Athena Zwiespältig. In technischer Hinsicht ist dieser Film natürlich sehr beeindruckend. Romain Gavras, der Sohn von Costa, fährt geschätzte tausend Plansequenzen, Drohnenflüge, griechische Chöre, Feuerwerk und Gedöns auf und schmeißt das Publikum in einen nicht enden wollenden Adrenalinrausch. Aber was will er uns erzählen? Wenn man einen von den besseren Banlieue-Filmen gesehen hat ("Les Misérables" oder "Bac Nord"), dann weiß man, was einen hier erwartet - nur halt alles auf zehn gedreht. Ich glaube zudem, dass ein solcher Film mehr Menschen in die Arme des Front National/Rassemblement National treibt als er Bewusstsein für die marginalisierten Bevölkerungsgruppen schafft. Denn dazu hätte es Charakterzeichnung und Hintergründe der Figuren gebraucht, an denen Gavras aber nicht interessiert ist. Irgendwie sehenswert für die Tracking Shots, man darf bloß keinen Tiefgang erwarten. (6/10)
austin powers: international man of mystery (jay roach, 1997)
ich! habe! kein! einziges! mal! gelacht!
cassandra's dream (woody allen, 2007)
auf so "schuld und sühne"-stories hat sich allen in seinem spätwerk ein bisschen spezialisiert. leider kommt er mit diesem nicht annähernd an beispielsweise "crimes and misdemeanors" oder "match point" ran, in dem sich zwei brüder, die beide dringend geld benötigen, auf ein zwielichtiges "geschäft" einlassen. was das etwas schwachbrüstige und nicht gerade superoriginelle skript rettet, ist die fantastische chemie zwischen den beiden hauptdarstellern ewan mcgregor und colin farrell, allens doch immer wieder aufblitzender lakonischer humor und dieses furztrockene, abrupte ende (das wahrscheinlich 90% des publikums gehasst hat). in den nebenrollen glänzen u.a. sally hawkins und hayley atwell als significant others der brüder, claire higgins, john benfield und tom wilkinson als eltern und der reiche onkel aus amerika. kein highlight in allens werk, aber sehenswert allemal.
orfeos traum (tor iben, 2019)
huch! gleich nochmal griechische mythologie im titel (und hier wie da, im film zart angedeutet) - das ein buddy flic gone gay romance - sehr low budget und mit einigen nicht ganz so überzeugenden schauspielerischen leistungen, aber mit herz und schnoddrigkeit, die ich sehr charmant fand. interessant mal wieder, wenn man sich die reviews anschaut, wie viele leute es gibt, die es total unrealistisch finden, wenn sich so straight aussehende und agierende typen als schwul herausstellen und sich ineinander verlieben. nee, leute, ihr habt ja so recht. das gibt's wirklich auf keinem schiff nicht.
tommaso (abel ferrara, 2019)
ferrara und willem dafoe haben sich inzwischen als echtes traum-gespann etabliert. hier agiert der schauspieler als alter ego des regisseurs, lebt wie er als expat in rom, frau und kind werden von ferraras frau und kind gespielt und es wurde zum großteil in deren original wohnung gefilmt. er wird von den gleichen dämonen - alkohol, drogen, sexsucht - verfolgt, versucht aber ein guter ehemann und vater zu sein, seinen nächsten film zu realisieren ("siberia" - natürlich auch wieder mit dafoe in der hauptrolle), mit hilfe von yoga, meditation und in aa-meetings besagte dämonen zu besiegen, aber es hilft nix. seine frau entfernt sich zusehends von ihm, es gelingt ihm nicht wirklich, eine beziehung zu seiner tochter aufzubauen und er entwickelt außerehelichen ambitionen, wobei so nach und nach realität und tommasos innenleben verwischen, sodass man als zuschauer recht bald nicht mehr beurteilen kann, ob das was man da sieht, wirklich geschieht. und das kulminiert dann in einem komplett surrealen showdown, der mich komplett weggeblasen hat. großartiger film, sehr empfohlen!
Strafpark (USA 1971, R: Peter Watkins) Wer in den USA protestiert, ob gegen die Regierung, den Krieg oder die Einberufung, wird vor ein Tribunal gestellt und hat die Wahl: jahrelang Knast oder drei Tage Strafpark. Natürlich entscheiden sich die meisten für die kurze Zeit im vermeintlich harmlosen Strafpark. Die Aufgabe: Innerhalb von zweieinhalb Tagen müssen sie in der Wüste bei Extremhitze zu Fuß eine fast 60 Meilen entfernte amerikanische Flagge erreichen. Zwei Stunden Vorsprung haben die Gefangenen, dann starten Polizei, Armee und Nationalgarde und nehmen die Verfolgung auf. Begleitet wird das Ganze von Fernsehteams, die eine Dokumentation über den Strafpark drehen. Der Film ist faszinierend und erschreckend zugleich, denn wie später in "Running Man" und Co. haben die Gefangenen eigentlich keine Chance, die Flagge zu erreichen. Denn die Staatsmacht geht mit Gewalt vor. Das gilt auch für die Tribunale. In Schnellgerichten haben die Protestler keine Chance auf Freispruch. Es geht nur um die Höhe der Strafe. Peter Watkins stellt es clever gegenüber: Während die eine Gruppe im Strafpark leidet, steht die nächste Gruppe schon vor dem Tribunal. Mir war das manchmal nur etwas zu durcheinander. Aber vielleicht war das auch Stilmittel, dass der Zuschauer genauso konfus ist, wie die Protestler das empfinden dürften. 7/10
Die letzten Sechs in der Playlist: Honeyglaze - Real Deal || Laura Marling - Patterns In Repeat || Nieve Ella - Watch It Ache and Bleed || Dawn Richard & Spencer Zahn - Quiet In a World Full of Noise || Flip Top Head - Up Like a Weather Balloon || Haley Heyndericks - Seed of a Seed
Smile (2022) Joa, der war schon nicht übel. Fangen wir positiv an: Die Geschichte um die Psychologin, die sich nach dem brutalen Selbstmord einer neuen Patientin von einer übernatürlichen Macht verfolgt wähnt, ist sehr gut gefilmt. Das sieht schon alles klasse aus, bis es am Ende eher trashig-witzig wird; Letzteres mag ich allerdings, das hat mich persönlich nicht gestört. Manch anderer mag das allerdings als zu harten Bruch empfinden und womöglich war es auch gar nicht witzig gemient ... Gut gespielt ist das Ganze ebenfalls, besonders Sosie Bacon sticht heraus. Aber der Film lässt sich eher langsam an und setzt entschieden zu häufig auf Jump Scares, die nicht mal wirklich aufgehen - und da ich normalerweise IMMER auf so etwas reinfalle, will das wirklich was heißen! Außerdem wird der Subtext zu vehement in den Vordergrund gezerrt, was schon wieder billig wirkt. Insgesamt bereue ich es nicht, den Film gesehen zu haben, glaube aber nicht, dass man dafür unbedingt ins Kino muss. Außer natürlich, daheim ist es zu kalt, dann geht alle ins Kino.
You all want the whole world to be changed so you will be different.
natürlich MUSS man ins kino. also ich. denn wenn diese einrichtung ausstirbt, ist die menscheit verloren. und ich freu mich auf den film - auch wenn sich deine begeisterung in grenzen hält.
Zitat von gnathonemus im Beitrag #4955natürlich MUSS man ins kino. also ich. denn wenn diese einrichtung ausstirbt, ist die menscheit verloren. und ich freu mich auf den film - auch wenn sich deine begeisterung in grenzen hält.
Du hast recht! Vielleicht gehe ich heute Abend gleich noch mal ins Kino - halt in einen anderen Film. Mal sehen, was im kleinen Brühler Kino läuft ...
You all want the whole world to be changed so you will be different.
Zumindest die ersten 25 Minuten. Ich stelle mir die Hölle als einen Ort vor, an dem ich ständig fremden Pärchen beim Knutschen zuschauen und Musik von den Tindersticks hören muss.
einer der beiden filme von nolan, die ich bis jetzt noch nicht gesehen hatte (fehlt jetzt nur noch "following"). remake - muss ich nicht haben, dachte ich bisher, aber bekommt man das original je zu sehen (?), gute reviews hat er allemal und da er gerade günstig bei amazon prime zu haben war ... warum nicht. und ich hab's nicht bereut. das katz-und-maus-spiel zwischen al pacino und robin williams unter schlafentzug in sub-arktischer atmosphäre, das gekonnt den dualismus von gut und böse verwischt, ist verdammt spannend und spielt ständig mit der verteilung deiner sympathien für die beteiligten, zum schluss selbst für hilary swank, die angebliche reinheit in person. sehr ungemütlich, sehr gut. auf das original wäre ich trotzdem noch neugierig.
onkel bonmee erinnert sich an seine früheren leben (2010, apichatpong weerasethakul)
kann man nicht verstehen, diesen film. man ergibt sich den zum teil atemberaubenden bildern, den langen, meditativen einstellungen, den unerklärlichen, wie selbstverständlichen erscheinungen von geistern ... oder man kann nix damit anfangen. ich kann letzteres absolut verstehen und würde niemanden dafür kritisieren, aber mich hat der film mit seiner seltsamen magie, seiner irrationalität und seiner einzigartigen ästhetik von minute 1 ab gekriegt. sich darauf einlassen und genießen ... und nichts davon verstehen wollen oder müssen, ist der schlüssel. grandios!
Zitat von gnathonemus im Beitrag #4958insomnia (christopher nolan, 2002)
einer der beiden filme von nolan, die ich bis jetzt noch nicht gesehen hatte (fehlt jetzt nur noch "following"). remake - muss ich nicht haben, dachte ich bisher, aber bekommt man das original je zu sehen (?), gute reviews hat er allemal und da er gerade günstig bei amazon prime zu haben war ... warum nicht. und ich hab's nicht bereut. das katz-und-maus-spiel zwischen al pacino und robin williams unter schlafentzug in sub-arktischer atmosphäre, das gekonnt den dualismus von gut und böse verwischt, ist verdammt spannend und spielt ständig mit der verteilung deiner sympathien für die beteiligten, zum schluss selbst für hilary swank, die angebliche reinheit in person. sehr ungemütlich, sehr gut. auf das original wäre ich trotzdem noch neugierig.
Hier fand ich das Original tatsächlich deutlich besser.
Zitat von gnathonemus im Beitrag #4958onkel bonmee erinnert sich an seine früheren leben (2010, apichatpong weerasethakul)
kann man nicht verstehen, diesen film. man ergibt sich den zum teil atemberaubenden bildern, den langen, meditativen einstellungen, den unerklärlichen, wie selbstverständlichen erscheinungen von geistern ... oder man kann nix damit anfangen. ich kann letzteres absolut verstehen und würde niemanden dafür kritisieren, aber mich hat der film mit seiner seltsamen magie, seiner irrationalität und seiner einzigartigen ästhetik von minute 1 ab gekriegt. sich darauf einlassen und genießen ... und nichts davon verstehen wollen oder müssen, ist der schlüssel. grandios!
Den Film mochte ich sehr. Allein schon der fast selbstverständliche Umgang mit Geistererscheinungen fand ich amüsant. Dann wird zum Schluss noch ein neuer Handlungsstrang eröffnet, der dann abrupt endet. Keine Ahnung warum, aber der Film darf das.
☟ smog in berlin. nichts wie hin. weil du mich küsst, bin ich kein tourist.
Zitat von Anorak Twin im Beitrag #4957Trouble Every Day von Claire Denis (2001)
Zumindest die ersten 25 Minuten. Ich stelle mir die Hölle als einen Ort vor, an dem ich ständig fremden Pärchen beim Knutschen zuschauen und Musik von den Tindersticks hören muss.
Was für eine opulente cineastische Orgie, fühlte mich in andere Zeiten gebeamt und wunderbar unterhalten, zugleich ein Trauerspiel. Das „Colonel“ Tom Parker pathologischer Spieler war wußte ich bisher nicht, diese zwei Süchtigen waren ein toxisches Paar, und nur Einer hat die Beziehung überlebt.
Der umwerfende Debüt-Film von Celine Sciamma, die mir mit "Portrait einer jungen Frau in Flammen" einen der besten Filme der letzten Jahre servierte und bereits hier einen so zarten und noch wesentlich kleineren Film über Blicke, über Unausgesprochenes und über Unerreichbares drehte. Drei 15-Jährige Mädchen, die alle das Gleiche wollen, aber eben nur oberflächlich. Marie möchte ins Schwimmteam, um Floriane nahe zu sein, die allerdings kämpft gegen ein Image, das sie selbst als Schutz aber braucht, während Anne ihren Körper verflucht, der sie allerdings, so scheint es zumindest, selbst schützt. Ich liebe ja gute Club-Szenen und die hier kommt definitiv auf die Liste.
Petite Maman (Celine Sciamma, 2021)
Sag, was wisst ihr alles über eure Eltern? Wärt ihr mit ihnen befreundet, wenn ihr sie als Kinder gekannt hättet? Eine Prämisse, die einen unverschämt kurzen, aber einfühlsamen Film wie diesen hier verdient. Nellys Großmutter ist tot und ihre Mutter völlig überfordert. Die Beziehung leidet, sie entfernen sich. Bis Nelly ein gleichaltriges Mädchen in der Nähe des Hauses ihrer Großmutter trifft. Was für eine tolle Regisseurin.