Zitat von Anorak Twin im Beitrag #383Ich scheiße auf Authentizität: In der Schauspielkunst finden es alle super, wenn jemand überzeugend eine Rolle verkörpert, die nichts mit seinem eigenen Leben zu tun hat, in der Musik wird dagegen gerne erwartet, dass Rolle und Künstler übereinstimmen.
Ich bin auch nicht der Bannerträger der Authentizität in der Musik, aber den Vergleich finde ich schon schief. Beim Schauspiel ist die Verstellung die zentrale Aufgabe und damit ihr Gelingen natürlich ein Qualitätsmerkmal. In der Musik ist sie optional. Und ich sehe einen Unterschied zwischen Emotionen (Ian Curtis hätte nicht depressiv sein müssen bzw. nicht bei jedem Auftritt verzweifelt-unglücklich) und politischer Botschaft (wer sein Leben lang sozialistische Kampflieder singt, sollte nicht unbedingt Werbegesicht eines internationalen Megakonzerns werden).
"Happy Holidays... is what terrorists say. Merry Christmas, from Avery and Jack."
Oder um mal Beispiele zu nennen: Den einstigen Umweltschützer Jay Kay (Jamiroquai) ließ seine Leidenschaft für PS-starke Luxusautos nicht unbedingt gut aussehen, ebenso wie Moby, der sich gern ökoradikal gab und später einen Rekord aufstellte für Songs, die jeweils an Autokonzerne verkauft wurden für Werbezwecke. Klar steht es jeder und jedem frei zu sagen, dass dies jeweils den Hörgenuss nicht schmälert. Allerdings wäre es für mich zumindest schon von Vorteil, wenigstens die Charakterschwächen nicht so offensichtlich vor sich herzutragen. Wenn mir jemand eine Illusion verkaufen will, dann doch bitte richtig.
☟ smog in berlin. nichts wie hin. weil du mich küsst, bin ich kein tourist.
ich sehe das ähnlich wie berthold und lumich. und würde beim durchaus hinkenden vergleich "schauspiel-musik" dann auch eher die autor:in des stücks/films mit der musiker:in vergleichen.
dennoch ein anspruch, der eben fälschlicherweise auch an musiker herangetragen wird, die sich eben nicht über diese authentizität definieren. ich erinnere mich an einen kollegen, der tom waits einen "scharlatan" nannte; dabei gehört dieser in meinen augen wie auch david bowie eben zu denen, die ihre kunst auf der grundlage einer "persona" praktizieren. parallelen seh ich im übrigen auch zu den schauspielern, die vom publikum mit ihren rollen identifiziert werden (zB fernsehärzte, die man im urlaub nach diagnosen fragt). offenbar besteht da ein großes bedürfnis seitens der zielgruppe, das man mit dem verweis auf die trennung zwischen privatperson und profession nicht aushebeln kann.
Ich würde sagen, dass KünstlerInnen verschiedene Ansprüche an sich selbst in die Öffentlichkeit kommunizieren, und daran darf man sie auch messen. Bowie hat es überdeutlich gemacht, dass seine Stage-Personas nicht seinem privaten Selbst entsprechen. Je mehr man sich mit Tom Waits beschäftigt, desto deutlicher wird es, dass auch er eine Stage-Persona aufführt. Kritischer wird es, wenn vermeintliche Authentizität zu Marketingzwecken verwendet wird. Das darf man ruhig unsympathisch finden. Wenn Wolle Petry sagt, er würde jederzeit wieder untertage arbeiten, weil er doch noch immer „einer von uns“ ist, oder Jennifer Lopez singt, sie wäre noch immer „Jenny aus dem Block“, ist das etwas anderes, als wenn jemand anderes sich einfach nicht verstellen mag.
Passend dazu:
☟ smog in berlin. nichts wie hin. weil du mich küsst, bin ich kein tourist.
Um nochmal auf M.I.A. zurückzukommen: Jetzt hat sie ein Bild von sich mit Candace Owens gepostet. Der Tweet dazu ist irgendwie uneindeutig, weil ich ihr Recht geben muss: Das Foto ist gruselig… https://twitter.com/MIAuniverse/status/1...B5bSPs8xZ9o-Bww