Chloé Zhao ist einfach eine total schräge Wahl für diesen Job gewesen, wobei ich Zweifel hätte, dass irgendeine andere Regisseurin aus diesem Kram einen guten Film gemacht hätte. Ich unterschreibe jedenfalls deine Hoffnungen, denn Nomadland und The Rider waren beide wirklich hervorragend.
Das Worldbuilding ist klasse, visuell und akustisch weiß der Film ebenfalls zu überzeugen ... das Drehbuch zeigt allerdings eklatante Schwächen mit einigen schlecht geschriebenen Klischees und einem ausgeprägten Hang zur Schnulzigkeit. Unterm Strich trotzdem ein bemerkenswertes Stück Science-Fiction-Erzählung, das man sich durchaus mal anschauen kann.
"For robots to be free." (Alphie)
Das ganze Unglück der Menschen rührt allein daher, dass sie nicht ruhig in einem Zimmer zu bleiben vermögen. (Blaise Pascal)
Zwei sehr lange Flüge brachten viele Filme mit sich; das Bordprogramm von Gulf Air ist offenbar nicht übel. Hier eine kurze Zusammenfassung:
Blue Beetle (2023) Quietschbunter Antikes-Artefakt-erschafft-Hightech-Helden-Film, der auch Armuts- und Migrant*innenthematiken beleuchtet. Nicht übel, aber auch nicht gerade mein neuer Lieblingsfilm.
Saw X (2023) Ein Sprung in die Vergangenheit des John Kramer in seinem Kampf gegen den Krebs, der ihn letzten Endes töten wird. Splatterig wie üblich, aber endlich auch wieder intelligent konstruiert - scheint mir, denn die Flugzeug-Version ist so massiv geschnitten, dass mir vermutlich viele Zusammenhänge fehlen ... Muss ich noch mal "richtig" schauen.
Miss Undercover 1 und 2 (2000 und 2005) Actionkomödie mit Sandra Bullock, die als anfangs burschikose Polizeibeamtin bei einem Miss-America-Wettbewerb eingeschleust wird, um einen Bombenanschlag zu vereiteln. Das ist vom Umstyling über das Knüpfen neuer, unwahrscheinlich scheinender Freundschaften bis hin zum Finale so vorhersehbar wie klischeebeladen und trotzdem (oder gerade deswegen?) unheimlich lustig. Guilty Pleasure? Nö, ich schäme mich nicht, dass ich den Film mag und ihn schon oft gesehen habe. Der zweite Teil bietet ebenfalls solide Unterhaltung, fällt aber - wie es zweite Teile so oft tun - gegenüber dem ersten ab.
Der Rückflug war um Längen anstrengender und insgesamt zum Vergessen beschissen, weshalb ich nur mit halber Konzentration gucken konnte. Die letzte Fahrt der Demeter (2023) musste ich denn auch abbrechen, denn ich bin immer wieder eingeschlafen. Das hat der Film nicht verdient, er scheint sehr gut zu sein. Es lag aber sowieso daran, dass ich zu dem Zeitpunkt bereits seit mehr als 24 Stunden wach und um die 18 Stunden unterwegs war ... Den werd ich also ebenfalls noch mal ansehen.
Puppy Love (2023) Liebeskomödie um zwei Singles, die ihre jeweiligen Probleme durch die Adoption eines Hundes zu bewältigen versuchen - und deren Hunde prompt lustig Schweinkram machen, sodass die sehr unterschiedlichen Protagonist*innen gezwungen sind, sich näher kennenzulernen, bis die frischen Welpen vermittelt sind. Natürlich werden sie ein Paar, denn in solchen Filmen können Männer und Frauen sich ja nicht einfach anfreunden, sondern verlieben sich auf jeden Fall. Verzichtbar, aber die Hunde sind süß.
Crazy Rich Asians (2018) Rachel und Nick sind schon ein Jahr lang zusammen, als Rachel endlich mit ihm aus den USA in seine Heimat Singapur reist, um eine Hochzeit zu besuchen und seine Familie kennenzulernen. Was Rachel nicht weiß: Nicks Familie ist unfassbar, unanständig, völlig übertrieben reich. Und Nicks Familie steht gar nicht auf die Frau aus einfachen (immerhin chinesischen!) Verhältnissen, die Sohnemann und Zukunftshoffnung da anschleppt. Tolle Aufnahmen aus Singapur, erstaunlich viele Witze, die zünden, ein hauptsächlich asiatischer Cast (ja, das ist selten in US-Produktionen und das ist wiederum schade) und eine hochwertige Produktion. Klar ist die Geschichte mal wieder nicht die originellste, aber der Film funktioniert gut und hat mich exzellent unterhalten.
Meet Cute (2022) Noch eine romantische Komödie. (Don't judge: Ich war übermüdet und erschöpft und traurig, dass meine Reise vorbei war!) Diese beginnt mit einer unterhaltsam absurden Prämisse: Sheila trifft in einer Bar in New York auf Gary und erzählt ihm, dass in ihrem bevorzugten Nagelstudio eine alte Sonnenbank steht, die in Wahrheit eine Zeitmaschine ist. Die beiden, so Sheila weiter, hätten sich schon sehr, sehr oft in genau dieser Bar getroffen und sehr, sehr oft denselben Abend miteinander verbracht. Timeloop-Romcom, man kennt das, aber hier geht es überraschend deftig und auch ziemlich finster zur Sache, denn Sheila ist eine ungemein verzweifelte Person. Eindeutige Empfehlung!
Kong: Skull Island (2017) Der Film ist an sich schon geil, aber er kickt noch mal anders, wenn man Vietnam und insbesondere die Halong Bay besucht hat. Dort wurden Teile des Films gedreht, wie uns der Guide während unserer Bootstour dort erzählte. Damit stand für den Liebsten und mich fest, dass der Film auf unserer "Wollen wir sehen"-Liste ein paar Plätze nach oben wandert. Und prompt finden wir ihn im Bordprogramm! Sicherlich kommt er im Kino besser rüber - soooo ein großer Affe! Soooo große andere Tiere auf der sagenumwobenen Skull Island des Films. Die Handlung ist wie so oft unspektakulär: Bisher unerforschte Insel im Südpazifik, USA schicken Leute inklusive Soldaten, Sprengungen zur geologischen Untersuchung/ Kartierung der Insel rufen gigantischen Affen auf den Plan, viele Kämpfe, irgendwann Showdown. Wer Creature-Filme und vor allem King Kong mag, sollte einen Blick riskieren.
You all want the whole world to be changed so you will be different.
Wir befinden uns offensichtlich endgültig in einem Zeitalter, in dem es billiger ist, fünfzig Soldaten aus dem Rechner in die Landschaft zu kleben, als echte Menschen zu verwenden - selbst wenn sie nur langsam eine Straße entlang gehen. Der ganze CGI-Kram sieht so künstlich aus, es reißt einen komplett aus der Immersion. Und warum nicht mal zeigen, wie ein Pferd von einer Kanonenkugel zerfetzt wird? Ist zwar dramaturgisch nicht notwendig, aber hey, wir können das inzwischen umsetzen, also machen wir das auch! Und warum reden alle französischen Aristokraten Oxford English? Irritierend. Das war eine Fehlentscheidung, Ridley.
Doch der Film hat leider größere Probleme. Viele Szenen wirken unausgegoren, ohne dass man direkt sagen könnte, warum. Wenn man mit der französischen Geschichte nicht vertraut ist, wird man der Handlung nur begrenzt folgen können, weil es doch sehr flott geht und stückhaft wirkt. Der angekündigte Vier-Stunden-Cut könnte Abhilfe schaffen, wir werden es erleben. Joaquin Phoenix und Vanessa Kirby spielen sehenswert. Außerdem habe ich mich gefreut, dass es Tahar Rahim inzwischen in einen Mainstream-Film geschafft hat. Um es in den Worten meiner Mutter zu sagen: Den seh ich immer gerne!
Reichhaltig, vielschichtig, voller emotionaler Tiefe ... manchmal komisch, manchmal melancholisch, manchmal absurd ... McDonaghs Film überzeugt ähnlich gut wie seine früheren Regiearbeiten "In Bruges" und "Three Billboards Outside Ebbing, Missouri".
Einer besten Filme aus 2022.
"It was all going fine until he chopped off all his fingers." (Pádraic Súilleabháin)
Das ganze Unglück der Menschen rührt allein daher, dass sie nicht ruhig in einem Zimmer zu bleiben vermögen. (Blaise Pascal)
Zitat von Olsen im Beitrag #6083Und warum reden alle französischen Aristokraten Oxford English?
Wie sollen sie deiner Meinung nach reden?
Mindestens mal mit einem französischen Akzent. Noch besser: direkt Menschen aus Frankreich besetzen und den Film in den Sprachen drehen, die dort tatsächlich gesprochen wurden.
Ich finde einen französischen Akzent in solchen Fällen albern, da sollen ja Menschen eines gehobenen Bildungsniveaus in ihrer Muttersprache sprechen. Originalsprache wäre eine Lösung, dann müsste ich aber auch das Original schauen, und das mache ich nur bei deutsch- und englischsprachigen Filmen, weil ich für alles andere Untertitel brauche und die meine Immersion deutlich mehr brechen als eine synchronisierte Fassung. Und man würde bei der Besetzung deutlich eingeschränkt.
"Happy Holidays... is what terrorists say. Merry Christmas, from Avery and Jack."
fantastisch. normalerweise langweilen mich die social justice-filme der letzten jahre, weil sie meistens zum gegenteil ihrer intendierten radikalität verkommen sind. der hier gibt einem den glauben an den film zurück. diese aufregung, wenn man als knirps einen neuen film oder musikvideos mit einer neuartigen ästhetik gesehen hat, dieses gefühl hat man nur mehr selten. poor things bietet das.
gestern gesehen, ich darf das so unterschreiben.
allerdings hab ich ein paar kleine haare in der suppe gefunden:
zum plot: es wird nie thematisiert, ob bella nach dem eingriff noch kinder bekommen könnte oder nicht. dass sie sich - gerade in der frühen "erkundungsphase" diese frage natürlich auch selbst nicht stellt, ist eine der entscheidenden voraussetzungen dafür, dass sie ihren ungeheuren erkundungsdrang auch auf sexuellem gebiet so ausleben kann. allerdings ist es mMn auch der entscheidende nicht sozial konstruierte faktor unter den gründen für die jahrtausende währende sexuelle maßregelung der frau. mich hätte durchaus interessiert, was der film daraus gemacht hätte, wenn er das thema etwas vertiefter behandelt hätte.
zur umsetzung: ich hab die deutsche fassung gesehen, darum weiß ich nicht, ob bella im original anfänglich auch so eine unglaubwürdige "kindersprache" spricht. mich haben diese verkürzten infinitivsätze bei gleichzeitig relativ sauberer aussprache sehr unangenehm an die - noch in meiner kindheit und jugend recht häufig anzutreffende - klischeehafte darstellung "wilder" ureinwohner afrikas oder anderer ferner länder erinnert. es hat tatsächlich bis zu bellas ersten halbwegs vollständigen sätzen gedauert, bis ich die figur voll annehmen, und den film dann auch ohne innere vorbehalte genießen konnte.
Poor Things (IRL/GB/USA/H 2023, R: Yorgos Lanthimos, D: Emma Stone, Mark Ruffalo, Willem Dafoe, Ramy Youssef, Christopher Abbott, Jerrod Carmichael) So wirklich fassen kann ich den Film noch nicht. Es hat auch ein bisschen gebraucht, mich darauf einzulassen. Aber spätestens auf dem Schiff war ich dann drin in "Poor Things". Trotzdem weiß ich nicht, wo ich anfangen soll. Mit Emma Stones Leistung? Die ist brillant. Was sie für eine Entwicklung macht, von der unbeholfenen Bella zu Beginn, die sprachlich und motorisch eingeschränkt ist, über die, die ihre Sexualität entdeckt und auslebt bis zur erwachsenen Bella - sie verkörpert diese Figur großartig. Auch Willem Dafoes Maske ist beeindruckend. Oder die Settings. Die schräge Musik. Die Kostüme. Diese Welt! Was zunächst wie eine Freak-Show wirkt, entwickelt sich zu einem großen emanzipatorischen Drama. Sollte man auf jeden Fall gesehen haben, wenn man sich für Filme interessiert. 8/10
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