, differenzierte wie undifferenzierte. Ich habe aber grundsätzlich schon das Gefühl, dass es diese Scheitelpunkte in mancher öffentlichen Diskussion gibt, ab denen die Aufregung über eine Aussage, eine Tat, ein Werk kippt und zur Verdammung von Personen wird. Mein Gefühl ist, dass viele Menschen bereit sind, in ihrer Idolisierung von Prominenz verschiedener Art einiges zu verzeihen, wenn die grundsätzlich positive Einschätzung der Person nicht zu stark erschüttert wird oder schnell genug wieder zementiert wird. Wenn diese Grundidolisierung abgebrannt ist, wird aus einer öffentlichen Figur dann ganz schnell ein Bösewicht.
Zitat von Krautathaus im Beitrag #1974In erster Linie fühlt sich Drehbuchauthor und Regisseur seinem Film verpflichtet. Sprich er muß seine Vision erfüllen. Klar können ihn Experten kritisieren, aber die Experten sind auch keine Experten für Drehbücher.
Das ist mir auch zu einfach. Ich hab mich oft geärgert über Schlampereien in Filmdarstellungen, wo ich mich gefragt hatte, warum die sich nicht informiert haben. Ein Thema zu wählen, mit dem man sich offensichtlich nicht befasst hat, ist für sich schon angreifbar, egal wie gut man sich mit Drehbüchern und deren Entstehen auskennt.
Will ich nicht widersprechen. Aber zu viel Realtität kann eben auch für den Flow b.z.w. für die Vision des Films hinderlich sein, wie man an so manch geschönter Biographie in Biopics sieht. Das entschuldigt natürlich nicht eine schlampige Recherche.
Zitat von Quork im Beitrag #1978Ich habe nicht gezählt. Mein Eindruck war nur, dass eine ganze Reihe Schauspielerinnen sich auf einmal distanzierten. Ich wollte auch gar nicht #metoo kritisieren, denn die Debatte hat in meinen Augen viele Levels, differenzierte wie undifferenzierte. Ich habe aber grundsätzlich schon das Gefühl, dass es diese Scheitelpunkte in mancher öffentlichen Diskussion gibt, ab denen die Aufregung über eine Aussage, eine Tat, ein Werk kippt und zur Verdammung von Personen wird. Mein Gefühl ist, dass viele Menschen bereit sind, in ihrer Idolisierung von Prominenz verschiedener Art einiges zu verzeihen, wenn die grundsätzlich positive Einschätzung der Person nicht zu stark erschüttert wird oder schnell genug wieder zementiert wird. Wenn diese Grundidolisierung abgebrannt ist, wird aus einer öffentlichen Figur dann ganz schnell ein Bösewicht.
Mir will da spontan kein rechtes Beispiel einfallen. Vielleicht Wedel… der ist zur Zeit schwer zu verteidigen. Aber wenn man bspw. James Franco nimmt, habe ich derzeit nicht das Gefühl, dass seine Tage bereits gezählt wären. Woody Allen ist eigentlich das beste Beispiel für jemanden dessen schlechter Ruf nicht das Werk überstrahlt. Ich sehe da keinen Automatismus oder eine absolute Wehrlosigkeit gegenüber einer aufgepeitschten Masse.
☟ smog in berlin. nichts wie hin. weil du mich küsst, bin ich kein tourist.