Zitat von Lumich im Beitrag #190Dass ein Buch in einer früheren Form nicht neu aufgelegt wird, hat wirklich nichts mit Zensur zu tun.
Wenn in einem Film herumgeschnipselt wird, auch wenn es um unpolitische Gewaltszenen geht, sprach man von jeher von Zensur. Wenn ich aus meinem Buch selbst etwas herausstreiche, spricht man von "Selbstzensur". Irgendein Unterschied dazu? In jedem der Fälle wird etwas geändert was man glaubt, der Allgemeinheit nicht zumuten zu können oder zu wollen.
Dass man davon spricht, heißt nicht, dass es sich tatsächlich darum handelt. Bei Filmen konnte man das Argument noch insofern nachvollziehen, als dass bestimmte Schnittfassungen durch mehr oder weniger äußere Einflussnahme schlichtweg nicht mehr zugänglich waren. Heutzutage haben sich die Verbreitungskanäle auf vielfältige Weise vermehrt. Meist geschahen Kürzungen aber auf Betreiben der Produktionsfirmen, weil die Filme auf eine bestimmte Art vermarktet werden sollte, bei der eine zu hohe Altersfreigabe hinderlich war. Als Geldgeber haben die alle möglichen Mittel der Einflussnahme. Das hat wenig damit zu tun, was man für zumutbar hält, sondern eher damit, was man wie in die Kinos bekommt. Eine totale Freigabe alles für jeden, hielte sogar ich, als ausgesprochen liberal denkender Mensch, für bedenklich.
☟ smog in berlin. nichts wie hin. weil du mich küsst, bin ich kein tourist.
Zitat von Berthold Heisterkamp im Beitrag #188Ich war früher rigoros gegen die Änderung alter Bücher, und habe dabei weiterhin Bauchschmerzen. Gleichwohl sehe ich, dass die Abwägung Anderer (insbesondere der von den als rassistisch empfundenen Bezeichnungen Betroffenen) anders ausfällt, und dass deren Stimme diesbezüglich schwerer wiegen sollte als meine. Meine zwei Cent: Erwachsenenliteratur ist ein Kunstwerk und ein Kind ihrer Zeit. Noch dazu wird sie von reflexionsfähigen Erwachsenen rezipiert. Wer heute mit 40 noch "Neger" sagt, hat dafür nicht Dickens verantwortlich zu machen. Finger weg von Änderungen oder Veröffentlichungsverbot. Kinderliteratur ist für mich ein anderes Thema. Sowas hier ("Negerweibchen Schwarz-Mama und Schoko-Sam der Mohr" sammeln überall Kinder ein, essen Wassermelone und Maiskolben etc. pp.) wurde mir von meinen Eltern noch vorgelesen (vermutlich aus nostalgischen Gründen, heute verstehen sie das auch nicht mehr), ist aber definitiv nicht zu retten. Kein Verlust, sowas gehört aussortiert. Aber was macht man mit "Pippi Langstrumpf", einem insgesamt durchaus zeitgemäßen und von mir sehr geliebten Buch, das ich nicht aussortieren mag, auch wenn im Original (respektive in der Originalübersetzung) Pippis Papa ein Negerkönig ist? In unserer Ausgabe wird das Wort beim ersten Auftauchen per Fußnote thematisiert ("heute würde man 'Schwarze' sagen" - auch das wird man bald überarbeiten müssen), und ich habe mit meiner damals dreijährigen Tochter drüber gesprochen, und ich glaube, sie hat verstanden, worum es im Kern der Sache geht. Da könnte ich im Zweifel aber auch damit leben, wenn einfach allgemein "Negerkönig" ersetzt würde. Wie so oft: Sprechen hilft, im Zweifel sogar mit Kindern.
Ich möchte dir hiermit eigentlich komplett zustimmen. Nur mit der Klammer nicht so ganz: Warum darf man Schwarze nicht mehr sagen?
Was den Negerkönig angeht: Weiß jemand, wie es im schwedischen Original heißt? Ich finde es in dem Fall tatsächlich nicht so schlimm, wenn man das Wort Negerkönig ersetzen würde, denn der Sinn bleibt ja auch beim Südseekönig erhalten.
Die letzten Sechs in der Playlist: Honeyglaze - Real Deal || Laura Marling - Patterns In Repeat || Nieve Ella - Watch It Ache and Bleed || Dawn Richard & Spencer Zahn - Quiet In a World Full of Noise || Flip Top Head - Up Like a Weather Balloon || Haley Heyndericks - Seed of a Seed
Zitat von JackOfAllTrades im Beitrag #197 Ich möchte dir hiermit eigentlich komplett zustimmen. Nur mit der Klammer nicht so ganz: Warum darf man Schwarze nicht mehr sagen?
Weil die Sprachpolizei möchte, dass wir jetzt alle "People of Color" sagen und unsere Sprache damit massakrieren. Mich regt das sehr auf. Ich habe überhaupt nichts gegen eine neue Bezeichnung, wenn sie gewünscht wird, aber kann es nicht mal etwas in unserer eigenen Sprache sein? (Zugegeben, bei diesem Beispiel ist es etwas knifflig, aber dann muss man sich halt was einfallen lassen.)
Zitat von JackOfAllTrades im Beitrag #197Was den Negerkönig angeht: Weiß jemand, wie es im schwedischen Original heißt? Ich finde es in dem Fall tatsächlich nicht so schlimm, wenn man das Wort Negerkönig ersetzen würde, denn der Sinn bleibt ja auch beim Südseekönig erhalten.
Der "Negerkönig" heißt laut Wikipedia im Original "Negerkung". Ich kann kein Schwedisch, gehe aber mal davon aus, dass das etymologisch und hinsichtlich der damaligen und heutigen Verwendung austauschbar sein dürfte. Ob der Südseekönig das Problem komplett löst, kann man auch diskutieren - haben die da auf einen Nordeuropäer gewartet, der den Thron besteigt? Nach meinem Stand ist "BIPoC" aktuell korrekt, aber es gibt Befürworter und Gegner von "Schwarze" auf allen Seiten, so dass ich da nicht komplett firm bin. Aber bestimmt ist es ein dynamischer Prozess.
"Happy Holidays... is what terrorists say. Merry Christmas, from Avery and Jack."
Ich bin diesbezüglich dafür, jene Wörter zu verwenden, die die betroffenen Menschen als Selbstbezeichnung möchten. Dass im Deutschen noch keine praktikable Bezeichnung gefunden wurde, stört mich nicht groß.
Ich habe es glaube ich schon mal erwähnt, mich aber vor Jahren mit dem Kumpel eines Volontärskollegen unterhalten. Dieser Kumpel ist bundesweit bekannter Kabarettist, selber schwarz und sagt: Bitte nennt mich nicht farbig! Ihr seid farbig, ihr habt weiße Gesichter, rote Gesichter, braune Gesichter wenn euch schlecht ist auch grüne Gesichter. Aber ich bin Schwarz - und deshalb ein Schwarzer.
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Erst wenn man die Hautfarbe mit der gleichen Beiläufigkeit erwähnen kann, wie man es mit Augen- oder Haarfarbe tut und im gleichen Maße auch nicht erwähnt, wo es keine Relevanz hat, sind wir das Problem mit den Bezeichnungen wirklich los. Bis dahin wird es wohl ein Eiertanz bleiben. Jahrhundertelanges Fehlen von Mitgefühl gegenüber marginalisierten Personengruppen erfordert mittelfristig eine erhöhte Sensibilität.
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Zitat von beth im Beitrag #200Ich bin diesbezüglich dafür, jene Wörter zu verwenden, die die betroffenen Menschen als Selbstbezeichnung möchten. Dass im Deutschen noch keine praktikable Bezeichnung gefunden wurde, stört mich nicht groß.
Welche Wörter könnten das im konkreten Beispiel sein, die die betroffenen Menschen als Selbstbezeichnung möchten? Und welche in der deutschen Sprache praktikable Bezeichnung(en) schwebt bzw. schweben dir denn so vor? Es wäre schon interessant zu ergründen, wie denn "die Schwarzen", "die Gelben", "die "Rotäute" (nicht die First Nations in den USA vergessen) und so weiter und so fort sich ihre Selbstbezeichnung vorstellen. Scheint nicht ganz einfach zu sein mit in der deutschen Sprache praktikablen Bezeichnungen, vor allem dann nicht, wenn sie auch nicht mal im Ansatz in irgend einer Form einen negativen, rassistischen oder diskriminierenden Touch haben sollen bzw. dürfen.
Und alllgemein zum Thema: wenn ich die letzten Seiten hier lese, beschleicht mich das Gefühl, es ist wohl Zeit für ein großes, mächtiges, die Welt umspannendes Aufräumen angesagt. Das ist im Grundsatz ja nicht schlecht....im Gegenteil, es ist sinnvoll und gut. Es wäre allerdings schön, wenn die Chose - nicht unbedingt hier, aber insgesamt im Bereich "der Medien" - nicht mit einer immer größer werdenen Portion an missionarischem Eiferertum einher ginge.
Zitat von beth im Beitrag #200Ich bin diesbezüglich dafür, jene Wörter zu verwenden, die die betroffenen Menschen als Selbstbezeichnung möchten. Dass im Deutschen noch keine praktikable Bezeichnung gefunden wurde, stört mich nicht groß.
Welche Wörter könnten das im konkreten Beispiel sein, die die betroffenen Menschen als Selbstbezeichnung möchten? Und welche in der deutschen Sprache praktikable Bezeichnung(en) schwebt bzw. schweben dir denn so vor?
Sinti und Roma wollen zum Beispiel lieber Sinti und Roma genannt werden als Zigeuner.
Für das Thema hier: Tut mir leid, ich habe keinen Vorschlag und verwende derzeit inkonsequent PoC oder Schwarze Menschen. Als weiße Frau kann ich nicht definieren, was Schwarze Menschen als Eigenbezeichnung möchten.
Zitat von beth im Beitrag #205Sinti und Roma wollen zum Beispiel lieber Sinti und Roma genannt werden als Zigeuner
Wie ich im Zuge der Planung eines Holocaust-Mahnmals für diese Bevölkerungsgruppe erfahren durfte, gibt es innerhalb der Community darüber Kontroversen. Es gibt tatsächlich Menschen in diesem Umkreis, die sich weder mit Sinti noch mit Roma identifizieren und sich selbst als Zigeuner bezeichnen. Der Umgang mit dieser Bevölkerungsgruppe ist m.E. besonders kompliziert, weil kaum jemand so sehr unter Vorurteilen und Ausgrenzung leidet wie diese.
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Zitat von beth im Beitrag #205Sinti und Roma wollen zum Beispiel lieber Sinti und Roma genannt werden als Zigeuner
Wie ich im Zuge der Planung eines Holocaust-Mahnmals für diese Bevölkerungsgruppe erfahren durfte, gibt es innerhalb der Community darüber Kontroversen. Es gibt tatsächlich Menschen in diesem Umkreis, die sich weder mit Sinti noch mit Roma identifizieren und sich selbst als Zigeuner bezeichnen. Der Umgang mit dieser Bevölkerungsgruppe ist m.E. besonders kompliziert, weil kaum jemand so sehr unter Vorurteilen und Ausgrenzung leidet wie diese.
Das verhält sich vermutlich mit den meisten Gruppen so. Das verhält sich auch in der Schwarzen Community so. Schwarze Menschen, die das N-Wort unproblematisch sehen, werden dann ja gerne mal als Argument gegen einen Sprachwandel herangezogen. Es gibt auch Frauen, die weiterhin Fräulein genannt werden möchten, solange sie nicht verheiratet sind. Allen Individuen einer heterogenen Gruppe mit einer Einheitsbezeichnung gerecht zu werden, wird sich vermutlich nicht spielen. Dennoch halte ich es für richtig, sich über kollektive Bezeichnungen Gedanken zu machen und den betroffenen Personen zuzuhören und den eigenen Sprachgebrauch möglichst sensibel zu gestalten.
Die Auseinandersetzung was eine Fremdbezeichnung ist und was eine Eigenbezeichnung, sehe ich erstmal als Anfang. Gerade wo hier die weitläufige Ansicht aufgetaucht ist, das Wort „Neger“ sei ursprünglich kein rassistisches Wort, ist die Erinnerung daran, dass es sich dabei um eine Fremdbezeichnung handelt, die die Existenz von vielfältigen Kulturen und Identitäten unter den Tisch fallen lässt, allein durch die vermeintlich gemeinsame Hautfarbe, vielleicht ganz hilfreich.
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Zitat von King Bronkowitz im Beitrag #182Nur, weil irgendwo" Neger" oder "Mohr" steht, sind es nicht gleich rassistische Stereotypen, unabhängig davon, ob das heute noch geht.
Das sehe ich auch so. Muss Coburg jetzt sein Stadtwappen ändern? Muss sich die Mohrenapotheke umbenennen? Darf ich den Sarotti-Mohr, den ich seit meiner Kindheit kenne, nicht mehr mögen?