schon vorgestern abend fand sich auf betreiben des lobenswerten @Quork eine illustre runde im freiluftkino zusammen, zwecks betrachtung des fabian. meine voreilige behupung von "werk ohne autor" (der mir im nachgang dann doch deutlich schaler schmeckte als während des verzehrs) war mir eine lehre, darum gibts hier erst mal nur den vorläufigen eindruck, einem nach anfänglicher irritation sich als ausgesprochen rundes, durchdachtes und sensationell gut besetztes meisterwerk entpuppenden highlight der filmkunst beigewohnt zu haben. immer wieder kommen mir szenen oder stilmittel in den sinn, die sich in der verarbeitenden erinnerung noch mal vergrößern und verzahnen. vulgo: ich war begeistert, bin es zur zeit immer noch, und hoffe es zu bleiben, bis ich hier ausführlicher drauf eingehen werde.
sehr schön, das war dann der entscheidende tritt, der mich - da noch etwas zögerlich (aber was soll bei dem cast und regisseur schon schief gehen) - ins kino befördern wird. zusatzfrage: und die 3 stunden sind wirklich nicht zu lang?
Zitat von gnathonemus im Beitrag #3977zusatzfrage: und die 3 stunden sind wirklich nicht zu lang?
wir waren uns hinterher darüber einig, dass man gerne 20 minuten hätte kürzen können. das war aber mit sicherheit auch dem umstand geschuldet, dass keiner von uns sich vorher über die länge des films im klaren war. unerwarteterweise erst um 1h statt um 23:30 aus dem kino zu kommen (und das unter der woche mit früh aufstehen und so), steht der luziden und unvoreingenommenen beurteilung derartiger künstlerischer aspekte eher im weg. vermutlich würden diese 20 minuten dann doch fehlen. längen hatte er für mich jedenfalls keine, jenseits des plattgesessenen hinterns und der aussicht auf 4 stunden schlaf.
ich schliesse mich dem urteil komplett an und muss mit zwei tagen dazwischen nun auch sagen, dass ich nicht so richtig wüsste, wo man kürzen sollte.
ich bin so erleichtert, fabian ist ein grandioses buch und es war mir trotz wohlwollen nicht komplett klar, wie und ob man das verfilmen sollte. und dann kommt so ein film, der viel will und dem noch mehr gelingt. die rollen sind alle unfassbar besetzt, die ideen und spielereien machen spass, die geschichte ist mit grossem respekt und herzenswärme erzählt. es ist alles sehr begeisternd.
Fabian war auf jeden Fall stilistisch eigenwillig, um es vorsichtig auszudrücken. Es hätte durchaus einiges schief gehen können bei diesem Versuch, finde ich, denn anfangs fragte ich mich schon auch trotz hervorragender Besetzung ein ums andere Mal: Meinen die das ernst? Soll das jetzt drei Stunden so weiter gehen? (Das habe ich mich natürlich nicht sofort gefragt, denn ich wusste ja gar nicht, wie lang der ist). Aber dann geht es drei Stunden so weiter und irgendwie fallen alle etwas kruden Teile ganz passend zusammen. Auch wenn das zum Teil ganz schön deutlich „Ich bin Kunst!!“ schreit. Am Ende glaube ich, wäre dieser Film ohne die stilistischen Tricks ein guter aber nicht besonderer Historienfilm gewesen, gar nicht so weit weg von „Werk ohne Autor“. So ist das aber irgendwie gebrochen, menschlicher, weniger Hochglanz, mehr Witz, voller kleiner Unebenheiten und Zweifel. Und entspricht damit dem Material am doch ganz gut - und macht Tom Schilling als hadernden Künstlertypen viel glaubhafter als im angekitschten Heldenepos „Werk ohne Autor“.
Aber ganz so euphorisch wie tenno und drosophila kann ich auch wieder nicht sein: mindestens zehn Minuten hätte man weitgehend verlustfrei rausschneiden können, wenn nicht mehr.
den stummfilm als ausgangspunkt von 1922 kenn ich nicht, aber wiederum die fortsetzung von 1960 mit gert fröbe in der hauptrolle. whatever: dieser film steht für sich und ist: ein meisterwerk. es gibt crime, drama, action, romance und sogar comedy. visuell, inszenatorisch und schauspielerisch ist das ebenfalls ein meisterwerk. fritz lang ist halt einfach der beste.
"fabian" ist verfilmt? hier in der provinz kriegt man nichts mit... das ist ja eins meiner drei lieblingsbücher, und die anderen beiden haben gut vorgelegt: "berlin alexanderplatz" zuletzt in der grandiosen neuverfilmung, und "jugend ohne gott" bereits 2017. auf "fabian" bin ich dann mal irre gespannt!
auf den letzten drücker noch alle die verfügbaren filme von g.w. pabst angeschaut, bevor sie aus dem programm von mubi verschwinden:
die büchse der pandora (1929)
einer seiner letzter stummfilme, basierend auf romanen von frank wedekind (neben dem titelgebendem noch "der erdgeist") und die entdeckung von louise brooks. herrgott, was für eine begnadete darstellerin - wie sie diese einerseits naive, andererseits erotisch freizügige frau ("lulu") spielt, ist atemberaubend. es gibt kaum zwischentitel, aber das ist überhaupt nicht störend, weil das spiel eigentlich alles transportiert, was drehbuchautor (ladislaus vajda) und regisseur aussagen wollten. für mich der beste der vier.
westfront 1918 (1930)
stinkt technisch natürlich gegenüber "1917" und konsorten ab, aber hey, für mehr als 80 jahre entwicklung in der kinogeschichte machte der schon verdammt viel richtig. die kampfszenen sind beklemmend, die persönlichen konflikte der protagonisten so unvermeidlich wie nachvollziehbar dargestellt und es gibt keine parteinahme: es ist von anfang klar: die wurden in den krieg getrieben und müssen es ausbaden.
die dreigroschenoper
das war die mutprobe, denn musicals sind überhaupt nicht mein ding. aber der gesang hielt sich einigermaßen in grenzen. ernst busch hielt sich nach dem eröffnenden "mackie messer"-song einigermaßen zurück und die gesangsbeiträge von carola neher und lotte lenya hab ich sogar genossen. na ja, und die story ist halt brecht: verständlich, aber inzwischen nicht mehr ganz nachvollziehbar. trotzdem wertvoll. sollte man mal gesehen haben.
kameradschaft (1931)
französische kohlemine im grenzgebiet explodiert und kollabiert. hunderte sterben, aber trotz erbfeindschaft kommen deutsche kumpels zu hilfe. schönes beispiel zur überwindung des nationalismus. den ersten weltkrieg hat es zwar nicht verhindert, aber womöglich war das einer der grundsteine für die deutsch-französische freundschaft ... die ich nicht missen will - ich liebe frankreich!
ein film über das 1988er referendum, welches den beginn des endes von pinochets diktatur in chile darstellte. ein großes manko ist, daß der film zwar keine unwahrheit verbreitet, auf dem weg zu pinochets abgang aber einige wichtige zwischenstationen verschweigt. dennoch, ich bin begeistert- zunächst einmal habe ich dieses referendum mindetsens verdrängt, falls ich überhaupt schon einmal davon gehört hatte. bildungsfernsehen. eine unfassbare geschichte, wie in - so war es historisch - jeweils 15 minütigen fernsehspots (gemeinsam getragen von 17 oppositionsparteien) an 27 aufeinander folgenden tagen ein verängstigtes volk dazu gebracht wird, "nein!" zu sagen und dem land eine neue zukunft zu geben, das alles mit den mitteln der modernen, konsumentenorientierten und auch poppigen werbung. dass ein drittel des filmes aus archivmaterial besteht, sieht man ihm weiss gott nicht an, hat larrain doch in 1988 entsprechender qualität im 4:3-format gedreht, das ist schon genial. absolut zu empfehlen!
Ich kann mich an das Referendum noch erinnern und fand es damals einfach schräg. Nicht nur, weil man einen Diktator abwählen konnte, sondern auch, weil er von seiner Abwahl tatsächlich überrascht schien.
We don't believe in anything we dont stand for nothing. We got no "V" for victory cause we know things are tougher.
(Iggy Pop/James Williamson: "Beyond The Law")
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Zitat von King Bronkowitz im Beitrag #3988Ich kann mich an das Referendum noch erinnern und fand es damals einfach schräg. Nicht nur, weil man einen Diktator abwählen konnte, sondern auch, weil er von seiner Abwahl tatsächlich überrascht schien.
Seine Abwahl war alles andere als sicher. Insofern durfte er ruhig überrascht sein. Lateinamerika hat leider ein sehr merkwürdiges Verhältnis zu seinen Diktatoren.
☟ smog in berlin. nichts wie hin. weil du mich küsst, bin ich kein tourist.